Deutschland müsse "nicht alle Mühseligen aufnehmen", habe aber "genügend Ressourcen, die politisch Verfolgten zu schützen, statt die Verantwortung auf die sogenannten Drittstaaten abzuschieben", sagte Kermani gegen Ende seiner Rede.
Dabei erinnerte der deutsch-iranische Schriftsteller an die Menschen, die bei ihrem Versuch, Europa zu erreichen, im Mittelmeer ertrinken, aber auch an NSA-Enthüller Edward Snowden.
Der Bundestag erinnerte heute in einer Feierstunde an den 65. Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes am 23. Mai 1949. Kermani sprach als Gastredner zu den Delegierten - und würdigte dies. "Es gibt nicht viele Staaten in der Welt, in denen das möglich wäre", sagte er mit Blick auf seinen Hintergrund als "Deutscher, der nicht nur deutsch ist". Der Orientalist stimmte Bundespräsident Joachim Gauck zu, der jüngst gesagt hatte: "Deutschland ist ein gutes Deutschland, das beste, das wir kennen." In der Tat sei es zu keiner Zeit toleranter zugegangen, so Kermani. Die Grundlage hierzu habe das Grundgesetz geschaffen, das alle Menschen vor dem Gesetz gleichstelle.
"Das Asyl - als Grundrecht praktisch abgeschafft"
"Doch wir können das Grundgesetz nicht feiern, ohne an die Verstümmelungen zu denken", sagte Kermani weiter und kritisierte hierbei vor allem die Änderungen von Artikel 16. Dieser habe in seiner ursprünglichen Fassung gesagt, dass politisch Verfolgte "unser Asylrecht genießen". Durch seine Änderung und Ausweitung 1993 habe Deutschland das Asyl- als Grundrecht "praktisch abgeschafft". Der Schriftsteller appellierte an die Abgeordneten, das Grundgesetz von diesem "hässlichen herzlosen Fleck" zu bereinigen.
Deutschland solle sich nicht verschließen, sondern könne stolz darauf sein,"so anziehend zu sein". Im Namen aller Einwanderer bedankte sich Kermani am Schluss: "Danke, Deutschland!" Für seine Rede erhielt er immer wieder und am Ende lange andauernden Applaus, TV-Bilder zeigten einen SPD-Abgeordneten Peer Steinbrück, der mit den Tränen rang.
Lammert würdigt – und kritisiert
Zuvor hatte bereits Bundestagspräsident Norbert Lammert das Grundgesetz als "Glücksfall der deutschen Geschichte" gewürdigt. Auch er stellte in Frage, ob "Änderungen und Anpassungen ähnlich gelungen sind wie der Verfassungstext". Inzwischen sei der Text "deutlich dicker, aber nicht deutlich besser geworden", sagte der CDU-Politiker.
Zu den "glücklichen Innovationen" des Grundgesetzes gehöre die Schaffung eines Bundesverfassungsgerichts, "auch wenn man nicht mit jeder einzelnen Entscheidung glücklich sein muss". Lammert mahnte in dem Zusammenhang ein anderes Verfahren zur Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts an.
Abstimmung über Rentenpaket
Nach Lammert und Kermani würdigten auch noch die Fraktionsvorsitzenden der Parteien, Volker Kauder (Union), Gregor Gysi (Linkspartei) und Katrin Göring-Eckhardt, das Grundgesetz.
Im Anschluss stimmt der Bundestag über das Rentenpaket der schwarz-roten Koalition ab.
(bor/stfr)