"Endlich nicht mehr zu Fuß gehen oder die Straßenbahn benutzen, endlich frei sein", jubelt die Werbung über den neuen Motorroller von Enrico Piaggio.
Der Zweite Weltkrieg ist beendet, die Jahre des Faschismus sind vorbei. Die Freiheit ist zurück, doch es fehlen Fortbewegungsmittel. Die Industrie liegt am Boden. Der Flugzeugfabrikant Piaggio aber hat eine rettende Idee: Auf den von der US-Armee besetzten Flughäfen sieht er kleine Lastenroller herumflitzen und fragt seinen Ingenieur Corradino D´Ascanio, ob er nicht etwas Ähnliches entwerfen könne. In seinen Erinnerungen schreibt D´Ascanio:
"Wir hatten endlich wieder Frieden, und so nahm ich den Auftrag Piaggios an, ein Beförderungsmittel zu schaffen, das wirtschaftlich und praktisch war, damit sich die Italiener schnell von einem Ort zum anderen begeben konnten."
"Wir hatten endlich wieder Frieden, und so nahm ich den Auftrag Piaggios an, ein Beförderungsmittel zu schaffen, das wirtschaftlich und praktisch war, damit sich die Italiener schnell von einem Ort zum anderen begeben konnten."
"Sie ist amerikanischer als man denkt."
D´Ascanio, immerhin genialer Konstrukteur des ersten italienischen Hubschraubers, aber ohne Erfahrung mit Zweirädern, geht unkonventionell an die Sache heran: er nimmt den kompakten 3-PS-Zweitakt-Motor, der zum Starten großer Flugzeugmotoren dient, baut ihn direkt ohne Kette an das Hinterrad und setzt die Lenkstange auf ein Vorderrad, das wie beim Flugzeugfahrwerk an nur einer Gabel aufgehängt ist. Da in Piaggios Fabrik in Pontedera noch intakte Blechpressen stehen, wird alles schwungvoll mit Blech zusammengehalten. Formvollendet italienisch, sollte man meinen, sei die Vespa. Giampiero Bosoni, Designhistoriker an der Technischen Hochschule Mailand, aber weiß:
"Sie ist amerikanischer als man denkt. Denn ihr Design entspricht nicht dem italienischen Geschmack der damaligen Zeit. Diese fließenden, weichen Linien waren typisch für den internationalen Flugzeugbau. Corradino D´Ascanio und Piaggio haben den Dynamismus, den Amerika damals auf Italien ausstrahlte, gespürt und in ihr Konzept einfließen lassen. Heraus kam ein Ding, das den amerikanischen Traum ins Italienische übersetzte."
"Sie ist amerikanischer als man denkt. Denn ihr Design entspricht nicht dem italienischen Geschmack der damaligen Zeit. Diese fließenden, weichen Linien waren typisch für den internationalen Flugzeugbau. Corradino D´Ascanio und Piaggio haben den Dynamismus, den Amerika damals auf Italien ausstrahlte, gespürt und in ihr Konzept einfließen lassen. Heraus kam ein Ding, das den amerikanischen Traum ins Italienische übersetzte."
Piaggio soll, als man ihm den Roller mit dem runden Hinterteil vorführt, spontan ausgerufen haben, "das sieht ja aus wie eine Wespe". Am 23. April 1946 meldet er die "Vespa" zum Patent an. Da viele sich noch kein Auto leisten können, wird das markante Zweirad schnell zu einer der größten italienischen Erfolgsgeschichten. Vor allem die breite Trittfläche vor dem Sitz beeindruckt. Auf ihr lassen sich Taschen und Körbe abstellen. Bisher war Motorradfahren noch Männerdomäne, doch jetzt sind auch viele Frauen begeistert:
"Und das Schöne für uns Frauen ist: bei einer Vespa, die ist vorne frei, da kann man so ein Bein lässig drüber schwingen und den Rock hinter sich her flattern lassen."
Vespa-Botschafterin Audrey Hepburn
Und von Ketten ölverschmierte Hosenbeine sind passé. Mit der Vespa fährt man zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Baden ans Meer. Zum weltweiten Verkaufsschlager wird sie 1953, als Audrey Hepburn sich bei einer Spritztour durch die schmalen Gassen Roms in dem Film "Ein Herz und eine Krone" eng an Gregory Peck klammert. 1956 überschreitet die Produktion bereits die Millionengrenze. Nicht nur der Export nimmt zu, auch ganz neue Geschäftsideen unter Verleihern werden populär:
"Da kam eine junge Amerikanerin zu uns und fragte, ob wir, wie in diesem Film, auch Moped-Touren organisieren, bei denen junge Frauen von netten Römern durch die Stadt gefahren werden. Und da dachten wir uns, warum eigentlich nicht? Das ist eine recht charakteristische Sache."
Von "La dolce vita bis "Quadrophenia" - Die Vespa als Filmstar
In über 150 weiteren Filmen spielt der Roller mindestens eine Nebenrolle. In Fellinis "La dolce vita" etwa wird Anita Ekberg von Dutzenden Paparazzi auf ihren Zweirädern gejagt und in der Schlussszene des Rockfilm-Klassikers "Quadrophenia" fliegt eine Vespa eindrucksvoll in Zeitlupe über die Klippenkante ins Meer.
Die internationale Gemeinde der Vespa-Liebhaber pflegt besonders ihre alten Schätzchen, etwa der Münchner Jörg Steinmetz:
"Das ist ja mittlerweile schon fast so ein bisschen Kult mit den ganzen Geheimquellen, wer jetzt noch Teile für eine Lampe unten hat und Zierleisten-Endstücke in der und der Form für eine VBB von 58."
"Das ist ja mittlerweile schon fast so ein bisschen Kult mit den ganzen Geheimquellen, wer jetzt noch Teile für eine Lampe unten hat und Zierleisten-Endstücke in der und der Form für eine VBB von 58."
Bis heute sind die knatternden "Wespen" über 20 Millionen Mal verkauft worden, werden in Asien kopiert oder rund um den Globus in Lizenz gebaut. Und nach dem Willen aller Vespa-Fans sollen sie noch ewig laufen.