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Aaron Copland: A Copland Profile

Werke von Aaron Copland: * Filmmusik "The red Pony" * Music for the Theatre * Symphony for Organ and Orchestra

Ludwig Rink | 13.12.1998
    Heute mit Ludwig Rink am Mikrofon - guten Morgen.

    In der nächsten knappen halben Stunde geht es um eine CD aus den USA, erschienen unter dem Motto "A Copland Profile". Sie bietet in der Tat ein gelungenes Profil des amerikanischen Komponisten Aaron Copland, nicht das komplette Werk, nicht seine auch hierzulande einigermaßen bekannten Stücke, sondern wirklich eine Seitenansicht und eine höchst interessante dazu. Sie zeigt zunächst den Filmmusik-Komponisten am Beispiel einer Musik zu dem Film "Das rote Pony" von 1949, einem Projekt, wo der Musik von Seiten der Filmemacher ein großer Stellenwert eingeräumt wird. Die Handlung spielt auf einer kalifornischen Ranch und Copland gelingt es, diesem ländlichen Szenario mit einer im Folksong-Stil komponierten Musik Leben einzuhauchen. Besonders amüsant die folgende "Zirkusmusik", die in weniger als zwei Minuten die ganze Aura der Zirkuswelt vor uns entstehen läßt... * Musikbeispiel: Aaron Copland: "Circus music" aus: "The Red Pony" Ab etwa dem Ende des ersten Weltkriegs übte der damals neu auf die Musikbühne tretende Jazz für etwa ein Dutzend Jahre eine große Faszination auf die jungen europäischen Komponisten aus. Er war die neue, reizvolle Unterhaltungsmusik, in der so völlig gegensätzliche Elemente zusammenkamen wie die kraftvoll-elementare menschliche Ursprünglichkeit des Blues auf der einen und geräuschhafte Motorik auf der anderen Seite, die wie ein Spiegel den rasanten technischen Fortschritt in den amerikanischen Großstädten abzubilden schien. Jazz war damals zeitweise geradezu der Inbegriff eines Gegenbildes gegen die alten europäischen Kulturtraditionen und wurde in vielen Fällen als Protest gegen die in eine tiefgreifende Krise geratene Kunstmusik oder zumindest gegen deren offizielles "bürgerliches" Gehabe eingesetzt. In Amerika gewann darüber hinaus in den zwanziger Jahren der Gedanke an Einfluß, den hier ja entstandenen Jazz als einen Eckpfeiler bei der Schaffung eines amerikanischen Nationalstils zu verwenden. Insofern half er auch hier dabei, sich in der Kunstmusik von den älteren "klassischen" Vorbildern aus Europa zu lösen und den Blick zu öffnen für die Fülle der musikalischen Strömungen, die hier in der Neuen Welt zusammentrafen: von der "ursprünglichen" Musik der Indianer über verschiedene Musikarten der Schwarzen bis hin zu den unterschiedlichsten Klängen der zahlreichen, ethnisch divergierenden Immigrantenschichten. Copland hatte während seines Studiums in Paris eine beachtliche Anzahl von Werken der damaligen europäischen Avantgarde gehört: Schönberg, Strawinsky, Bartok, de Falla; Milhaud, Honnegger, Auric; Hindemith, Prokofiew, Szymanowski, Malipiero oder Kodaly. Nach Amerika zurückgekehrt, begann auch er nach einem spezifisch amerikanischen Tonfall zu suchen. Erste Gelegenheit zur Realisierung seiner Ideen bot ein Kompositionsauftrag im Jahre 1925 für das Boston Symphony Orchestra und dessen rührigen Leiter Sergej Kussevitzky. Es wurde keine mächtige Sinfonie, sondern eine fünfteilige Suite für kleines Orchester. Trotz des Titels "Music for the Theatre" handelt es sich um absolute Musik, der nicht der Gedanke an ein bestimmtes Theaterstück, sondern allenfalls an die generelle Suggestivkraft eines Bühnengeschehens zugrundeliegt. Vor allem im zweiten Stück mit dem Titel "Dance" sind die Jazz-Anklänge deutlich zu hören: das quasi schlagzeugartig eingesetzte Klavier, die Blue-Notes im Trompeten- und Klarinetten-Part, der durchgehende, dann plötzlich innehaltende Puls, die rhythmischen Finessen... * Musikbeispiel: Aaron Copland: "Dance" aus: "Music for the Theatre" Aaron Copland wurde 1900 in Brooklyn geboren, war in New York Schüler von Rubin Goldmark, einem Neffen von Karl Goldmark. Wie damals für junge amerikanische Musiker üblich, ging er zur Beendigung seiner Studien im Sommer 1921 nach Europa. In Paris gerät er in eine Harmonielehre-Stunde der jungen Nadja Boulanger, und er begeistert sich sofort für ihren äußerst klaren Unterrichtsstil. In seiner Autobiographie berichtet er: "Zwei Vorzüge, die Nadja Boulanger besaß, machten sie einzigartig. Der eine ist ihre verzehrende Liebe für Musik. Und der andere ist die Fähigkeit, einen Schüler mit Vertrauen zur eigenen Schaffenskraft zu erfüllen. Dazu kommt ein enzyklopädistisches Wissen über jede Phase vergangener und gegenwärtiger Musik, ein erstaunlich kritischer Scharfblick und ein vollendetes Maß an weiblichem Charme und Esprit." Aus dem einen Jahr in Paris werden schließlich drei, und Copland wird Zeuge einer äußerst virulenten Musikszene mit ganz unterschiedlichen Strömungen und Richtungen. Ab 1924 lebt er wieder in New York, setzt sich gründlich mit dem Jazz auseinander, experimentiert viel auf der Suche nach einem eigenen Stil, bemüht sich ab etwa 1934, seine Aussage in möglichst einfacher, allgemein verständlicher Form einem breiten Publikum mitzuteilen. Er wird ab 1939 zu einem überragenden Filmmusiker, hat auch keine Scheu vor politischen Themen. So enthält sein Werkkatalog neben sinfonischer Musik, Kammermusik und Balletten auch ein Lincoln-Portrait für Sprecher und Orchester von 1942 oder die Preamble (der Charta der Vereinten Nationen) für Sprecher und Orchester von 1946. Das folgende "Interlude" stammt noch einmal aus der "Music for the Theatre" und zeigt ihn einmal nicht als den rasanten Rhythmiker, sondern beweist seine hohe Erfindungskraft gerade auch auf melodischem Gebiet. * Musikbeispiel: Aaron Copland: "Interlude" aus: "Music for the Theatre" (Ausschnitt) Das früheste Werk auf dieser CD mit Werken von Aaron Copland ist eine "Symphony for Organ and Orchestra" von 1924, dem Jahr, in dem Copland seine Studien bei Nadja Boulanger in Paris abschloß. Seine Lehrerin hatte von Walter Damrosch, dem damaligen Leiter der New Yorker Philharmoniker und von Sergej Kussevitzky, gerade zum Leiter der Bostoner Symphoniker gekürt, eine Einladung erhalten, mit beiden Orchestern Orgelkonzerte aufzuführen. Boulanger wollte zu dieser Gelegenheit ein neues Werk bei einem amerikanischen Komponisten in Auftrag geben und fragte ihren talentierten Schüler Copland, der sich natürlich mit großem Eifer an die Arbeit machte. Vom Ergebnis ist Nadja Boulanger äußerst begeistert: "Ich kann Ihnen kaum meine Freude schildern", schreibt sie in einem Brief, "das Werk ist so brillant, so voll von Musik..." Diese Orgelsinfonie ist zwar nicht Coplands erstes Orchesterwerk, doch sie hatte entscheidenden Anteil daran, daß die weiteren Schritte des gerade 24jährigen Komponisten in der musikalischen Öffentlichkeit Amerikas von nun an mit großem Interesse verfolgt wurden. Den konservativen Teil des Premieren-Publikums erschreckte seinerzeit die Abkehr vom gefühlvollen spätromantischen Ton, der in den Konzertsälen noch vorherrschte. Unseren Ohren am Ende des Jahrhunderts fällt eher auf, daß Copland hier stellenweise fast schon vorwegnimmt, was in unseren Tagen Komponisten wie Philip Glass oder Terry Riley über große Strecken ausweiteten und was Kunstkenner mit dem Schlagwort "Minimalismus" belegten... * Musikbeispiel: Aaron Copland: "Scherzo" aus: "Symphony for Organ and Orchestra" "Die Neue Platte" - heute mit einem klingenden Profil des amerikanischen Komponisten Aaron Copland, erschienen bei der amerikanischen Firma Delos, die in Deutschland durch Fono vertrieben wird. Es spielte das Dallas Symphony Orchestra unter der Leitung von Andrew Litton, der Solist hier beim Scherzo aus der Orgelsinfonie war Wayne Marshall.

    Einen schönen dritten Advent wünscht Ihnen Ludwig Rink.