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60 Sekunden für: Heribert Prantl
"Zeitungen sind keine Hirtenbriefe"

Sollte es Wahlempfehlungen deutscher Journalisten geben? Nein, sagte der Innenpolitik-Chef der Süddeutschen Zeitung Heribert Prantl im Dlf: "Das wäre eine Verplumpung unserer täglichen Arbeit".

    Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung auf der Frankfurter Buchmesse 2016
    Heribert Prantl hält nichts von Wahlempfehlungen (imago / Manfred Segerer)
    "Im Nachkriegsdeutschland in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts haben die katholischen Bischöfe Wahlempfehlungen für die CDU und die CSU per Hirtenbrief abgegeben. Das haben sie dann Gott sei Dank beendet.
    Es wäre seltsam, wenn nun die Zeitungen damit anfangen würden. Zeitungen sind keine Hirtenbriefe und die Leser und Leserinnen sind keine Schafe. Die Zeitungen liefern die Grundlage für die Entscheidungen der Wähler. Wir analysieren präzise, wir kommentieren pointiert, wir tun das engagiert und differenziert. Daraus dann eine Wahlempfehlung für eine Partei zu machen, das wäre eine Verplumpung unserer täglichen Arbeit. Das wäre kein Service, sondern ein Tort, den wir uns selber antun.
    Bei der Bundestagswahl von 2002 hat die Financial Times Deutschland eine Wahlempfehlung für Edmond Stoiber, den Kanzlerkandidaten der Union, abgegeben. Erfolg hatte sie damit nicht. Beispielgebend für andere Blätter war das auch nicht. Und die FTD wurde 2012 eingestellt."
    Heribert Prantl ist Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung und leitet dort auch das Ressort für Innenpolitik.