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90 Jahre Hildegard Knef
Popmusiker zollen einer Ikone Tribut

Zu Lebzeiten war sie Ikone und Hassfigur zugleich. Heute, 13 Jahre nach ihrem Tod, ist die Schauspielerin und Sängerin Hildegard Knef noch immer eine Inspiration. Zu ihrem 90. Geburtstag haben sich aktuelle Popmusiker wie Miss Platnum, Die Fantastischen Vier oder Rapper Dendemann ihrer Lieder angenommen und das Tribut-Album "Für Hilde" herausgebracht.

Von Ina Plodroch |
    Undatiertes Foto der Schauspielerin, Sängerin und Autorin Hildegard Knef in München.
    "Die große Dame des deutschen Chansons Hildegard Knef": Bis heute scheint die Faszination ihrer Musik und ihrer Person nicht abzureißen. (dpa / Hans Gregor)
    Hildegard Knef. Geboren 1925. Gestorben 2002. Als "deutsches Nachkriegsgesamtkunstwerk", wie die Taz zu ihrem Tode schrieb. In diesen 76 Lebensjahren, so fasste es Christoph Schlingensief zusammen:
    "Verwirrende Kontexte, russische Kriegsgefangenschaft, einmal Hollywood, Broadway und zurück, Filmschrott, Filmkunst, angeblicher Deutschhass, Krebs, Kampf, Krebs, Kampf, Krebs, Chansonsängerin, Schriftstellerin, Mutter, Heimatlose, Passversorgte, Deutschlands glücklichste Tragödie."
    Und Deutschlands größter Popstar – mit all den Tabubrüchen, Skandalen, Erfolgen, Fans und Nicht-Fans?
    "Die große Dame des deutschen Chansons Hildegard Knef."
    "Erinnert wird heute vor allem an die Sängerin", meint Christian Schröder, einer ihrer vielen Biografen. Heute kaum noch nachvollziehbar: der Skandal um nackte Brüste und Sterbehilfe im Kinodrama "Die Sünderin" 1951. Fast vergessen, dass sie sich mitten im Zweiten Weltkrieg für ihre frühe Filmkarriere bei der UFA einem Goebbels-Schützling als Geliebte hingab.
    Coverversionen, Remix- und Tribute-Alben halten "die Knef" am Leben
    "Natürlich ist Hildegard Knef als Person so ein Freak, würde ich sagen, in so einem aalglatten mainstreamigen deutschen Kulturbetrieb."
    Bernadette La Hengst, Musikerin und Knef-Fan.
    "Auch gerade nach dem Zweiten Weltkrieg. Bedeutet schon was, wenn so eine Frau mit einer Nicht-Stimme, mit dieser sehr androgynen verrauchten Stimme ihre eigenen Songs interpretiert hat."
    13 Jahre nach ihrem Tod scheinen auch Popmusiker glücklich, "dass sie gelebt". Mit Coverversionen, Remix- und Tribute-Alben halten sie "die Knef" am Leben.
    "Sie ist für mich auch ein Gesamtkunstwerk. Auch eine Diva, was ich auch gut finde."
    Zum 90. wieder ein Tribute-Album "Für Hilde", so der Titel. Auch Miss Platnum covert einen Song – was reizt eine Hip-Hop-Künstlerin an der Chanson-Schlager-Knef?
    "Ich finde, sie ist eine Frau mit Format. Eine Frau mit Charakter. Die Texte finde ich toll, die sie gesungen hat. Ihre Attitüde fand ich auch super."
    In ihren Texten trifft beides aufeinander, weil sie diese ab Mitte der 60er-Jahre selbst geschrieben hat. Unangepasste Texte über kurze Liebschaften, Vereinsamung "Im 80. Stockwerk" oder den "Zeitbegriff" der Kinder. Am liebsten aber: Über sich, die Knef, für die es rote Rosen regnen soll, die alles aufgibt für den Tapetenwechsel und mit der es von nun an bergab geht.
    "Sie hat mit einzelnen Sätzen ganz viel auf den Punkt bringen können, da braucht man noch nicht mal ein ganzes Lied für zu hören, du kannst wirklich einzelne Sätze rausgreifen."
    Mischung aus Schlager, Chanson, Jazz und Pop
    Hildegard Knef als Figur –schwankt zwischen der unnahbaren Diva und einer verletzlichen Persönlichkeit mit all ihren Schicksalsschlägen. Emanzipiert als nur wenige an Emanzipation dachten. Doch reicht das, um sie auch als musikalisches Vorbild zu nehmen? Schließlich schlidderte sie oft genug haarscharf am Schlagerkitsch vorbei, um dann in den sanften Jazz einzusteigen.
    "Es gibt ganz miserablen Schlager, aber eben auch guten, und dazu zähle ich Hildegard Knef", findet Niels Frevert, auch ein Knef-Anhäger.
    "Ich glaube dass sich deswegen so viele dafür noch interessieren, weil es eben sehr wenig Vergleichbares gibt. Ich glaube, dass Hildegard Knef sehr für sich steht, zum einen ist es handwerklich sehr gut gemacht. Die Kompositionen."
    Knef hat ihre Musik nicht selbst geschrieben, aber ihre Produktionen streng überwacht – ungewöhnlich für eine Sängerin in den 60er- und 70er-Jahren. "Ich arbeite sehr gerne mit Musikern zusammen, insbesondere mit jungen Talenten, die für mich Inspirationen bringen", sagte sie in einem Viva-Interview. Daraus entstand diese Mischung aus Schlager, Chanson, Jazz oder Pop zwischen Hippie-Gospel und psychedelischen Sounds.
    "Du kannst es fast im Hip-Hop benutzen, weil: sie spricht ja halb. Dadurch wird zeitlos. Du kannst es für verschiedene Musiken benutzen, für Elektronik. Für Dub. Es ist eine Art zeitloser Gesang."
    Der den Rapper Dendemann dazu bringt, eine Art posthumes Rap-Duett aufzunehmen. Aktueller könnte Knef nicht klingen.