"Ich kann das heute noch auswendig, so hatte ich mir das eingebimst, was zu sagen war: 'Hier ist Radio Bremen auf Welle 499 Meter, gleich 601 khz. Wir senden täglich von 18 bis 22 Uhr. Wir grüßen alle unsere Hörer", erinnerte sich der längst verstorbene Hans-Günter Österreich an die erste Sendung von Radio Bremen heute vor 75 Jahren. Er hat die Sendung damals moderiert.
1945 entsteht in dem von den Amerikanern besetzten Bremen ein Sender nach dem Vorbild des dezentralen amerikanischen Rundfunksystems, erzählt Doreen Franz, Kuratorin der Ausstellung "Medienwelten – 75 Jahre Radio Bremen":
"Den Rundfunk wieder aufzubauen, war ein zentrales Element amerikanischer Kulturpolitik nach dem zweiten Weltkrieg. Dass man eben sagt: Dieser ganze Gedanke von Wiederaufbau, Reeducation, die Erziehung der Deutschen zu Demokratie, dafür war Rundfunk ganz zentral wichtig - überhaupt freie Medien."
In den 50ern droht das Ende
Bremen war eine amerikanische Enklave mitten in dem von den Briten besetzten Niedersachen. Dort entstand parallel der NWDR, der später zum NDR wurde. Nur wenige Jahre nach der Gründung, in der 50ern steht Radio Bremen kurz vor dem Aus: Das Geld reicht nicht. Fast wird der kleine Sender vom NDR geschluckt.
Doreen Franz: "Was sich eigentlich erst 1959 mit dem Länderfinanzausgleich beruhigt hat, die Lage. Was wir jetzt aber immer noch sehen, seitdem der Länderfinanzausgleich im Jahr 2000 noch einmal drastisch gesenkt wurde, dass da sofort dieser Topos 'Oh, können wir überleben, werden wir überhaupt überleben?' wieder da war."
"Gallische Dorfmentalität"
Im NDR aufzugehen bleibt eine Art Urangst von Radio Bremen, früh entwickelt sich eine "gallische Dorfmentalität", sagt Franz.
"Die Frage der Finanzierbarkeit eines so kleinen Senders, der alle Aufgaben und Bereiche abdeckt wie ein großer Sender bei viel geringeren Einnahmen, dieses Thema ist immer aktuell. Und es treibt Radio Bremen, positiv gesagt, an, negativ gesagt: Es treibt es vor sich her. Der Sender ist unter einem großen Druck sich zu legitimieren, sich zu beweisen. Und es bringt dann aber auch sehr viele innovative, kreative Formate hervor."
Und so hat Radio Bremen einige deutschlandweit bekannte Namen hervorgebracht. Loriot zum Beispiel: Seine Sketche auf dem grünen Kultsofa wurden bei Radio Bremen produziert. Oder der "Beat-Club": In der ersten ARD-Sendung für junge Menschen waren in den Jahren 1965 bis 1972 zahlreiche Stars zu Gast. Und Rudi Carrell hatte bei Radio Bremen seine erste Show.
Außerdem produzierte Radio Bremen die Sendung "Total Normal" von Hape Kerkeling. Erfolge, von denen der Sender bis heute zehrt, sagt Doreen Franz: "Dieses 'Aah, Radio Bremen', dieser Moment, dass der noch daher kommt, also die 60er, 70er, und die 80er, dann kommt Hape Kerkeling ins Spiel, die sind immens wichtig und die tragen Radio Bremen bis heute."
Innovative Formate wie Bremen Next
Auch heute hat die kleinste ARD-Anstalt noch den Ruf, innovative Ideen schnell umzusetzen. Ein Beispiel dafür ist Bremen Next. Das junge Programm richtet sich an Jugendliche aus Bremen und Bremerhaven, spielt Hip Hop und Elektro. Die Redaktion ist sehr divers, hier arbeiten viele Quereinsteiger, erzählt Programmchefin Felicia Reinstädt.
"Zum Beispiel unsere ganzen Modertorinnen und Moderatoren im Radio, die haben, bevor sie zu Bremen Next gekommen sind, nicht moderiert, die haben was anderes gemacht. Zum Teil kamen die über die Musik zu uns, die waren Musiker, die waren DJs - sind das jetzt auch immer noch -, oder die haben in einer Bar gejobbt oder in einem Games-Laden, hatten aber irgendwas Besonderes, dass wir gesagt haben: 'Hey cool, das sind die Leute, die wir wollen und denen möchten wir irgendwie auch die Möglichkeit geben, dass mehr Leute ihnen zuhören.'"
Angst vor der Pleite
So ist Next sehr nah an seiner Zielgruppe: "Ich weiß nicht, ob bei einer anderen Landesrundfunkanstalt, - mal platt gesagt - die Leute so viele Eier gehabt hätten, so ein mutiges Programm, auch mit der Musik, die wir spielen, und den Leuten, die wir ansprechen, und den Leuten, die wir in der Redaktion haben, auf die Beine zu stellen."
Sollte die Erhöhung des Rundfunkbeitrages tatsächlich nicht kommen, dann werden Radio Bremen 800.000 Euro im Monat fehlen. Viele befürchten, dass Radio Bremen ohne dieses Geld ganz pleite gehen könnte - trotz aller Übung im Sparen.