Filmausschnitt: "Die neuen Leiden des jungen W."
Meine Damen und Herren, Kumpels und Kumpelinen, Gerechte und Ungerechte, FDJler und Pioniere, entspannt Euch! Hier ist wieder euer Eddie, der Unverwüstliche!
Musik: "Blue Jeans Song"
In der Verfilmung des Kult-Romans "Die neuen Leiden des jungen W.", geschrieben vom DDR-Autor Ulrich Plenzdorf, spielte Klaus Hoffmann einen rebellischen Lehrling aus Wittenberg, der nach einem Streit mit seinem Kombinatsleiter alles hinschmeißt, nach Berlin geht und dann in einer Gartenlaube Goethes Werter und die Liebe kennenlernt.
"Ich musste das machen. Das gibt so Geschichten in Drehbüchern, die musst du dann tun, da bist du dafür jetzt gebaut, auch wenn andere sagen, du bist ja kein Ossi und so! Ich musste da gar nichts groß bluffen. Die Philosophie fing ja an einer Hose an, wenn die Hosen nicht stimmen, nicht richtig auf den Hüften klebt, dann hast du ein falsches Weltbild. Und dieses Weltbild in der damaligen Zeit, das war mir eine. Ich war weder im Osten noch im Westen. Ich war in beiden und war so der Mauerspringer, würde ich mich heute so sehen. Ich musste da gar nichts suchen. Der ist heute noch in mir. Aber der ist jetzt ein anderer auch. Dylan würde sagen, ich bin ein anderer. Aber sag mir, wer ich bin."
400 Lieder geschrieben
Klaus Hoffmann wuchs auf in Berlin-Charlottenburg. Seine Mutter war Arbeiterin. Sein Vater, Finanzbeamter mit großer Leidenschaft für Musik, starb schon früh. Klaus Hoffmann hat diese Leidenschaft geerbt und war bereits Mitte der 1970er Jahre als Liedermacher in Berlins Szenekneipen erfolgreich. Edgar Wibeau war die berühmteste Rolle des jungen Darstellers, der eine Schauspielausbildung an der West-Berliner Max-Reinhardt-Schule abgeschlossen hatte. Danach spielte er unter Theater-Regisseuren wie Boy Gobert und arbeitete mit Filmregisseuren wie Ingmar Bergmann. Sogar die Regie-Legende Jean-Luc Godat hatte ihn für eine Rolle angefragt. Doch Hoffmanns Französisch war nicht gut genug, und so entschied er sich schweren Herzens gegen eine internationale Filmkarriere. Dafür war er als Musiker umso aktiver: Über 400 Lieder hat Klaus Hoffmann inzwischen geschrieben und wurde dafür vielfach geehrt. Im Herbst letzten Jahres veröffentlichte der Liedermacher sein 50. Album mit dem Titel "Septemberherz". Gerade hat er seinen 70. Geburtstag gefeiert, allerdings nicht wie geplant auf der Bühne, wo er eigentlich dem Publikum seine neue CD vorstellen wollte.
"Das Leben gerade jetzt, wo so viel Leben passiert, so viel Sterben - ist alles nicht mehr planbar. Und bei uns war es ein kleiner Kreis. Und dann kam die große eigene Welle an unglaublich vielen Menschen, die mich nicht nur hochleben ließen, sondern auch an Vergangenes dachten. Und das war ganz toll, weil es mich wirklich sehr berührt hat. Ich konnte ihnen gar nicht so entgegen gehen als alter Berliner Junge, der immer bedacht ist, das Richtige zu tun. Es war sehr anrührend und die Zuwendung, also die Berührung, die ja nicht da ist in dieser Zeit. Ich sehnte mich sehr, wusste das gar nicht nach diesem 'Wie geht's dir denn, Freund?', oder 'Wo bist du, Freundin?' und 'lass uns in den Arm nehmen'. Das fehlt mir am meisten. Aber ich lebe ja von diesen inneren und äußeren Berührungen und das passierte ja nicht. Und das hat mich sehr berührt, dass so viele Menschen an mich denken."
"Septemberherz" entstand, pandemiebedingt, unter eigenwilligen Produktionsbedingungen. Hoffmanns Musiker saßen in Studios über Deutschland und Europa verteilt und alle kommunizierten über Videokonferenzen.
"Meine Band, die Männer, die mit mir, so richtiger Männerverein, so der Stephan Genze an Schlagzeug und Harwo Bleich natürlich am Keyboard, ein und Klavier und Peter Keiser aus der Schweiz und dann Michael Brandt an den Gitarren, die kamen so zusammen und auf dem Hinterhof und dann mit dem Holger Schwark, nehmen wir das den ganzen Krempel auf. Und plötzlich ist Stille. Du konntest niemanden mehr erreichen außer per Telefon und was wir so machen. Und dann hatte ich die Bläser in London, den Tim Sanders noch mit Kick Horns aus meiner alten Zeit. Und die Streicher, die fielen erst einmal in München um, weil wir sie gar nicht aufnehmen konnten. Und dann hat später der Berthold das auch noch gemischt. Berthold Weindorf in München. Was will ich sagen, das war schon besonders. Du erreichst mich also nur über Skype oder so und dann höre ich mir da drei, vier Versionen an. Plötzlich fliegt der Typ aus der Leitung. Und ich sage 'Wo bist du?' Ich bin in der Schweiz und ich nehme trotzdem auf."
Regieanweisungen aus dem Homeoffice
Aus dem Studio im Homeoffice den Mitmusikern Regieanweisungen zu geben, wie sie ein Lied über sein Leben einspielen sollen, war für Klaus Hoffmann eine Herausforderung.
"Die Bläser, die waren in London und Tim Sanders mit seiner Combo da, die haben das eingespielt, und ich musste ihnen erklären, dass das ein Old Fashion Ding ist. Also höchstens konnte ich noch angeben, dass ich mal von Tom Waits in so einer Form haben wollte, so ausgefranster Jazz. Aber es sollte nicht so Harald Juhnke werden. Damit konnte der natürlich gar nichts anfangen. Und dann hab ich irgendwann, so wie ich als Schauspieler mal reagierte, auf einen ganz großartigen Regisseur: Wie gehe ich denn da ran, Herr Bergmann? Und dann sagt er: laut, einfach laut. Und jetzt hab ich dem Tim Sanders geschrieben: 'Mach es einfach witzig.' Nun musst du einem Musiker erklären, der in London ist, was Witz ist in so einem Lied. Aber in dem kleinen Lied steckt auch sehr viel Ironie und Distanz. Also die Zeile 'denke ich an dich, mein Leben', jetzt erzähl‘ mir mal was dazu, das ist so umfassend und so groß und breit. Wie willst du denn da ran? Und die haben das gepackt über die Bläser. Und dann hab ich mitbekommen, dass es schon sehr charmant ist, wenn man das nicht so großartig sieht."
Musik: "Denk ich an dich mein Leben"
"Septemberherz" ist ein Album, das wie eine Art künstlerischer Lebenslauf wirkt, mit Themen, die Klaus Hoffmann immer wieder besungen hat. Themen wie das Leben in seiner Heimatstadt Berlin zum Beispiel, jedes Mal aus einer neuen Perspektive. "Markttag", ein Erfolg von 1976, ist so ein Song, an den Klaus Hoffmann 45 Jahre später noch einmal angeknüpft hat. Die neue Interpretation dieses Titels hat er "Die Zeit gehört den Zärtlichen" genannt.
"Ich gehe hier immer um den See in Kladow morgens und babble dann Text. So als alter Schauspieler … und kaue diese Texte und entdecke die Lieder auch neu. Dieses Lied … Markttag, das fanden die Leute ganz toll. Ich fand das, naja, es ist eben so, die alten Lieder. Aber das hier knüpft sehr an. Ich gehe raus. Und dieses Kind in mir sagt: Ich fang mir den Sonnenschein. Das alte romantische Bild Novalis kommt raus. Ich gehe nach Italien, innerlich und bin aber in Berlin. Und letztendlich auf diesem Riesenmarkt entdecke ich, wie alle erwachen. Und … die beste Zeile heißt doch: Ich zähle meine Erbsen und fühle mich gut. Dass ich dabei sein kann, und dieses Moment hast du ja nicht oft, wie man hier in der Literatur oft sagt, im Jetzt zu sein. Herrgott, wer kann das noch? Gedankenschwer, und das das ist es mit Lebensfreude, aber sicherlich auch mit sehr viel Melancholie, denn die letzte Zeile heißt: Hab ich dir heute schon gesagt, dass ich dich mag? Und was kann ein Sänger noch sagen?"
Musik: "Markttag" und "Die Zeit gehört den Zärtlichen"
Kaus Hoffmann hat viele Lieder über Berlin geschrieben. Seine frühen Songs über das Leben in der Mauerstadt, in der er groß geworden ist, erinnern manchmal an Nummern seiner alten Vorbilder Harald Juhnke oder Hildegard Knef. Heute besingt er seine Heimat an der Spree zu ausgelassenen Latin Rhythmen.
Musik: "Ich kenn dich"
"Berlin musst du durchziehen und dann nach Hannover gehen und dann erinnerst du dich an Berlin und dann findest du das gut. Aber hier ist es schwierig, auch weil du bist in einer Großstadt und mit all diesem Tempo. Wenn ich von einer Tournee nach einer Zeit zurückkomme, dann habe ich schon dieses Ich-komme-nach-Hause-Gefühl. Und Berlin ist ein großes Liebesgedicht. Aber wie gesagt, Distanz schafft Nähe und wenn du eine Weile weg bist, weißt du es sowieso besser."
Musik: "Ich weiß nicht, ob's vorbei ist"
An alten, etablierten Interpreten seiner Zeit orientiert
Dass Klaus Hoffmann als Zehnjähriger seinen Vater verlor, war sicher mit ein Grund, warum er sich als junger Sänger gerne an den alten, etablierten Interpreten seiner Zeit orientierte, so wie Frank Sinatra, Bob Dylan oder dem belgischen Chansonnier Jacques Brel. Er verfasste eigene Übersetzungen von Brel-Chansons und brachte bereits Mitte der 70er-Jahre mit seinem Live-Doppelalbum "Ich will Gesang, will Spiel und Tanz" Balladen wie "Amsterdam" oder "Adieu Emile" einem deutschen Publikum näher. Terese Brel hatte Hoffmann nach dem frühen Tod ihres Mannes die Rechte an dessen Liedern überlassen.
"Ich fühlte mich da geadelt. Ich war Wow. Das hat ja nicht mal David Bowie hingekriegt. Also die müssen alle kämpfen um ihr Amsterdam. Und dann hab ich auch noch im Schiller-Theater hier die Chance gehabt durch Peter Schwenkow, der das alles finanziert, diesen Traum, da dieses Orchester 20 mehr oder weniger junge Musiker, die mich dann in so einem Riesen-Monolog, die alle Lieder singen lassen, und die Leute dachten, ich rede von einem Gewürz. Also was ist Brel? Das auch heute, wenn vielleicht bei den Franzosen, dann musst du dran erinnern. Darum ging es ja gar nicht. Es ging darum, ein einen rebellischen Jungen zu zeigen, der ein Mann wird und so ein Ideal hat, eine Insel zu finden. Das war mir sehr vertraut. Wie Gauguin eine Insel finden zu wollen, wo man glücklich ist."
Diese Leidenschaft ließ ihn, neben dem Wiener Sänger Michael Heltau, zum bedeutendsten deutschsprachigen Brel-Interpreten werden. Bis heute ist Klaus Hoffmann mit den Chansons seines Lehrmeisters erfolgreich.
"Brel war einfach der, der mich packte. Heute steh ich ihm gegenüber. Ich hab ihn ja überlebt. Er wurde 49, ich bin jetzt 70 und es ist, glaub ich, vor allen Dingen die Bewegung eines jungen Mannes. Also der Junge, der ich war, der hat in ihm ganz viel gefunden, wo ich ihm heute sage: Ich bin ein anderer. Ich wollte ihn auch nie kopieren. Furchtbar, finde ich. Das braucht kein Mensch. Ich muss auch nicht so aussehen wie er und sowas. Es geht um dieses Lebensgefühl, oder? Ja, diese tiefe Einsicht eines jungen Mannes an Belgien, der einfach ein anderer werden wollte, der nach Frankreich ging und sagt 'Ich werde jetzt Sänger!' Das macht kein normaler Mensch. Und dann komme ich ins Feld und übersetz den ganz gut oder weniger gut und singe dann meine Geschichte im Grunde durch seine Geschichte. Das hat mich immer interessiert."
Musik: "Amsterdam"
Als politischer Liedermacher wollte sich Klaus Hoffmann nie bezeichnen. Bis heute nicht. Aber er hat eingesehen, dass er bei Diskriminierung, Fremdenhass oder auch bei übertriebener Political Correctness Farbe bekennen.
"Es ist an sich ein Grenzen setzen. Und zwar für jeden Einzelnen als für jedes Individuum irgendwann zu sagen: Hier ist Schluss! Also wo man sagt: Ich an deiner Stelle würde dann oder ich trete in die Partei ein oder ich habe diese humanistische Ausbildung. Also wenn einer einen anderen schlägt oder ich verweigere das Militär und Frauen sind nur gut. Und wenn du über einen Schwarzen redest, darfst du das heute nur noch unter bestimmten Korrektnissen machen. Und über Juden darf man sowieso nicht reden, außer du bist Fassbinder. Aber das ist auch schon wieder gefährlich. Also man ist gefangen in so einem, in so einem Film, wo ich mir den Text noch nicht richtig selber geschrieben habe. Und das ist basta. Jetzt ist mal Schluss. Aus dem Bauch, sage ich dir. So geht's nicht weiter. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalte, wenn du neben mir einen meinen Freund schlägst, nur weil er Jude ist oder ihn diskriminierst, weil er ein Homosexueller ist. Aber ich weiß nicht, wie ich dann reagiere. Auf jeden Fall beginnt eine Grenze. Und diese Grenze kannst du hier an sich für dich jeden Tag checken, ob du bereit bist, auch aufzustehen. Und dafür steht dieses Wort. Basta! Schluss! Aus, Ende!"
Musik: "Basta"
Unbekannte Kultur
Mit 17, nachdem er seine erste Ausbildung zum Großhandelskaufmann für Stahl und Eisen abgeschlossen hatte, wollte Klaus Hoffman nichts als weg aus der konservativen Enge West-Berlins und reiste zur Selbsterfahrung nach Afghanistan. Dort stellte er fest, wie schwer es ist, in einer völlig unbekannten Kultur anzukommen und sich dort zurechtzufinden.
"Ich hatte das Pech und Glück, dort gewesen zu sein. Pech im Sinne. Ich sah eine Welt, die ich mir so nicht gewünscht hatte und ich war sehr jung. Ich fuhr dann nochmal hin, um vielleicht als Älterer das zu verstehen. Das ist ein Märchen für mich. Afghanistan ist nicht so, wie ich es mal beschrieb, auch in einem Buch. Aber der Gedanke wieder des Taugenichts, der rausgeht, um in eine Welt zu tauchen, wo er sein Glück findet, der ging nicht auf. Wir kauften Pferde, wir waren unterwegs mit Hippies und was du willst. Und ich fand im Grunde nur alles, was ich verlassen hatte, nämlich mich selbst."
2000 veröffentlichte Klaus Hoffmann seinen ersten Roman "Afhgana", in dem er seine Reise zum Hindukusch beschreibt. Heute erinnert er sich an seine eigenen Flucht-Erfahrungen, wenn er die vielen Flüchtlinge sieht, die nach Deutschland in eine für sie völlig fremdartige Gesellschaft gekommen sind. Auf seinem aktuellen Album "Septemberherz" hat er dem Thema Flucht den Titel "Was sie trugen" gewidmet.
"Ich, der immerwährende Flüchtling ja, ich bin mein Leben lang vor Frauen, vor Unterdrückung, vor den Marx Kreisen, vor meinen Freunden, die mich belehren wollten, wieder Frauen und wieder Frauen, immer ein Stück weg auch geflohen. Und ich verstehe diesen Moment auch wenn Leute, die ihre Sachen packen und z.B. aus dem Osten - eine Hälfte meiner Verwandtschaft war ja in Kaulsdorf - wenn die sagen, wir packen jetzt die Sachen, wir kriechen durch jeden Tunnel und gehen rüber in das gelobte Land, ja dann ist das ein Lebenslied. Also die Vokabel Politik alleine reicht mir nicht mehr. Die Vokabel möchte ich entmachten und sagen, das ist ein Lebenslicht. Die Leute wollen sich verändern. Die Frau packt ihre Sachen und sagt: 'Ich verlasse meinen Mann. Ich gehe jetzt rüber nach Hannover und da werde ich glücklich.' Und diesen Moment, den habe ich einfach versucht zu beschreiben. Und ich glaube, im Laufe meines Lebens habe ich versucht, diese Klischees, die ich selber immer auch erfüllt habe - also ein Sänger muss so sein, Frauen müssen so sein, Männer müssen so sein - und die hab ich mein Leben lang versucht zu entmachten. Ich hab das gar nicht so gewusst. Aber ich hab's gemacht und die Lieder haben mir dabei geholfen."
Musik: "Was sie trugen"
Die Pandemie hat das Leben vieler Menschen entschleunigt, auch das von Klaus Hoffmann, der die Zeit nutzte, darüber nachzudenken, was er in den nächsten Jahren noch gerne machen möchte. Wieder reisen zum Beispiel.
"Nach Rom und Paris und Athen unbedingt wieder. Und dann gucke ich mir fast jeden Abend, das ist der Vorteil, wenn du zu Hause bleiben solltest, um nicht Leute anzustecken oder dir was zu holen und den Tod ins Haus zu bitten, dass ich mir die alten Filme angucke. Oder ich muss Depardieu noch mal treffen, damit wir zusammen ein Chanson singen. Der kann übrigens sehr gut singen, also hört sich nicht so an, aber er kanns! Wie hat Picasso gesagt Pack die Wünsche am Schwanz. Bewahre den Tag! Ich glaube, mit dem Alter, sagte man mir, kommt das. Dann siehst du die das Wesentliche. Also mach unbedingt, wenn ich dann 105 bin, so ein Interview mit mir und dann reden wir noch mal."
In diesem Sinne passt am Ende der Lied- und Folkgeschichten der Titelsong von Klaus Hoffmanns aktuellen Album - "Septemberherz".
Musik: "Septemberherz"