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Ab in die Platte?

So, an dieser Stelle die beiden Kinder, sind beide ein und zwei Jahre alt, ab 14 auch nicht erforderlich... Wohnverhältnisse, blättern, hier Angaben zur Miete, hier müssen wir drauf achten, die Angaben zu den Nebenkosten.

Von Jacqueline Boysen |
    Ein gewöhnlicher Werktag in Ostdeutschland, eine Kleinstadt in Brandenburg, Alltag von Hartz-IV-Beraterin Inge Otto: In ihrem schmucklosen Büro bei der gemeinnützigen Projekt- und Regionalentwicklungsgeselllschaft mbH PuR brütet sie mit einer arbeitslosen Oranienburgerin über dem Kernstück der Reform der bundesrepublikanischen Arbeitsförderung - dem Formular, das bundesweit in millionenfacher Ausführung verschickt wurde:

    Das nächste Wohngeld - haben Sie beantragt? Ja, vom Sozialamt, hier aus dem Bescheid.

    Es sind sechzehn graue Seiten, an denen die finanzielle Zukunft derer hängt, die ab dem 1. Januar des kommenden Jahres das neue Arbeitslosengeld II empfangen:

    Da kommt man doch ganz schön ins Schleudern, wenn man keine Beratung hat oder das alles selbst ausfüllen muss, ist das reichlich schwierig. Die 16 Seiten zum Vermögen, da muss man zur Sparkasse, belegen, dass man kein Vermögen hat, dann wird alles mit reingerechnet, eine Unverschämtheit eigentlich.

    Es ist schlimm, was da so alles rausgefragt wird, aber Arbeitslosenhilfe zu beantragen war ja vorher auch nicht einfach, Kontoauszüge musste man da ja auch schon hinlegen, aber es ist doch schon ein Stück härter noch.

    Und wenn ich in den letzten 15 Jahren, in denen ich arbeitslos war, keine Stelle gefunden habe, wie soll das jetzt gehen?

    Am schärfsten finde ich, so ganz krass, dass da an die Altersversorgung rangegangen wird.

    Es mag ja sein, dass es für Sozialhilfeempfänger jetzt ein paar Euro mehr gibt, aber für Arbeitslose ist es ein Schritt rückwärts, weil dann jetzt Arbeitslosenhilfeempfänger und Sozialhilfeempfänger auf einer Stufe stehen und das ist nicht so richtig in Ordnung. Kann mir einer sagen, was er will.

    Wenn ich weiß, dass ich 1966 angefangen habe zu arbeiten und seit 2000 unfreiwillig aufgehört habe, und nun mit Sozialhilfeempfängern auf einer Stufe stehe, dann tut das weh.

    Ich war ja schon oft arbeitslos, und man hat mir auch schon Stellen angeboten, aber da wurde ich immer abgelehnt, da schicken sie ja auch immer zehn oder zwanzig Leute hin und in meinem Alter, da findet man nichts mehr in Brandenburg.

    Wolfgang Clement: Das neue Beschäftigungs- und Arbeitsföderungsgesetz ist nicht dazu da, Menschen abstürzen zu lassen, sondern Menschen in Arbeit zu vermitteln. Das wird in einer Weise stattfinden, wie es in der Bundesrepublik noch nicht stattgefunden hat. Dazu allerdings müssen alle mitarbeiten und deswegen ist es jetzt wichtig, dass auf der kommunalen Ebene, auf der Länderebene, auf der Bundesebene nicht mehr über die Umsetzung dessen, was wir jetzt zu tun haben parteipolitisch diskutiert wird, sondern dass allein versucht wird, Menschen in Arbeit zu vermitteln.

    Fördern und fordern - lautet der Grundsatz der neuen Arbeitsmarktpolitik von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement.

    Ich sehe das nicht ein, dass ich alles offenlegen muss, es gibt doch so etwas wie eine Privatsphäre, wie alt mein Lebenspartner ist, die Tochter, was hat das mit meinem Lebensrecht zu tun?!

    Mit monatlich 331 Euro wird die ungelernte, langzeitarbeitslose Mutter von fünf erwachsenen Kindern künftig auskommen müssen, derzeit bezieht sie 440 Euro. Ob sie und ihr Mann, bisher Sozialhilfeempfänger, neben dem ostdeutschen Regelsatz des Arbeitslosengelds II einen Zuschuss zu ihrer Miete erhalten, wissen sie noch nicht.

    Man hat ja noch Ausgaben: Wir müssen Licht, also Strom selbst bezahlen, die Zeitung, man muss auch eine Zeitung haben, was monatlich anfällt, da und dort, Fixkosten, das ist in der Bedarfsberechnung nicht drin, muss aber bezahlt werden. Meine Frau hat sich Zähne machen lassen, neu, da kam eine Rechnung von der Zahnärztin, die ist kulant, Ratenzahlung. Ich war auf dem Sozialamt, müssen wir prüfen - bis jetzt nichts.
    Gerhard Schröder: Wir haben immer gesagt, dass Umbau auch heißt, dass diejenigen Leistungen bekommen, die bedürftig sind. Es gab ja viel Aufregung über den Fragebogen, weil man da auch die persönlichen finanziellen Verhältnisse offen legen muss. Aber was wir zahlen, zahlen wir aus Steuermitteln, auch aus Steuern der Verkäuferin und des Krankenpflegers, also von Leuten, die es wirklich nicht dicke haben und jeder, der eine steuerfinanzierte Leistung haben will, der muss doch nachweisen, dass er sie auch braucht, also wie die Juristen sagen, dass er dürftig ist, das ist doch eine blanke Selbstverständlichkeit, ich versteh überhaupt nicht, wie man sich darüber aufregen kann.

    Aller Aufregung zum Trotz: 80 % der Anträge seien bereits eingegangen, lässt das für Oranienburg zuständige Büro der Bundesagentur für Arbeit in Neuruppin wissen. Außer Zahlen aber erfahren wir hier nichts: Wie der Bürgermeister von Oranienburg, Hans Joachim Läsicke, erklärt, gehört der Landkreis Oberhavel zu jenen Kreisen, die ihre Arbeitsvermittlung nach dem so genannten Optionsmodell selbst in die Hand nehmen - die Bundesagentur ist gewissermaßen ausgebootet.

    Ob das Arbeitsamt heißt oder Agentur oder einen anderen tollen Namen kriegt, an der Arbeitsweise wird das nichts ändern. Die waren nicht in der Lage in der vergangenen Zeit, die Weichen anders zu stellen, das hängt auch mit den politischen Rahmenbedingungen, aber auch mit dem Selbstverständnis der Verwaltung zusammen, und insofern sagt der Landrat, als Kämpfer für Option, müssen wir neue Wege beschreiten, näher an die Menschen und zeigen, dass wir erfolgreicher sind als die in der Vergangenheit praktizierten Formen. Natürlich sind sich alle einig, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist, aber ein wichtiger Schritt, der damit gegangen wird.

    Seit Donnerstag werden die Angaben aus den Fragebögen der Arbeitslosengeldempfänger elektronisch erfasst - Datensätze von fast 54.000 Arbeitslosen, von denen die meisten weit länger als zwei Jahre ohne Arbeit und älter als vierzig sind - und die in ihren Fragebögen Auskunft über Vermögen und Wohnsituation gegeben haben:

    Weiß nicht, wieviel wir bekommen, ob wir Wohngeld kriegen, weil die Wohnung ja zu groß ist, entscheiden tun das die Gemeinden, das ist eigentlich eine Sozialwohnung, wo wir wohnen, aber leider ein Zimmer zuviel.

    Die neunundvierzigjährige Bürofachkraft und ihr Ehemann, Dachdeckerhelfer, leben in einer Wohnung von 72 Quadratmetern - es stehen ihnen indes nur 60 Quadratmeter zu.

    Hier ist viel saniert, auch natürlich zum Vorteil der Mieter. Der Mietpreis ist also rauf gegangen, es gibt gar nicht die vielen kleinen Wohnungen zu billigen Preisen, auch die Plattenbauwohnungen haben ja anständige Mietpreise, teilweise mussten die Leute auch in der Vergangenheit umziehen, was immer wieder dementiert wurde, aber wenn jemand in einer zu großen Wohnung wohnte, bei Sozialhilfeempfängern war das so, das ist jetzt eine größere Zielgruppe. Da können wir nur hoffen, das hier mit Augenmaß entschieden wird.

    Annette Kökst, Geschäftsführerin der gemeinnützigen PuR-mbH, erlebt in den Beratungsstunden für Arbeitslose in Henningdorf , wie groß die Furcht der Antragsteller vor dem Verlust der Wohnung ist. Mit recht appelliert sie an das Verständnis der Kreise und Kommunen. Diese haben, so der Leiter des Sozialamts im Landkreis Oberhavel, Detlev Kuhlmann, wenig Interesse an eventuell fälligen Umzügen, schließlich müssten sie für die Kosten der Wohnungswechsel aufkommen:

    Es ist der Ermessenspielraum des Bearbeiters. Wir haben ja schon innerhalb der Sozialhilfe Ermessensspielraum vorgegeben, eine Von-bis-Spanne, da muss man gucken, welche Konsequenzen hat das für die Familienmitglieder, wenn ich einen Umzug veranlasse, das heißt wegen zwei oder drei qm, da ist dann die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt.

    Heinrich Alt: Wir haben nicht die Idee gemeinsam mit den Kommunen, dass jetzt Massenumzüge stattfinden. Wir hätten eher die Idee, dass jetzt die Menschen, die in relativ teuren Wohnungen wohnen, die sie mal gemietet haben, als sie gut verdient hatten, dass wir uns intensiv darum bemühen, diese Menschen wieder in den Arbeitsprozess zurückzubringen und sie nicht in einer preiswerten Wohnung dauerhaft arbeitslos zu lassen.

    Optimistisch der Ansatz von Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit. Im Arbeitsagenturbezirk Neuruppin liegt die Arbeitslosenquote bei fast 19 %, hier suchten Ende September fast 70.000 Menschen Arbeit, über die Bundesagentur werden derzeit weniger als dreitausend Stellen angeboten.

    Gerhard Schröder: Hartz IV selbst bringt keine Arbeitsplätze, sondern bringt Menschen eher in Arbeit, weil das Fördern der Menschen, um die es geht, besser wird, weil die Bundesagentur bessere Vermittlungsleistungen erbringen kann. Die Arbeitsplätze müssen in der Marktwirtschaft im Wesentlichen von der Privatwirtschaft bereitgestellt werden, genauso wie die Ausbildungsplätze. Und was wir mit dem Arbeitsmarkt machen, ist die Lohnkosten zu senken oder senken zu helfen, damit mehr private Investitionen zu mehr Arbeitsplätzen führen.
    Vom Arbeitsamt habe ich nie große Unterstützung bekommen, ab und zu mal eine Stelle nachgewiesen, die dann aber mit zig Bewerbern, wo man dann durchgefallen ist, da konnte ja nur einer die Stelle kriegen, das war keine große Unterstützung. Ich wollte ja wieder eine Arbeitsstelle finden, aber das war oder ist allgemein nicht einfach eine Stelle zu finden in einer Baufirma, ich wollt ja in meinem Beruf weiterarbeiten, aber die Nachfrage ist eben nicht so.

    Jörg Gädicke, Tischler, Vater von zwei schulpflichtigen Kindern, ist sich nicht sicher, ob er das Recht auf Unterstützung hätte, schließlich bezieht seine Frau ein Einkommen.

    Natürlich reicht das Geld von meiner Frau auch nicht aus, ich kann nicht einfach sagen, ich bleibe zu Haus, wäre ja zu schön. Ich sehe da auch keine Chance, das wir eine Förderung gekriegt hätten. Also bei einem Grundstück und mit einem großen Haus, sagen sie als erstes, ja, teilen sie das Grundstück und verkaufen sie es, davon können sie leben, da habe ich mir keine großen Chancen ausgerechnet, dass ich eine Finanzierung kriege.

    Der Vierundvierzigjährige hat die Konsequenz gezogen und sich selbständig gemacht: Seine Ich-AG bietet einen Hausmeister- und Handwerkerservice - mit 20 Euro pro Stunde liegt sein Lohn unter dem üblicherweise in Rechnung gestellten Satz. Drei Jahre lang erhält Gädicke 600 Euro als Zuschuss für seine Existenzgründung. Die Zahl der Ich-AG im Agenturbezirk Neuruppin hat sich im letzten halben Jahr mehr als verdoppelt. Auch Karin Riemer hat den Schritt in die begleitete Selbständigkeit gewagt, die 48 Jahre alte Bürokauffrau hat nach langer Arbeitssuche ein Schreibbüro eröffnet:

    Das reicht hinten und vorne nicht. Arbeitslosengeld wird immer weniger, ich hab auch versucht, eine geringfügige Beschäftigung nebenbei, hatte auch maI was, aber so richtig nicht. Und mit Arbeitslosengeld II würde ich noch einen Sprung ins Negative machen, dass es noch weniger Mittel sind und irgend wo geht es dann nicht mehr und so musste ich den Sprung machen und versuchen, dass ich in drei Jahren nicht wieder dastehe, sondern sagen kann, ihr seht mich nicht wieder, das wäre das beste, was mir passieren kann.

    So hangelt sich ein Großteil der Arbeitssuchenden seit Jahren von einer Fortbildung zur nächsten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, wie Jürgen Sablotny, 54:

    Ich habe vor drei Jahren eine Weiterbildung gemacht zum Betriebshandwerker, ein Jahr lang, ansonsten ist es die erste ABM. Das heißt also, wenn man bezeichnet wird als Betriebs- und Haushandwerker ist das eine Stelle als Hausmeister und der Hausmeister ist fast wie Goldstaub, aber es war nicht möglich eine Stelle als Hausmeister zu bekommen, jetzt weiß ich zwar ein bisschen mehr, aber hab keine Stelle. Es wurde uns schon was beigebracht, als Tischler zum Beispiel, aber im Endeffekt ist unterm Strich nichts dabei rausgekommen, ich weiß, von den 25 in dem Teilnehmerkreis, haben zwei eine Stelle, das sagt schon alles.

    Insbesondere für jugendliche Arbeitsuchende der demoralisierende Beginn ihres Erwerbslebens. Jump plus hieß eines der Teilzeit-Projekte, das Annette Kökst von der Beschäftigungsgesellschaft PuR begleitet hat:

    Man muss sagen, auch bei uns sind Jugendliche teilweise geparkt, auch wenn sie auf vier Stunden über Jump plus zum Beispiel jetzt auch beschäftigt sind, sie irgendwohin zu bringen, aber es ist wahnsinnig schwer, den Jugendlichen eine Perspektive zu eröffnen und wir haben festgestellt, dass viele Jugendliche mit ihrem Berufsleben abgeschlossen haben, bevor es angefangen hat. Sie sehen keine Perspektive, sie machen, was man ihnen sagt, weil sie sonst Leistungskürzungen hinnehmen müssen, aber sie bauen nicht auf.

    Von klein auf werden Jugendliche konfrontiert mit der erfolglosen Arbeitsuche ihrer Eltern. Nun erleben sie die Diskussion um sogenannte Arbeitsgelegenheiten, also Ein-Euro-Jobs:

    Es heißt, man muss die Stelle annehmen, sonst werden die Leistungen gekürzt. Wir werden gezwungen, gedemütigt, uns wird das Fell über die Ohren gezogen. Ich habe Angst davor, das nächste Jahr zu beginnen, weil ich nicht weiß, wie ich mein Leben finanzieren soll.

    Arbeitsgelegenheiten sollten ursprünglich den Schritt heraus aus der Arbeitslosigkeit erleichtern sollten, so Annettte Kökst:
    Das ist auch nichts Neues. Es ist eigentlich eine Erprobung der Arbeitsfähigkeit. Das kann ganz gut sein, wenn es ein Danach gibt. Das hatten wir in der Vergangenheit, für Sozialhilfeempfänger, so ein Stufenmodell, wo man mit gemeinnütziger Arbeit angefangen hat, danach einen Job bekam, bei uns war das bei einem kleinen oder mittelständigen Unternehmen, das war gut. Diese Perspektive sehe ich jetzt nicht.

    Bis vor einem Monat leitete Wilfried Müller ein Seniorenheim der Diakonie. Bei ihm gab es Beschäftigte, die für einen Euro am Tag Arbeiten übernahmen, die das Pflegepersonal nicht schaffen konnte. Künftig sollen fachfremde Helfer mit einem Euro pro Stunde ihr Arbeitslosengeld II aufbessern können:

    Wir müssen da ganz vorsichtig sein. Wir müssen gucken, was macht es im Endeffekt ökonomisch aus, wir sind ja auch nicht so gesegnet, gerade weil wir im Tarifbereich zahlen, aber es wird im Endeffekt darauf hinauslaufen, dass man bestimmte Stellen vorwiegend im Hauswirtschaftsbereich nicht mehr neu besetzt, nicht in der Pflege natürlich. Aber nur so sehe ich Ein-Euro-Jobs: dass man sagt, da fällt ein Arbeitsplatz weg, dafür haben wir dann drei oder vier Ein-Euro-Jobs.

    Wolfgang Clement:
    Es wird insgesamt eine Reform für den Arbeitsmarkt sein, die zu den tiefgreifendsten gehört, die wir in der Geschichte der Bundesrepublik vorgenommen haben. Ich denke, wir werden frischen Wind in den Arbeitsmarkt bringen, wir öffnen jetzt die Fenster und werden hoffentlich einige Kräfte entfesseln und wir werden auf diesem Weg weitergehen.

    Die Kräfte, von denen sich der Bundeswirtschaftsminister frischen Wind verspricht, versucht einer der größten Arbeitgeber im Umkreis von Oranienburg zu entfalten: der weltweit operierende Pharma-Konzern Altana. 317 Mitarbeiter produzieren in den nagelneuen Betriebshallen Medikamente - und angesichts der geplanten Erweiterung haben die 43 Auszubildenden Aussicht auf Weiterbeschäftigung:

    Es ist unsere Strategie, den Nachwuchs selbst auszubilden, weil wir dann sicherstellen, dass wir hochqualifiziertes und motiviertes Personal bekommen. Der Vorteil ist, wir haben die Kandidaten über 3,5 Jahre gesehen und wissen, wie gut, wie motiviert sie sind.

    Hans Joachim Kaatz, einer der Geschäftsführer der Altana, lässt Pharmakanten, Laboranten und so genannte Mechatroniker ausbilden. Selbst auf die rund 70 Stellen, die nur geringfügig bezahlt werden, zum Beispiel in der Verpackungsabteilung, bewerben sich unzählige Interessenten. Offene Stellen für Chemiker oder Pharmazeuten wiederum muss das Unternehmen per Annonce bundesweit ausschreiben:

    Obwohl es auch im Landkreis Oberhavel eine hohe AL-Quote gibt, ist es für uns nicht einfach, die Fachkräfte zu bekommen, die wir brauchen oder haben möchten, dass liegt daran, dass hochausgebildete und motivierte Leute nicht am Arbeitsmarkt sind. Wir haben zwar Pharmakanten und Laboranten am Arbeitsmarkt gemeldet, es stellt sich aber immer wieder heraus, dass die Ausbildung doch nicht genügend war oder nicht in der Qualität durchgeführt wurde oder auch teilweise die Bereitschaft nicht vorhanden ist, was dann dazu führt, dass man dann nicht einstellt oder dass es nicht die richtige Anstellung wäre. Das ist ein Defizit, wir haben Programme zur Weiterbildung für unsere Technologie ausgerichtet, das ist für alle unsere Mitarbeiter ein permanenter Lernprozess.

    Das ist die große Schwachstelle, das ist ja nicht eine Erkenntnis von mir, es gibt zu wenig Arbeitsplätze. Die entstehen ja nicht automatisch, nur weil die Reform in Kraft tritt, insofern wird es weiter problematisch sein. Und aus Gesprächen mit Oranienburger Unternehmen weiß ich, dass ne Schere auseinanderklafft zwischen der geforderten Qualifikation in hochspezialisierten Unternehmen. Da ist es mit einer schlichten Schulausbildung nicht getan, da werden Fachkräfte gebraucht, und die größten sozialen Probleme haben ja die Menschen mit einer schlechten Ausbildung, da wird es auch in Zukunft schwieriger werden, für die eine Perspektive zu finden.

    Der Bürgermeister von Oranienburg muss damit leben, dass es in Ostdeutschland derzeit nur eine boomende Branche gibt: die Hartz-IV-Beratung. Und so ist auch für Beraterin Inge Otto schon absehbar, wann sie ihren Schreibtisch im Informationsbüro der PuR räumen muss:

    Das Ganze ist eine ABM-Stelle, die läuft bis Ende Jan 2005, danach wird es für mich und meine Kolleginnen hier aufhören, dann werden wir selbst die Anträge auf ALGII ausfüllen müssen... dann sind wir natürlich geübt.