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75 Jahre Kriegsende
"Auseinandersetzung mit deutscher Vergangenheit bleibt Herausforderung"

Der Historiker Heinrich August Winkler hält den Umgang mit dem Erbe des Zweiten Weltkriegs für eine Frage, die auch künftige Generationen umtreiben wird. Das Scheitern der Demokratie zu Zeiten der Weimarer Republik sei eine Grunderfahrung, die "uns sensibel halten muss", sagte er im Dlf.

Heinrich August Winkler im Gespräch mit Kathrin Hondl |
Porträt von dem Historiker Heinrich August Winkler in seinem Büro in der Humboldt Universität in Berlin. Er blickt ernst nach oben.
Historiker Heinrich August Winkler sieht die Demokratie nicht akut in Gefahr, aber die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Debatte. (picture alliance / Tagesspiegel / Mike Wolff )
Allerdings zeigte sich Winkler optimistisch, dass dies heute besser bewältigt werden könnte als damals: "Alle Vergleiche zwischen 1920 und 2020 scheinen mir weit hergeholt." Zudem sei die Demokratie der Bundesrepublik anders als Weimar eine an Werten orientierte, die über den Mehrheitsprinzipien stehe. Winkler sagte aber, er sehe Parallelen zwischen der AfD heute und der Deutschen Nationalen Volkspartei damals in Bezug auf Vorbehalte gegenüber der Demokratie.
Weg in Richtung westlicher Demokratie ist noch nicht abgeschlossen
Der Historiker betonte, der Holocaust sei eine zentrale Tatsache der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert und der lange Weg in Richtung westlicher Demokratie sei noch nicht abgeschlossen. Das liege auch an der unterschiedlichen deutschen Nachkriegsgeschichte: Während die Bundesrepublik in den 80er-Jahren eine gesellschaftliche Debatte über den Holocaust habe führen können, sei das in der DDR-Diktatur nicht möglich gewesen. Dies wirke bis heute nach.
Hinzu komme, dass die beiden Länder, die die politische Kultur Deutschlands am stärksten geprägt hätten - Großbritannien und die USA - derzeit keine Vorbilder seien, so Winkler. Das erhöhe die Verantwortung der anderen westlichen Demokratien.