O-Ton George Entwistle:
Beatrix Novy: Da hat also George Entwistle noch Nein gesagt: Nein, er werde nicht zurücktreten. Das betonte der BBC-Chef noch gestern Morgen. Abends hatte er aufgegeben. Entwistle ist nicht mehr Generaldirektor oder Intendant der traditionell angesehensten Sendeanstalt überhaupt. Zwei Skandale lasteten auf ihm: einmal die horriblen Erkenntnisse über den verstorbenen, sehr populären BBC-Moderator Jimmy Savile, der Hunderte Kinder missbraucht haben soll, sowie die Tatsache vor allem, dass ein Enthüllungsfilm über ihn unterdrückt wurde - das ist schon länger her. Dafür wurde kürzlich einem völlig unschuldigen Oberhausmitglied in einer BBC-Sendung Kindesmissbrauch unterstellt. Das musste die BBC zurücknehmen, und nun also der "Worst Case", der Rücktritt. – Jürgen Krönig in London, was ist denn der größte Schaden bei dieser ganzen Geschichte, wer sind die Leidtragenden?
Jürgen Krönig: Der größte Schaden betrifft die BBC selbst: die Glaubwürdigkeit. Und das ist natürlich ein Gut, das gehegt und gepflegt werden muss. Bislang genoss die BBC enormes Vertrauen, trotz einer Serie von kleineren und größeren Skandalen in den letzten acht bis zehn Jahren. Trotzdem hielt die große Mehrheit der Bevölkerung die BBC für glaubwürdig. Jetzt sagen Umfragen ein vernichtendes Urteil aus: 76 Prozent der Briten trauen der BBC nicht mehr, und das ist, glaube ich, das wirklich Furchtbare für die BBC.
Novy: Umso furchtbarer, als die BBC ja nicht einfach ein britischer Sender ist. BBC – dieser Name sagt ja viel, viel mehr für die Welt.
Krönig: Das ist völlig richtig. Die BBC ist der vielleicht einflussreichste Sender der Welt, eben wegen dieser ungeheuren Glaubwürdigkeit, wegen der Ernsthaftigkeit und der Unparteilichkeit, die man erwartete und erhoffte und auch glaubte zu bekommen von der BBC, und insofern ist der Schaden wahrscheinlich nicht nur auf Großbritannien und auf das britische Publikum beschränkt, denn die BBC wird ja gesehen und gehört und zitiert in der ganzen Welt. Das sollte man noch sagen, wobei im Übrigen eins man lobend sagen muss: Sie haben kurz das Interview eingespielt, das George Entwistle dann auch zum Verhängnis wurde, denn der gnadenlose Moderator der "Today"-Sendung auf Radio vier, des einflussreichsten Programms überhaupt der BBC, John Humphrys, hat ihn so rangenommen, dass er wie eine lächerliche Figur wirkte und es gar keine andere Wahl gab, als zurückzutreten.
Novy: Das zeugt natürlich wieder von höchster Unparteilichkeit, das was man der BBC immer angemutet hat. Ist das eigentlich, was jetzt passiert ist, der schlimmste Skandal, oder gab es nicht in den letzten Jahren schon einige Vorbeben?
Krönig: Es gab einige Vorbeben, manche waren auch schlimmere Beben als nur Vorbeben. Es gab immer wieder den durchaus gerechtfertigten Vorwurf eines kulturellen, politischen Vorurteils, das sich durch die Programme, vor allem aber auch die kulturellen und Spielfilmangebote der BBC zog, dass sie nämlich voreingenommen sei und linkslastig sei, und das ist verschiedentlich durch interne Untersuchungen bestätigt worden im Blick auf Europa, im Blick auf die Klimaproblematik, im Blick auf Israel und den Konflikt im Nahen Osten, auch vor allem die Tendenz, sehr antiamerikanisch zu sein und allzu proeuropäisch und immer für mehr Staat und für Steuern, und es war schwer, oft genug glaubwürdige Positionen oder auch nur die anders betonten in der BBC zu finden. Aber das ist, glaube ich, hier ein Skandal, der weitergeht, weil er zugleich enthüllt, dass die BBC ein Privileg genießt, das kein anderer Sender in diesem Lande und kein anderes Medieninstitut genießt, nämlich Selbstkontrolle. Die BBC ist nicht einer Kontrolle von außen unterlegen, und ich fürchte, dass ...
Novy: Soll sich das jetzt ändern?
Krönig: Das wird sich ändern. Ich glaube, dass hier nicht nur der Generaldirektor wahrscheinlich durch eine Frau ersetzt werden wird und sein Job geteilt wird zwischen Chief Executive und Chefredakteur - bisher vereinte er die Positionen -, sondern dass es gleichzeitig eine generelle Umstrukturierung der Aufsichtspflichten für die BBC gibt.
Novy: Sind das Konsequenzen, die schon so angedacht und ausgesprochen sind, oder vermuten Sie das?
Krönig: Ich vermute das, aber da habe ich guten Grund, dass die Entscheidungsträger genau dieses denken. Und im Übrigen hat David Cameron gesagt, es ist keine existenzielle Krise, der BBC solle ruhig sein. Aber ich fürchte, hinter diesen beruhigenden Worten verbirgt sich jetzt, dass die BBC schärfer an die Kandare genommen werden soll.
Novy: Diesmal also ein wirkliches Erdbeben. – Das war Jürgen Krönig über die Lage bei der BBC nach dem Rücktritt von George Entwistle. Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
BBC-Chef George Entwistle zurückgetreten
Beatrix Novy: Da hat also George Entwistle noch Nein gesagt: Nein, er werde nicht zurücktreten. Das betonte der BBC-Chef noch gestern Morgen. Abends hatte er aufgegeben. Entwistle ist nicht mehr Generaldirektor oder Intendant der traditionell angesehensten Sendeanstalt überhaupt. Zwei Skandale lasteten auf ihm: einmal die horriblen Erkenntnisse über den verstorbenen, sehr populären BBC-Moderator Jimmy Savile, der Hunderte Kinder missbraucht haben soll, sowie die Tatsache vor allem, dass ein Enthüllungsfilm über ihn unterdrückt wurde - das ist schon länger her. Dafür wurde kürzlich einem völlig unschuldigen Oberhausmitglied in einer BBC-Sendung Kindesmissbrauch unterstellt. Das musste die BBC zurücknehmen, und nun also der "Worst Case", der Rücktritt. – Jürgen Krönig in London, was ist denn der größte Schaden bei dieser ganzen Geschichte, wer sind die Leidtragenden?
Jürgen Krönig: Der größte Schaden betrifft die BBC selbst: die Glaubwürdigkeit. Und das ist natürlich ein Gut, das gehegt und gepflegt werden muss. Bislang genoss die BBC enormes Vertrauen, trotz einer Serie von kleineren und größeren Skandalen in den letzten acht bis zehn Jahren. Trotzdem hielt die große Mehrheit der Bevölkerung die BBC für glaubwürdig. Jetzt sagen Umfragen ein vernichtendes Urteil aus: 76 Prozent der Briten trauen der BBC nicht mehr, und das ist, glaube ich, das wirklich Furchtbare für die BBC.
Novy: Umso furchtbarer, als die BBC ja nicht einfach ein britischer Sender ist. BBC – dieser Name sagt ja viel, viel mehr für die Welt.
Krönig: Das ist völlig richtig. Die BBC ist der vielleicht einflussreichste Sender der Welt, eben wegen dieser ungeheuren Glaubwürdigkeit, wegen der Ernsthaftigkeit und der Unparteilichkeit, die man erwartete und erhoffte und auch glaubte zu bekommen von der BBC, und insofern ist der Schaden wahrscheinlich nicht nur auf Großbritannien und auf das britische Publikum beschränkt, denn die BBC wird ja gesehen und gehört und zitiert in der ganzen Welt. Das sollte man noch sagen, wobei im Übrigen eins man lobend sagen muss: Sie haben kurz das Interview eingespielt, das George Entwistle dann auch zum Verhängnis wurde, denn der gnadenlose Moderator der "Today"-Sendung auf Radio vier, des einflussreichsten Programms überhaupt der BBC, John Humphrys, hat ihn so rangenommen, dass er wie eine lächerliche Figur wirkte und es gar keine andere Wahl gab, als zurückzutreten.
Novy: Das zeugt natürlich wieder von höchster Unparteilichkeit, das was man der BBC immer angemutet hat. Ist das eigentlich, was jetzt passiert ist, der schlimmste Skandal, oder gab es nicht in den letzten Jahren schon einige Vorbeben?
Krönig: Es gab einige Vorbeben, manche waren auch schlimmere Beben als nur Vorbeben. Es gab immer wieder den durchaus gerechtfertigten Vorwurf eines kulturellen, politischen Vorurteils, das sich durch die Programme, vor allem aber auch die kulturellen und Spielfilmangebote der BBC zog, dass sie nämlich voreingenommen sei und linkslastig sei, und das ist verschiedentlich durch interne Untersuchungen bestätigt worden im Blick auf Europa, im Blick auf die Klimaproblematik, im Blick auf Israel und den Konflikt im Nahen Osten, auch vor allem die Tendenz, sehr antiamerikanisch zu sein und allzu proeuropäisch und immer für mehr Staat und für Steuern, und es war schwer, oft genug glaubwürdige Positionen oder auch nur die anders betonten in der BBC zu finden. Aber das ist, glaube ich, hier ein Skandal, der weitergeht, weil er zugleich enthüllt, dass die BBC ein Privileg genießt, das kein anderer Sender in diesem Lande und kein anderes Medieninstitut genießt, nämlich Selbstkontrolle. Die BBC ist nicht einer Kontrolle von außen unterlegen, und ich fürchte, dass ...
Novy: Soll sich das jetzt ändern?
Krönig: Das wird sich ändern. Ich glaube, dass hier nicht nur der Generaldirektor wahrscheinlich durch eine Frau ersetzt werden wird und sein Job geteilt wird zwischen Chief Executive und Chefredakteur - bisher vereinte er die Positionen -, sondern dass es gleichzeitig eine generelle Umstrukturierung der Aufsichtspflichten für die BBC gibt.
Novy: Sind das Konsequenzen, die schon so angedacht und ausgesprochen sind, oder vermuten Sie das?
Krönig: Ich vermute das, aber da habe ich guten Grund, dass die Entscheidungsträger genau dieses denken. Und im Übrigen hat David Cameron gesagt, es ist keine existenzielle Krise, der BBC solle ruhig sein. Aber ich fürchte, hinter diesen beruhigenden Worten verbirgt sich jetzt, dass die BBC schärfer an die Kandare genommen werden soll.
Novy: Diesmal also ein wirkliches Erdbeben. – Das war Jürgen Krönig über die Lage bei der BBC nach dem Rücktritt von George Entwistle. Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
BBC-Chef George Entwistle zurückgetreten