Moderiert von Deutschlandfunk-Redakteur Christoph Schäfer diskutierten dazu im Kölner Funkhaus des Deutschlandfunks Sandra Müller, multimediale Redaktionsleiterin beim SWR in Tübingen, Ole Pflüger, Ressortleiter Podcast bei Zeit Online sowie Jona Teichmann, die Programmdirektorin des Deutschlandradios.
Herausforderungen für das Radio
Die Runde arbeitete die Herausforderungen für das Radio deutlich heraus. Dazu zählen etwa die aufkommenden Podcasts und andere on-demand-Angebote, aber auch die Künstliche Intelligenz, die inzwischen sogar Stimmen treffsicher imitieren kann. Es geht aber auch um veränderte Hör- und Nutzungsgewohnheiten von Jugendlichen oder die neu designten Bedienfelder in Autos, bei denen das Radio nicht mehr per einfachem Knopfdruck eingeschaltet werden kann. "Usability schlägt alles", sagte etwa Sandra Müller. Wenn es nicht bequem sei, das Radio anzuschalten, dann werde man viele Menschen verlieren. Ole Pflüger verwies auf die Rolle der Podcasts auf dem Weg zur Arbeit: "Podcasts dringen zum Teil in Orte ein, an denen früher Radio gehört wurde."
Bei allen Herausforderungen betonte die Runde die Stärken des Radios. Radio habe etwas Einzigartiges, das überleben werde, sagte Müller. Umfragen zeigten, dass das Radio auch "das Wohlfühlmedium Nummer eins" sei. Bei jedem anderen Medium habe man in irgendeiner Form ein schlechtes Gewissen: Wenn man etwa zu lange ferngesehen oder gestreamt habe oder wenn der Stapel mit den ungelesenen Büchern immer weiter anwachse. Pflüger betonte die Zufallskomponente beim Radio. Man wisse ungefähr, was einen erwarte, habe aber trotzdem Überraschungsmomente. In einer Welt, die von on-demand-Angeboten geprägt sei, tue es gut, sich nicht entscheiden zu müssen.
Die soziale Funktion des Radios
Jona Teichmann betonte die soziale Funktion des Radios: Bei einer Bundesligakonferenz etwa erfahre man etwas in Echtzeit und sei gleichzeitig mit anderen verbunden. "Beim Fernsehen spricht man oft von einem Lagerfeuermoment", sagte Teichmann. Ein anderes Beispiel seien die Nachrichten. Auch wenn dort manchmal Schlimmes berichtet werde, so hätten die Nachrichten doch eine beruhigende, tagesstrukturierende Funktion. Teichmann meinte, man werde von einem Menschen angesprochen und wisse, dass weitere Menschen zuhörten. So merkten die Hörerinnen und Hörer, dass die Welt noch stehe und dass sie nicht alleine seien. Dass das Radio auch solche Funktionen habe, habe man früher so nicht wahrgenommen, so Teichmann.
"Das Radio muss sich auf seine Stärken besinnen"
Die Deutschlandradio-Programmdirektorin plädierte dafür, sich wieder auf die Stärken des Mediums zu besinnen. Dabei seien das Livemoment wichtig, Interaktion, Debatten sowie die Nähe zum Publikum. Pflüger führte einen Erfolgsaspekt von Podcasts an: die Subjektivität. Durch diese könne man auch an Glaubwürdigkeit gewinnen, zum Beispiel, wenn jemand erzähle, wie eine Recherche abgelaufen sei und welche Zweifel und Schwierigkeiten es dabei gegeben habe. Teichmann schränkte ein, dass der Journalismus mit Subjektivität auch Probleme habe, hier aber von Podcasts lernen könne.
Mit Podcasts spitze Zielgruppen erreichen: Ist das förderlich für die Demokratie?
Im Publikum kritisierte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum die Ausrichtung vieler Podcasts auf sehr spezifische und damit kleine Zielgruppen. Man müsse sich fragen, ob man dann keine gemeinsame Öffentlichkeit mehr habe und was das für die Demokratie bedeute. Teichmann hingegen vertrat die Position, wonach solche spitzen Zielgruppen nichts Schlechtes seien. Es gebe ein bestimmtes Publikum, das man mit dem linearen Radio nicht erreiche. Wenn man diese Menschen durch spitze Angebote erreiche, sei das erst einmal was Gutes. Müller fügte hinzu, viele Gruppen kämen in den Massenmedien kaum vor, sie nannte das Stichwort Diversität. Müllers Hoffnung: Wenn es nun Podcasts mit Inhalten für diese Menschen gibt, spiegelt sich das irgendwann im linearen Hauptprogramm wider.