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80. Geburtstag
Hommage an den Dalai Lama

80 Jahre alt wird heute der Dalai Lama. Gefeiert hat er seinen Geburtstag bei einem Friedensfest in Kalifornien, fern seiner Heimat: Sein Leben im Exil, Glück, Weltfrieden - auch Themen eines neuen Buchs über die Begegnung des Glaubensführer mit 800 Schülern. Geistreiche Denkanstöße, meint unsere Rezensentin, manchmal allerdings zu distanzlos.

Von Sandra Pfister |
    Der Dalai Lama vor einer riesigen Geburtstagstorte, umgeben von Kindern und Erwachsenen
    Tausende Anhänger haben mit dem Dalai Lama seinen 80. Geburtstag in Kalifornien gefeiert (picture alliance/dpa/Mike Nelson)
    Ein Gottesvertreter zum Anfassen - das ist das Bild des Dalai Lama, das er am liebsten transportiert. Man nimmt es ihm gerne ab. Geduld, Toleranz und Vergebung als überreligiöse, weltliche Ethik predigt er längst auch auf Facebook. Der Dalai Lama ist eine spirituelle Leitfigur, die in einem fröhlichen Plauderton die großen Weltfragen beantwortet. Zwei Beispiele: Warum lassen wir zu, dass Menschen an Hunger sterben?
    "Die Situation, die du beschreibst, ist vergleichbar damit, dass jemand vor unseren Augen einen Herzinfarkt bekommt und wir einfach vorbeigehen. Das ist furchtbar. Selbst Tiere zeigen mehr Anteilnahme, wenn es einem anderen Tier schlecht geht."
    Wie werde ich glücklich?
    "Warmherzigen Menschen geht es körperlich und mental besser."
    Glück, Weltfrieden, Sinn des Lebens: Der Dalai Lama hat auf alles eine Antwort, und sie läuft sehr häufig auf eines hinaus: Jeder Einzelne von uns müsse an sich arbeiten, um Mitgefühl zu entwickeln für seine Nächsten. Denn wir alle sind Glücksucher - und sollten einander das Leben dabei so leicht wie möglich machen. Diese simple Gebrauchsanweisung paart sich mit einem Optimismus, der naiv klingt, aber sicher gerade viele jugendliche Sinnsucher berühren könnte.
    "1996 hatte ich eine Audienz bei der Queen Mother, der Mutter der englischen Königin Elizabeth. Sie hatte das gesamte 20. Jahrhundert erlebt. Ich fragte sie, ob sich ihrer Einschätzung nach die Menschen verbessert oder verschlechtert haben. Ohne zu zögern, antwortete die Königin-Mutter mir, dass sich die Menschen verbessert hätten. Als Begründung führte sie an, dass, als sie jung war, keine Rede von Menschenrechten oder dem Recht auf Selbstbestimmung gewesen sei. Heute haben diese Konzepte globale Bedeutung. Das zeigt, dass sich Menschen ändern können. Ich bin sehr optimistisch, dass das 21. Jahrhundert ein friedliches und harmonisches Jahrhundert wird."
    Es gibt auch einige wenige dezidiert politische Statements in dem Buch, beispielsweise zur Afghanistan-Intervention der Amerikaner, die der Dalai Lama verurteilt, obwohl die US-Armee das hehre Ziel gehabt habe, die Demokratie zu verankern. Gewalt dürfe unter keinen Umständen zum Einsatz kommen. Auch zum kapitalistischen Wirtschaftssystem hat er eine klare Haltung:
    "Ein Wirtschaftssystem, in dem es nur um individuellen Gewinn geht, ist keine faire Lösung. Was ökonomische Systeme oder Theorien angeht, bin ich daher eher ein Linker oder Sozialist."
    Kinder und Erwachsene können Freude haben an diesen geistreichen, sehr prägnant formulierten Denkanstößen, der Dalai Lama ist ein glänzender Erzähler.
    Sein Gutmenschentum kann nerven
    Spannend wird das Buch aber vor allem da, wo der Dalai Lama von sich selbst erzählt - und dabei ganz nebenbei klar macht, wo er die Hürde seiner eigenen Ethik immer wieder reißt. Das ist erfrischend, denn all das wohldurchdachte Gutmenschentum, das die meisten seiner Antworten imprägniert, kann dem Leser doch ein wenig auf die Nerven gehen. Man verzeiht es ihm, weil er es mit seinem Witz kompensiert. Den legt er zum Beispiel an den Tag, wenn er den Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten beschreibt, die sich ja heftig bekämpfen.
    "Ich stelle mir die Situation für Allah schwierig vor. Schiiten und Sunniten beten zum ihm und erbitten für sich den Sieg. Welche Gebete soll Allah erhören?"
    Mit einem gerüttelt Maß an Selbstironie ertappt er auch sich selbst bei Widersprüchen.
    Auf die Frage einer Schülerin: Essen sie Fleisch?, antwortet er, dass er überzeugt sei, dass man auch Tieren kein Leid zufügen darf. Er habe viele Jahre kein Fleisch gegessen. Dann habe er Probleme mit der Galle gehabt und befolge seither den Rat seines Arztes, von Zeit zu Zeit Fleisch zu essen.
    "Das ist mein persönlicher Widerspruch. Von meinem Herzen bin ich Vegetarier und empfehle das allen Menschen."
    Das ethische Dilemma beim Verzehr von Großtieren geht nahtlos in die Frage über, ob ein Dalai Lama, der ja alle Lebewesen achtet, einer Fliege etwas zuleide tun kann.
    "Mein Verhältnis zu Mücken ist nicht sehr ethisch. Spätestens bei dem dritten kleinen Plagegeist werde ich aggressiv."
    Vom Tier zum Mensch, da wird’s jetzt noch spannender:
    Waren Sie schon mal verliebt? (Achtung: Der Dalai Lama ist ein Mönch, und Mönche leben auch im Buddhismus im Zölibat.)
    "Gelegentlich hatte ich entsprechende Empfindungen und Gedanken, wenn ich einer hübschen Frau begegnet bin. An der Umsetzung war ich jedoch nicht interessiert. Mir war klar, dass das nur Probleme gegeben hätte."
    Für suchende junge Menschen eine gute Anregung
    Die Autorin hat die ursprünglich spontanen Fragen und Antworten so deutlich geglättet und arrangiert, dass sie fast stilisiert wirken. Dennoch ist dieser zweite Teil des Buches der deutlich lesenswertere und lebhaftere.
    Der erste Teil des Buches beschreibt die Vorgeschichte des Dalai Lama, der als kleiner Junge von Mönchen aus der tibetischen Provinz geholt und zum 14. Dalai Lama erklärt wurde. Die Geschichte eines Widerstandskämpfers wider Willen, der sein bedrängtes Volk als 20-Jähriger gegen die Chinesen anführt und schon mit 24 in einer waghalsigen Aktion ins Exil nach Indien fliehen muss. Es folgt auch noch eine Zusammenfassung der Grundzüge seiner buddhistischen Lehre. Beides ist kindgerecht geraten, nimmt aber doch viel zu viel Raum ein.
    Mehr Platz hätte hingegen der geistreiche Illustrator Jens Bonnke vertragen können. Dessen Zeichnungen - zum Beispiel ein Dalai Lama mit Kapuzenpullover, der ein "Have fun be happy"-Graffiti an eine Mauer sprüht - setzen dem Text oft ein Krönchen auf.
    Die Autorin Claudia Rinke hat insgesamt eine huldigende Hommage an den Dalai Lama verfasst. Sie verehrt ihn, und das spürt man. Konflikte in der Anhängerschaft des Dalai Lama blendet sie aus, auch, dass viele junge Tibeter längst nicht mehr nur friedlich für die Autonomie Tibets kämpfen wollen. Für fragende und suchende junge Menschen kann das Buch eine gute Anregung sein. Für jeden, der tiefer gehen will, ist es zu unkritisch und distanzlos verfasst.
    Claudia Rinke: Kinder sprechen mit dem Dalai Lama. Wie wir eine bessere Welt erschaffen. C.H. Beck Verlag 2015, 192 Seiten, 22,90 Euro.