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80. Geburtstag von Leonard Cohen
Ein aus der Zeit gefallener Poet

Gentleman des Pop, Tröster der Witwen und Waisen, melancholischer Meister des monotonen Moll - der Sänger Leonard Cohen hat mit seinen Liedern Musikgeschichte geschrieben - und er hat, als erfolgreicher Außenseiter des Musikbusiness im Laufe seines Lebens viele Namen bekommen. Heute wird der Schriftsteller und Musiker 80 Jahre alt.

Von Simonetta Dibbern |
    Leonard Cohen
    Leonard Cohen (AFP)
    "No matter if you're rich and strong."
    "No matter if you're weak."
    "No matter if you write a song the nightingales repeat."
    "No matter if it's nine to five."
    "Or timeless and unique."
    "You did your live."
    "To stay alive."
    "A thousand kisses deep."
    Ein Dichter. Ein Heiliger der Pop-Poesie, mit einer Stimme aus schwarzblauem Samt. Leonard Cohen. Viele Texte hatte er geschrieben, vier Gedichtbände und zwei Romane veröffentlicht, bevor er zum ersten Mal als Sänger auftrat. Mit 33 Jahren, eigentlich schon zu alt für einen Beatnik, beim Newport Festival 1967. "Suzanne takes you down" hieß das Gedicht. Als Lied wurde es zum Soundtrack einer ganzen Generation. Suzanne.
    Ein Heiliger der Pop Poesie
    Leonard Norman Cohen. Geboren wird er am 21. September 1934 in einem Vorort von Montreal in Kanada. Sein Großvater ist ein angesehener Rabbi, seine Eltern gehören zur jüdischen Mittelschicht, der Vater, Besitzer einer Textilfirma, stirbt, als sein Sohn neun ist.
    Bereits sein zweites Album, Songs from a Room, erschienen 1969, wird ein so großer Erfolg, dass Leonard Cohen sich fortan aufs Singen konzentriert. Und - zusammen mit Bob Dylan und Paul Simon - ein neues musikalisches Genre erfindet: Singer/Songwriter. Geschichten und Gedanken in langsamem Rock'nRoll - das Publikum hört zu, in den USA, vor allem aber auch in Europa. So long Marianne. Oder Famous Blue Raincoat - melancholisch und tieftraurig sind seine größten Erfolge. Innerlich und doch tröstlich zugleich sind sie gemeint.
    "Die andere Seite von Hoffnung, von Betriebsamkeit, von Rationalität – darum geht es in meinen Liedern. Lass uns etwas Verrücktes tun, etwas komplett Unvernünftiges, während wir auf das Wunder warten. Denn wir sind frei! ... We are free!"
    Leonard Cohen bei einem Auftritt im Sommer 2013.
    Leonard Cohen bei einem Auftritt im Sommer 2013. (FABRICE COFFRINI / AFP)
    Manchmal dauert es vier Jahre, bis ein Song fertig ist, sagt Leonard Cohen. Er ist ein Perfektionist. Und er hat keine Eile. Die Arrangements sind meistens sparsam: Gitarre, vielleicht ein paar Streicher, ein Backgroundchor. Dazu seine Stimme. Und sein Charisma.
    "Ich habe nicht das Gefühl, mich wirklich bedienen zu können, wenn ich einen Song schreibe, da gibt es nicht ein Büfett aus Melodien und Stilen. Manche Leute werfen mir vor, dass die Musik nur der Hintergrund für die Texte ist, aber das stimmt nicht. Ich habe immer versucht, ein Liebespaar aus Musik und Text zu machen."
    Wie gut seine Lieder wirklich sind, wie fein Melodie, Rhythmus und Text miteinander verwoben sind - das ist abzulesen an unzähligen Coverversionen und Tributalben. Allein von seinem musikalischen Meisterwerk gibt es 300 Versionen. Eine Hymne, mit der Leonard Cohen sich im Poplabyrinth der 80er Jahre wiederzufinden versuchte.
    "Ich habe gehört, es gibt einen geheimen Akkord, den David gespielt hat. Und er hat dem Herrgott gefallen. Aber Du interessierst dich nicht wirklich für Musik, oder?"
    Hallelujah. Fast wäre der Song untergegangen: Denn seine damalige Plattenfirma befand ihn als unzeitgemäß und kitschig und lehnte ab. Bob Dylan, war es, der ihn wieder ausgrub. Endgültig zum Welthit wurde Hallelujah durch den computeranimierten Kinofilm Shrek 2001 und heute erklingt er bei Hochzeiten und Beerdigungen.
    Nur der Künstler interessiert sich schon lange nicht mehr dafür: Fünf Alben mit neuen Songs hat er seitdem noch aufgenommen. Und die Suche nach seiner religiösen Identität formuliert im "Book of Longing", dem "Buch der Sehnsüchte", entstanden während eines 6-jährigen Aufenthaltes in einem Zen-Kloster. Leonard Cohen ist immer seinen eigenen Weg gegangen, hat sich nie dem Geschmack des Publikums gebeugt. Und ist daher bis heute nicht nur ein Meister der Innerlichkeit. Sondern immer noch: "Ein aus der Zeit gefallener Poet.