Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, politische Morde: Mitten im Chaos der Weimarer Republik wird am 22. Januar 1931 an der Berliner Masurenallee ein Gebäude eingeweiht, das dem Medium der Stunde, dem Radio, endlich eine angemessene Heimstatt bieten soll. Konzipiert vom bekanntesten Architekten jener Jahre, Hans Poelzig, wird das "Haus des Rundfunks" zu einer Mischung aus Monumentalität, Zweckdienlichkeit und Schönheit. Der Kunstkritiker Paul Westheim schreibt:
"In früheren Zeiten waren es die Kirchen, die Schlösser und Rathäuser, die das ‚Gesicht der Stadt‘ bestimmten. Zu ihnen gesellt sich nun als Dokumentation technischen Fortschritts und als Organ der breiten Masse (...) der Rundfunk."
Wegweisende Architektur - ästhetisch und technisch
Ohne Vorbilder zu haben, hat Hans Poelzig ein Funkhaus entworfen, das Maßstäbe setzt: mit schalldichten, jederzeit erweiterbaren Sendesälen, einem Lichthof mit hohen Galerien, das Gebäude geformt wie ein Schiffsbug, einem Symbol für die Kraft des neuen Mediums. Die Fassade aus mattbraunen Klinkern erinnert Zeitgenossen an repräsentative, aber gleichzeitig sachlich-schlichte Industriebauten. Im Inneren verbirgt sich bis dahin nicht Gesehenes: Die Wandverkleidungen der beiden großen Sendesäle sind mit umklappbaren Schalltafeln ausgestattet, die Schall je nach Bedarf sowohl reflektieren als auch schlucken können. Wie sehr die Radiopioniere vom Geist des Fortschritts beseelt waren, zeigte sich schon bei der Grundsteinlegung zum Haus des Rundfunks 1929. Friedrich Georg Knoepfke, Direktor der ersten Sendergesellschaft, der Funk-Stunde, erklärte:
"Wir legen den Grundstein zum Haus einer großen, wahren Freundschaft. Von hier aus werden übers Jahr Menschen mit der Klarheit ihrer Stimme, ihrer Gesinnung, ihrer Kunst, ihrer Kenntnis der ganzen Welt dienen."
In politisch unsteten Ätherwellen
Und das sollten sie nach dem Willen von Reichs-Rundfunk-Kommissar Hans Bredow streng unparteiisch tun, mit Reportagen, Hörspielen und Konzerten. Gesendet wird in der Regel live, die Hörspielproduktionen, für die Poelzig einen eigenen Sendekomplex entworfen hat, sind Theateraufführungen für die Ohren. Doch 1933 ist es mit der Demokratie vorbei – auch im Rundfunk. Hans Bredow tritt zurück. Andere Männer der ersten Stunde wie Alfred Braun und Hans Flesch werden verhaftet und eingeschüchtert.
Der neue "Reichssendeleiter" Eugen Hadamovsky kann berichten: "Mit den letzten Vorgängen, die sich innerhalb der Funkhäuser und um den Rundfunk herum abgespielt haben, endet die demokratische Epoche des Rundfunks und damit endet zugleich die Epoche der Rundfunkliliputaner."
Der nun "Großdeutsche Rundfunk" setzt vor allem auf musikalische Unterhaltung. Wer sich informieren will, tut das spätestens nach Kriegsausbruch über internationale Sender. Die deutschen Meldungen vom Frontverlauf kommen direkt aus dem Propagandaministerium. Und auch nach dem Ende des Krieges bleibt das "Haus des Rundfunks" erst einmal Sprachrohr, wenn jetzt auch mit anderen Vorzeichen: "Heute, am 7. Oktober 1949, ist die Deutsche Demokratische Republik gegründet worden", erklärt DDR-Chefpropagandist Karl Eduard von Schnitzler nun im sowjetisch kontrollierten "Berliner Rundfunk" - der bis 1950 aus dem Haus an der Masurenallee sendet, obwohl das Gebäude im britischen Sektor liegt.
Degradiert zum "Haus des Schweigens"
Mit dem Umzug des Senders in die Ost-Berliner Nalepastraße wird das Haus des Rundfunks zum "Haus des Schweigens", vor dem sich noch sechs Jahre lang alle zwei Wochen ein sowjetisches Wachkommando ablöst, obwohl es gar nichts mehr zu bewachen gibt. Als das Gebäude an den West-Berliner Senat übergeben wird, zeigt sich, dass die technische Einrichtung von den Sowjets abgebaut worden ist. Mit vollkommen neuer Technik wird das Haus des Rundfunks 1957 ein weiteres Mal eingeweiht, wieder in Anwesenheit Hans Bredows, diesmal als neue Heimat des Senders Freies Berlin. Von einigen renovierungsbedingten Änderungen abgesehen, ist der Architekturentwurf Hans Poelzigs erhalten geblieben und ermöglicht es bis heute, modernen Rundfunk in bester Klangqualität zu schaffen - inzwischen als Standort des Rundfunks Berlin-Brandenburg.