Im Sommer 1164 brachte der Erzbischof von Köln und Erzkanzler des Reiches Rainald von Dassel in einem Triumphzug die kostbaren Reliquien der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln. Bis heute ruhen sie in einem prachtvollen goldenen Schrein hinter dem Altar des Kölner Doms, der nur deshalb zu einer riesigen gotischen Kathedrale ausgebaut wurde, um dem Reliquienschatz einen angemessenen Ort zu schaffen.
"Wenn die Dämmerung des Tages einsetzt, dauert es oft nur wenige Minuten, bis die bunten Glasfenster des Kölner Doms grau werden und Säulen, Wappenbanner und Heiligenfiguren plötzlich im Halbdunkel liegen.
Und dann fallen alle Blicke auf die einzige Lichtquelle des Kirchenschiffs: den schimmernden Goldschrein auf seinem Sockel hinter dem Altar..."
Und dann fallen alle Blicke auf die einzige Lichtquelle des Kirchenschiffs: den schimmernden Goldschrein auf seinem Sockel hinter dem Altar..."
So der Historiker Christoph Driessen:
"Nur für den Inhalt dieses Schreins ist die ganze prachtvolle Kathedrale errichtet worden."
Die diesen Schrein nun seit immerhin 850 Jahren in ihren Mauern beherbergt. Zunächst in dem im 9. Jahrhundert errichteten karolingischen Hildebold-Dom. Der wurde im 13. Jahrhundert durch den gotischen Dom ersetzt. Und seit die Preußen vor rund 130 Jahren die Kathedrale fertigstellten, ragen über dem goldglänzenden, edelsteingeschmückten Dreikönigsschrein des Nikolaus von Verdun die beiden Domtürme in den Himmel.
"Nur für den Inhalt dieses Schreins ist die ganze prachtvolle Kathedrale errichtet worden."
Die diesen Schrein nun seit immerhin 850 Jahren in ihren Mauern beherbergt. Zunächst in dem im 9. Jahrhundert errichteten karolingischen Hildebold-Dom. Der wurde im 13. Jahrhundert durch den gotischen Dom ersetzt. Und seit die Preußen vor rund 130 Jahren die Kathedrale fertigstellten, ragen über dem goldglänzenden, edelsteingeschmückten Dreikönigsschrein des Nikolaus von Verdun die beiden Domtürme in den Himmel.
"Einer der größten Bauten der Christenheit für ein paar Knochen?"
Nach der Überlieferung gehörten diese "paar Knochen" drei Männern, die vor 2000 Jahren nach langer Wanderschaft an die Krippe des neugeborenen Jesuskindes geeilt sein sollen: den Heiligen Drei Königen.
Die kostbarsten Reliquien des Christentums
Seit Matthäus als einziger der Evangelisten sie mit nur wenigen Worten erwähnt hat, haben die Heiligen Drei Könige eine fast magische Bedeutung in Zusammenhang mit der Geburt Jesu bekommen. Ihre – angeblichen – sterblichen Überreste gelten als die kostbarsten Reliquien der Christenheit und ihrem "Standort" am Rhein verhalfen sie schon kurz nach ihrem Eintreffen dort zu dem Beinamen "Heiliges Köln". Der Kunsthistoriker und Archäologe Hugo Borger:
"Köln gewann mit diesem Schatz nicht allein ein außerordentliches Zeugnis der Heilsgeschichte, das die Stadt vor allen anderen Städten auszeichnete, sondern auch ein Kapital von hohem politischem Gewicht."
Drei Geschenke, drei Schenkende
Unzählige Legenden ranken sich um die Männer, die einem Stern gefolgt sein sollen, um das neugeborene Jesuskind aufzusuchen. Die Volksfrömmigkeit machte aus ihnen Könige – obwohl sie über kein Reich herrschten und Heilige – obwohl sie nie heiliggesprochen wurden. Für den Gelehrten Nikolaus von Kues waren sie im 15. Jahrhundert sogar Philosophen.
Doch bei dem Evangelisten Matthäus treten sie als "magoi", als "Magier" auf, eine Bezeichnung für die Mitglieder einer persisch-babylonischen Priesterkaste; erst in Luthers Bibelübersetzung werden sie zu den berühmten "Weisen aus dem Morgenland".
Ihre heute geläufigen Namen Caspar, Melchior und Balthasar sind eine Erfindung des 7. Jahrhunderts und auch, dass es drei Magier gewesen sein sollen, ist reine Spekulation. Denn das Matthäus Evangelium berichtet nur von den drei Gaben – Weihrauch, Myrrhe und Gold – die sie nach Bethlehem mitgebracht haben sollen. Das verleitete offenbar den Kirchenlehrer Origenes im 3. Jahrhundert zu der Annahme: drei Geschenke, drei Schenkende.
Knochen aus syrischem Raum
Wenn die Dombesucher einmal im Jahr, am 6. Januar, dem Dreikönigstag, durch eine kleine Klappe in den Schrein hineinschauen können, sehen sie denn auch folgerichtig drei bräunliche Schädel mit goldenen Kronen. Der Publizist Markus Schwering:
"Im Jahr 1864 holte man einmal die Knochen aus dem Schrein und stellte fest, dass die Skelette Männern gehören, die im Alter von 30, 25 und zwölf Jahren gestorben waren. Eingepackt waren sie immerhin in Textilien, die aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert und aus dem syrischen Raum stammten."
"Im Jahr 1864 holte man einmal die Knochen aus dem Schrein und stellte fest, dass die Skelette Männern gehören, die im Alter von 30, 25 und zwölf Jahren gestorben waren. Eingepackt waren sie immerhin in Textilien, die aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert und aus dem syrischen Raum stammten."
Ein schönes, herrisches, leicht hochmütiges Gesicht. Unter der Mitra eine hohe Stirn und eine edel gebogene Nase:
"Man kann dieser Darstellung ohne Bedenken höchste Porträtähnlichkeit zusprechen. Alle uns aus den zeitgenössischen Quellen bekannten Charakterzüge treten uns in diesem Bild entgegen: Ein reicher, beweglicher Geist, eine alles bezwingende Tatkraft und eine gewisse Verschlagenheit, die diesen Mann zu einem gewandten und erfolgreichen Diplomaten gemacht haben mag."
So urteilt der Autor Arnold Stelzmann über die plastisch herausgearbeitete Halbfigur im zentralen Feld zwischen Boden und Abschlussgiebel an der Rückseite des Dreikönigsschreins. Diese Figur stellt Rainald von Dassel dar – Erzbischof von Köln, Kanzler des Kaisers Friedrich Barbarossa und Überbringer der Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln.
Rainald von Dassel wird 1156 Erzkanzler des Reiches, 1159 Erzbischof von Köln. Er ist befehlsgewohnt, organisationsbegabt und seinem Herrn, dem Stauferkaiser Friedrich Barbarossa in bedingungsloser Loyalität ergeben. Die würdigt schon der Archipoeta, anonymer Hofpoet des Kaisers und treuer Anhänger Rainalds in einem Gedicht:
"Der Kanzler hat den Weg bereitet,
Die Pfade hat er erweitert, die Dornen ausgerottet.
Er selbst hat den Erdkreis des Kaisers Joch unterworfen."
Die Pfade hat er erweitert, die Dornen ausgerottet.
Er selbst hat den Erdkreis des Kaisers Joch unterworfen."
Den "Erdkreis" sicher nicht – wohl aber die oberitalienischen Städte, die mit dem Kaiser in Konflikt geraten sind. Sie streben nach Unabhängigkeit, verweigern die Anerkennung der Reichshoheit und die damit verbundenen kaiserlichen Privilegien. Es kommt zum Krieg.
Rainald von Dassel findet Reliquien
Barbarossa erobert und unterwirft Mailand. Auch andere verbündete Städte unterwerfen sich. Und nun gelingt Rainald von Dassel der große Glückstreffer: Nachdem Mailand erobert und zerstört worden ist, "findet" er – der Überlieferung nach – die sterblichen Überreste der Heiligen Drei Könige in den rauchenden Trümmern einer Kirche.
Wie sie dorthin gekommen sein könnten, liegt im Dunkel. Die Legende berichtet, dass die Kaiserin Helena, Mutter des römischen Kaisers Konstantin im 4. Jahrhundert die Knochen von einer Pilgerfahrt ins Heilige Land nach Konstantinopel mitgebracht habe. Von dort seien sie auf Umwegen nach Mailand gelangt.
In Windeseile lässt Rainald von Dassel seine Beute "transportfertig" machen und begibt sich auf die lange, beschwerliche Reise an den Rhein. Also wirklich nur ein Glückstreffer? Oder doch eher politisches Kalkül? Ein staatsmännischer Geniestreich? Ein geschickter machtpolitischer Schachzug? Misstrauisch jedenfalls macht den Historiker Ralf Lützelschwab die Tatsache:
"Dass bis zur Entführung der Gebeine aus Mailand in keiner historischen Quelle der selbstbewussten Stadt von den Reliquien der Heiligen Drei Könige die Rede war. Die Zeitzeugen schweigen. Warum nur hatte in Mailand zuvor kein Hahn je nach diesen Reliquien gekräht?"
"Dass bis zur Entführung der Gebeine aus Mailand in keiner historischen Quelle der selbstbewussten Stadt von den Reliquien der Heiligen Drei Könige die Rede war. Die Zeitzeugen schweigen. Warum nur hatte in Mailand zuvor kein Hahn je nach diesen Reliquien gekräht?"
Ob Rainald von Dassel und sein kaiserlicher Herr sich der dubiosen "Echtheit" der – immerhin entwendeten – Gebeine bewusst sind, ist nicht überliefert. Fest steht, dass der Besitz dieser Gebeine den staufischen Herrschaftsanspruch untermauern und ihn auch gegenüber dem Papst in Rom absichern soll. Der Historiker Hugo Stehkämper:
"Die Heiligen Drei Könige waren unbestreitbar die biblischen Zeugen einer gottunmittelbaren Herkunft des Königsamtes. Bei Angriffen auf das König- und Kaisertum waren sie unverzichtbare Zeugen. Sie brachten der Rheinmetropole "Heiltümer", durch deren Verehrung Könige Teilhabe an von Christus selbst gesegneter Macht bekamen."
Köln - Wallfahrts- und Pilgerzentrum
Und der Mediävist Odilo Engels schreibt:
"Barbarossas Tat war zeitgemäß und doch von höchster politischer Aktualität. Die Heiligen Drei Könige repräsentierten gewissermaßen das von Gott eingesetzte Königtum und das im Abendland erneuerte Kaisertum. Beides in der Hand des kaiserlichen Deutschlands konnte der staufischen Herrschaftsbegründung nur dienlich sein."
Die "Heiltümer" machen Köln aber darüber hinaus zu einem europäischen Wallfahrts- und Pilgerzentrum, dem berühmtesten neben Rom und Santiago de Compostela und verhelfen der Stadt so zu einer hohen wirtschaftlichen Blüte.
"Barbarossas Tat war zeitgemäß und doch von höchster politischer Aktualität. Die Heiligen Drei Könige repräsentierten gewissermaßen das von Gott eingesetzte Königtum und das im Abendland erneuerte Kaisertum. Beides in der Hand des kaiserlichen Deutschlands konnte der staufischen Herrschaftsbegründung nur dienlich sein."
Die "Heiltümer" machen Köln aber darüber hinaus zu einem europäischen Wallfahrts- und Pilgerzentrum, dem berühmtesten neben Rom und Santiago de Compostela und verhelfen der Stadt so zu einer hohen wirtschaftlichen Blüte.
Bevor Rainald von Dassel nun aufbricht, um seinen neuen Schatz auf dem gefährlichen Weg in die Heimat zu begleiten, schreibt er dem Kölner Domkapitel einen Brief. Dort gibt der raffinierte Stratege seine genaue Reiseroute an. Er sorgt dafür, dass der Inhalt des Schreibens vor allem bei seinen Feinden durchsickert. Die nämlich schließen daraus messerscharf, dass der Erzkanzler sie in die Irreführen will und natürlich einen völlig anderen Weg einschlagen wird. Folglich lauern sie auf allen anderen möglichen Reiserouten, um Rainald von Dassel und seinem Gefolge die Gebeine wieder abzujagen. Vergebens. Der kaiserliche Tross nimmt genau den Weg, der dem Domkapitel zuvor mitgeteilt wurde.
Feierliche Prozession Juli 1164
Und so gelangen die kostbaren Reliquien an einem Sommertag Ende Juli des Jahres 1164 in einer feierlichen Prozession nach Köln. Um ihnen ein angemessenes "Domizil" zu bieten, wird einer der berühmtesten Goldschmiedemeister, Nikolaus von Verdun mit der Fertigung eines Schreins beauftragt.
Christoph Driessen:
"Es dauerte 40 Jahre, bis der Schrein fertig war. Doch auch der größte Schrein der Christenheit reichte nach Meinung der Kölner noch nicht aus, um ihrem Reliquienschatz Genüge zu tun. Es musste noch eine zweite Hülle her: ein neuer Dom."
"Es dauerte 40 Jahre, bis der Schrein fertig war. Doch auch der größte Schrein der Christenheit reichte nach Meinung der Kölner noch nicht aus, um ihrem Reliquienschatz Genüge zu tun. Es musste noch eine zweite Hülle her: ein neuer Dom."