Am 20. November jährt sich der Prozessauftakt der Nürnberger Prozesse zum 75. Mal. Schon Ende 1941 hätten die Exil-Regierungen angefangen, "das erste Mal vorzusprechen, dass im Bereich der Kriegsverbrecher-Politik etwas getan werden müsse", sagte die Historikerin Annette Weinke im Dlf. Weinke lehrt am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena und habilitierte 2014 mit einer Studie zu "Transnationalen Debatten über deutsche Staatsverbrechen im 20. Jahrhundert".
"Der Schönheitsfehler ist, dass es sich um ein Gericht der militärischen Sieger handelte, was keine dauerhafte Lösung sein konnte", so Weinke im Bezug auf die Nürnberger Prozesse. Er sei nicht modellbildend für die internationale Strafgerichtsbarkeit gewesen. Das, was seit dem späten 19. Jahrhundert und dann verstärkt ab dem Ersten Weltkrieg als ein permanentes internationales Strafgericht diskutiert worden ist, sei "eine Ad-hoc-Lösung" gewesen.
Geschichtsmythen die Grundlage entziehen
Für die breitere Öffentlichkeit sei wichtig gewesen, dass überhaupt etwas geschehen sei. Der Prozesse habe deshalb relativ wenig Kritik ausgelöst. Die Kritik habe sich dann erst in den Folgejahren aufgebaut. Der Prozess sei sehr wichtig gewesen, "um Geschichtsmythen, Geschichtslegenden die Grundlage zu entziehen", so Weinke.
Im Dlf sprach sie auch über den Konflikt zwischen staatlicher Souveränität und Völkerstrafrecht. Die langfristige Folge Nürnbergs sei, "dass staatliche Souveränität nicht absolut gesetzt werden kann".