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63. Grammy-Verleihung in Los Angeles
Divers, politisch und relevant

Mehr Preise für Frauen, mehr Diversität und politische Statements - die Grammys 2021 hatten klare Botschaften. Im Vorfeld war die Vergabe kritisiert worden. Doch die Veranstalter zeigten "wieviel politisches Potenzial im Hip Hop und in der Popmusik steckt", sagte Musikkritiker Jens Balzer im Dlf.

Jens Balzer im Gespräch mit Ulrich Biermann |
Die Sängerinnen Beyonce und Megan Thee Stallion
Zwei Powerfrauen auf der leeren Bühne der Grammy-Verleihung. Megan The Stallion und die Preiskönigin Beyonce (picture alliance / AP / Invision / Chris Pizzello)
Die Grammy Verleihung kämpfte in diesem Jahr mit zahlreichen Problemen. Wegen der Pandemie von Januar auf März verschoben, fand sie trotzdem vor leeren Räumen statt und im Vorfeld kritisierte der Musiker "The Weeknd" die Vergabepraxis als intransparent und boykottierte die Veranstaltung gleich ganz. Interimschef Harvey Mason gelobte in einer Rede Besserung. "Er will sich für neue Grammys einsetzen", sagte Musikkritiker Jens Balzer im Dlf. Wie genau die neue Verleihung aussehen soll, erklärte Mason nicht. Zur Intransparenz sagte er wenig, allerdings wurde schon am Abend deutlich, dass alle auf mehr Preise für Frauen und eine diversere Veranstaltung Wert legen.

Muppet-Monster und Clubkultur

Dennoch, so Balzer, sei die Coronaausgabe der Grammys showtechnisch ein wenig trist ausgefallen, mit leicht müden Witzen des neuen Moderators Trevor Noah. Aber zu den optischen Highlights, erklärt Jens Balzer, zählt der Ex- Boyband Sänger Harry Styles. "Mit seinem knitterigen, leicht glänzenden Lederanzug um den Hals eine flauschig grüne Stola, die wahlweise an das Fell eines frisch erlegten Muppet-Monsters erinnerte oder an eine überdimensionierte Alge. Er könnte der It- Boy der Generation Z werden."
Auch die dargebotenen Songs gingen auf die Pandemie ein. "Einmal von Dua Lipa, der britischen Sängerin, die ein Medley aus ihrem hervorragenden Disco-Album "Future Nostalgia" sang und tanzte. Sie verwandelte den leeren Saal tatsächlich für fünf Minuten in einen pulsierenden Club." Da kamen nostalgische Gefühle auch vor dem Bildschirm auf, sagt Balzer.

Grammy-Königin und Black Lives Matter

Ganz anders die Darbietung von Taylor Swift, die in einer abgeschiedenen Hütte zu sehen war, mit grasbewachsenem Dach gekleidet in eine Art blaues Schneewittchen Kleid. Die große Gewinnerin des Abends war die Rapperin Megan Thee Stallion. Die unter anderem mit Cardi B den allseits kontrovers diskutierten Song "WAP" aufführte, "Wet Ass Pussy" und drei Grammys bekam einen als "beste neue Künstlerin" und zwei für den Song "Savage Remix", den sie im Duett mit Beyoncé aufgenommen hat. Und diesen auch gemeinsam mit Beyoncé entgegennahm. Beyoncé erhielt vier Grammys, unter anderem für ihren Song "Black Parade" und damit die erfolgreichste Künstlerin seit Anbeginn der Grammys ist. Keine hat mehr Auszeichnungen im Regal.
Neben der Pandemie stand die Politik im Mittelpunkt der Verleihung. Es gab ein enorm starkes politisches Statement vom Rapper Lil Baby. Er führte das Lied "The Bigger Picture" auf, das sich mit dem Tod von George Floyd und der rassistischen Polizeigewalt in den USA befasst. Die Bühne war als Straßenszene gestaltet, in der zunächst zwei weiße Polizisten einen schwarzen Mann aus dem Auto zerren und auf den Boden drücken; als er zu fliehen versucht, wird er von hinten erschossen. Daraufhin kommt es zunächst zu gewalttätigen Unruhen und dann zu einer großen Demonstration. Wesentliche Teile des Lieds rappt Lil Baby Stirn an Stirn mit einer Armada behelmter, schwer bewaffneter weißer Polizisten.

Politik und Debattenstoff

Und in der Mitte des Stücks hält die Aktivistin Tamika Mallory, eine der führenden Protagonistinnen der Black-Lives-Matter-Bewegung, eine kurze Rede vor den Demonstranten, in der sie Gerechtigkeit fordert: "We need justice. We don’t need allies, we need accomplices.", so ihre Worte. Sie machte auch klar, dass mit der Abwahl von Donald Trump der Rassismus aus der Gesellschaft nicht einfach verschwunden ist, und während der Grammys wendet sie sich an seinen Nachfolger, an Präsident Biden und fordert "die Freiheit, die uns dieses Land uns verspricht."
Große Gesten und Worte, so Jens Balzer: "So viel entschiedenes, stolzes Traditionen umschließendes Black Empowerment hat es bei den Grammys nicht mehr gegeben seit dem epochalen Auftritt von Kendrick Lamar im Jahr 2016, wo er als Sträfling in einer Chain Gang rappte." Das, so Jens Balzer sei genug Debattenstoff für die nächsten Wochen und " damit haben die Grammys noch einmal gezeigt, wie viel politisches Potenzial im Hip Hop und in der Popmusik steckt."