7,8. Eine Zahl, von der praktisch nie die Rede ist. Was man hört, ist, dass die Ozeane sich chemisch verändern. Hans-Otto Pörtner, Zoologe am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. "Wenn wir also zum Ende des Jahrhunderts gehen, und nehmen das sogenannte Business-as-usual-Szenario, also Weitermachen wie bisher, dann landen wir in 2100 bei etwa 7,8."
7,8 - das ist der pH-Wert, auf den der Ozean in diesem Jahrhundert zusteuert. Zu Beginn des Industriezeitalters betrug er noch kaum 8,2. Keine große Änderung, könnte man meinen. Irrtum! "Es ist eine logarithmische Skala. Und man muss da ganz klar sagen, dass eine pH-Änderung um 0,1 eine etwa 30-prozentige Erhöhung des Säuregrades bedeutet."
Der Ozean saugt Kohlendioxid aus der Luft. Rund ein Drittel des Treibhausgases, das der Mensch in die Atmosphäre bläst, wandert fortwährend ins Meer. Aus dem CO2 entsteht eine Säure - Kohlensäure. Sie lässt die Kalkgehäuse vieler Meeresbewohner korrodieren.
Der französische Meeresbiologe Jean-Pierre Gattuso aus dem Labor für Ozeanografie in Villefranche-sur-Mer: "Im Südlichen Ozean lebt eine Flügelschnecke, ein winziges Weichtier. Es ist die wichtigste Nahrungsquelle für den Pazifischen Lachs. Man hat Exemplare gefunden, bei denen sich die Kalkschale schon heute auflöst."
Zugleich kriegen Muscheln, Schnecken und Korallen Probleme beim Bau ihrer Schalen und Skelette. Dafür brauchen sie nämlich Karbonat. Sein Gehalt im Meerwasser sinkt aber, wenn der pH-Wert fällt. Austern-Kulturen an der Pazifikküste der USA geht der wichtige Baustoff bereits aus - Versauerung und veränderte Meeresströmungen gehen hier Hand in Hand. "Betroffen sind vor allen Dingen die ganz jungen Austern, deren Schalenbildung stark gestört ist. Da kommt es zu massiven wirtschaftlichen Einbrüchen deswegen."
Nicht nur das Meer wird saurer, sondern auch die Körperflüssigkeiten seiner Bewohner. Denn Kohlendioxid diffundiert aus dem Wasser in ihr Gewebe. Ein Phänomen, dem Forscher wie Jean-Pierre Gattuso jetzt mehr Aufmerksamkeit schenken: "Hier gibt es ganz frische Studien aus Australien, die zeigen, dass die Versauerung zu Verhaltensstörungen bei Fischen führen kann. Manche schwimmen plötzlich auf ihre Fressfeinde zu statt vor ihnen zu fliehen. Untersuchungen darüber haben gerade erst begonnen."
Das alles schon bei dem aktuellen pH-Wert im Meer von knapp 8,1. Fällt er tatsächlich bis auf 7,8, weil unser CO2-Ausstoß nicht deutlich sinkt, rechnen die Forscher mit dem Schlimmsten - mit Korallen und Muscheln, die es nicht mehr schaffen, sich anzupassen.