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600 Millionen potenzielle Kunden

In der Volksrepublik wird per Mausklick eingekauft, als ob es kein Morgen gäbe: Der Umsatz von Online-Geschäften hat sich in der ersten Jahreshälfte 2013 verfünffacht. Schon bald könnte China die USA als Spitzenreiter im Onlinehandel überholen.

Von Silke Ballweg | 10.10.2013
    Die Gulou Dongdajie im Herzen von Peking ist eine angesagte Einkaufsstraße. Phantasievolle Geschäfte und individuelle Cafes – hier bummeln vor allem junge Chinesen. Auch diese Jungs verbringen ihren Samstagnachmittag hier im Viertel – aber viel Geld ausgeben wollen sie nicht:

    "Wir schauen nur ein bisschen, aber kaufen nichts. Ich bestelle meine Sachen vor allem im Internet, das ist viel praktischer. Dann habe ich viel mehr Auswahl und kann außerdem die Preise vergleichen."

    In China boomt der Internethandel. Einer Studie der Beratungsfirma Bain and Company zufolge könnte er schon in diesem Jahr den der USA überholen- den bisherigen Spitzenreiter. Knapp 600 Millionen Chinesen haben mittlerweile Internetzugang, ein Großteil von ihnen geht zudem mit Smartphone online. Rund um die Uhr einkaufen, egal von welchem Ort aus – vor allem junge Chinesen finden das gut.

    "Ich habe oft keine Zeit zum Einkaufen, dann finde ich es einfacher, die Sachen übers Internet zu bestellen."

    "Das ist doch sehr praktisch, ich kann mir daheim alles anschauen und muss nicht aus dem Haus gehen. Und dann bekomme ich die Sachen auch zu mir geliefert. Ist doch super. Und wenn mir was nicht gefällt oder Kleidung mir nicht passt, dann schicke ich es zurück. Geht ganz einfach."

    Allein in Peking bringen bereits 250 Paket- und Lieferdienste die Einkäufe direkt an die Haustür. Im vergangenen Jahr wurden in China bereits Waren für 170 Milliarden Euro im Internet bestellt. Und während das Onlinegeschäft in den Vereinigten Staaten nur noch langsam ansteigt, ist in China kein Ende des Booms zu sehen. In der Volksrepublik wächst der Markt um rund 70 Prozent im Jahr. Online-Unternehmen wie Taobao, Amazon oder Dangdang machen gewaltige Gewinne. Wang Yulei, einer der Manager des Einkaufsportals Tmall.com sagt:

    "Immer mehr Konsumenten entdecken die Möglichkeiten des Internethandels. Und auch wir Unternehmen wissen mittlerweile besser, was die Käufer wollen. Wir haben unsere Webseiten verbessert und den Service bei der Auslieferung verbessert, wie gehen deswegen davon aus, dass wir auch in Zukunft weiter wachsen."

    Schon spürt der Einzelhandel die Konkurrenz aus dem Netz. Denn die Online-Shopper sind gewieft. Zwar sind Geschäfte in China nach wie vor voll – aber die Umsätze gehen zurück, sagt etwa Fang Tian Yi, die mit ihrem Freund ein Bekleidungsgeschäft führt:

    "Manche Kunden kommen und probieren die Sachen auch an, aber statt sie dann zu kaufen, photographieren sie die Ware und bestellen die Kleidung dann im Internet. Wir spüren schon, dass der Umsatz zurückgeht. Wir müssen Miete zahlen, Strom und Wasser, Onlineshops haben diese ganzen Kosten nicht. Die können die Sachen natürlich billiger anbieten als wir."

    Die meisten Handelsketten in China haben bereits Online-Shops eröffnet. Etwa Haier, der größte Hersteller für Kühlschränke oder Waschmaschinen in der Volksrepublik. In der ersten Hälfte dieses Jahres ist der Onlinehandel des Unternehmens bereits um 500 Prozent angestiegen. Bei anderen Firmen sieht es ähnlich. Das chinesische Shoppingportal Taobao gehört schon heute zu den zehn weltweit beliebtesten Homepages. Experten meinen, in nur zehn Jahren könnte die Hälfte der Verkäufe in China im Internet abgewickelt werden.