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75. Jahrestag der Befreiung
Die Niederlande und das Trauma der deutschen Besatzung

Der deutsche Überfall im Mai 1940 hat das nationale Selbstbewusstsein der Niederlande schwer getroffen. Das Trauma der deutschen Besatzung blieb viele Jahre unbewältigt. Doch inzwischen ist sogar das Deutschlandbild der Niederländer positiver geworden.

Mit Reportagen von Kerstin Schweighöfer |
    Denkmal für die im zweiten Weltkrieg ermorderten Juden am sogenannten Uncle Beach mit der Oranjemühle in Vlissingen ( Zeeland/Niederlande )
    Denkmal für die im zweiten Weltkrieg ermorderten Juden am sogenannten Uncle Beach mit der Oranjemühle in Vlissingen ( Zeeland/Niederlande ) (Imago/ Manngold)
    Die Niederlande hatten auf ihre Neutralität vertraut und wurden im Mai 1940 binnen fünf Tagen von Deutschland besetzt. Das Trauma der darauf folgenden fünfjährigen Besatzungszeit sollte noch Jahrzehnte nachhallen. Neben den Vorurteilen gegen den deutschen Nachbarn wurde lange auch der Mythos einer Nation im Widerstand gepflegt.
    Inzwischen setzen sich die Niederlande selbstkritisch mit der eigenen Geschichte auseinander. Das gilt auch für ihre Rolle im Holocaust. Während des Zweiten Weltkriegs wurden von dort fast 75 Prozent der jüdischen Bevölkerung in Vernichtungslager deportiert. Die niederländischen Behörden galten als besonders folgsam und genau. Im Januar dieses Jahres hat Ministerpräsident Mark Rutte die jüdische Gemeinde um Entschuldigung gebeten.
    Mit dem veränderten Selbstbild ist auch das Deutschlandbild der Niederländer positiver geworden. Selbst in Rotterdam, der Stadt, deren Herz 1940 von deutschen Bombern völlig zerstört worden war, sind deutsche Austauschstudenten längst willkommen.
    Parade zum Tag der Befreiung von den deutschen Besatzern am 5. Mai in Wageningen/ Niederlande
    Vom Befreiungstag zum Tag der Freiheit
    Die Niederlande haben lange und stark gelitten unter der deutschen Besatzung. Umso größer war der Jubel nach der Kapitulation der Wehrmacht. Der 5. Mai wurde zum Befreiungstag und wird bis heute groß gefeiert – besonders in Wageningen. Doch der Blick richtet sich inzwischen auch nach vorn.
    Aufschrift
    "Nach dem Krieg wurde viel unter den Teppich gekehrt"
    Unter deutscher Besatzung wurden in den Niederlanden fast 75 Prozent der jüdischen Bevölkerung deportiert. Entscheidend dafür waren Effizienz und Folgsamkeit der dortigen Behörden. Es hat gedauert, bis das Land sich mit der eigenen Rolle auseinandergesetzt hat.
    "Das kann man nicht wiedergutmachen"
    In einem ehemaligen Theater in Amsterdam wurden zur Zeit der deutschen Besatzung niederländische Jüdinnen und Juden eingesperrt und später deportiert. Die Bremerin Johanna Elfers leistet in der heutigen Gedenkstätte Freiwilligendienst. Die Begegnung mit Zeitzeugen beeindruckt sie besonders.
    Die niederländische Historikerin Monika Diederichs hält in ihrem Wohnzimmer in Haarlem eine gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografie ihrer Eltern in der Hand
    Das Schicksal der "Moffenkinder" 
    Als "Moffenhuren" wurden sie nach Kriegsende beschimpft und gedemütigt: Niederländerinnen, die während der deutschen Besatzung mit Wehrmachtssoldaten zusammen waren. Auch "Moffenkinder" wie Monika Diederichs haben unter ihrer Abstammung gelitten – manche tun es bis heute.
    "De Verwoeste Stad": Die Skulptur des russischen Bildhauers Ossip Zadkine im Zentrum von Rotterdam zeigt einen Mann, der seinen Kopf in den Nacken gelegt hat, sein Mund ist aufgerissen, die Arme gen Himmel gerichteten. Da, wo andere ihr Herz haben, klafft ein riesiges Loch.
    "Das alte Weh ist fast verheilt"
    Mit der Bombardierung Rotterdams zwang Deutschland die neutralen Niederlande im Mai 1940 zur Kapitulation. Das historische Zentrum der Hafenstadt wurde völlig zerstört, 800 Menschen starben. Heute ist die verwüstete Stadt eine moderne Metropole und die Erinnerung an die deutschen Besatzer verblasst.