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Ab nach Brüssel

Seit der Wahlniederlage im Januar ist es um Niedersachsens Ex-Ministerpräsidenten David McAllister still geworden. Dabei gilt der smarte 42-Jährige im bürgerlichen Lager weiterhin als Hoffnungsträger. Manche trauen ihm eine große Zukunft in der Europapolitik zu.

Von Alexander Budde |
    David McAllister fühlt sich sichtlich wohl an diesem Abend. Kaum ist seine aufrüttelnde Ansprache verklungen, der Applaus verebbt, da zieht es ihn hinaus auf die Gartenterrasse, wo er sich geschmeidig seinen Weg durch die Festgemeinde bahnt, die Blicke suchend, stets zum entspannten Plausch bereit. Leutselig, bodenständig, erfolgsverwöhnt – mit solchen Prädikaten ist der Christdemokrat in besseren Tagen oft beschrieben worden, als seine politische Karriere noch steil nach oben ragte.

    McAllister wurde 1971 als Sohn eines schottischen Militärbeamten und einer deutschen Musiklehrerin im damals noch umzingelten West-Berlin geboren. Die Familie siedelte später ins niedersächsische Bad Bederkesa um. Mit 15 kam er zur Jungen Union, mit 30 war er Bürgermeister seiner beschaulichen Heimatstadt nahe der Nordsee, in der er mit seiner Frau und zwei kleinen Töchtern lebt und die er bisher kaum verlassen hat. Gefördert vom damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff stieg das junge Talent in der Union im Eiltempo auf. Wulff machte ihn zum Generalsekretär und Fraktionsvorsitzenden, hinterließ ihm schließlich auch den Landesvorsitz der CDU. Auch ins Amt des Ministerpräsidenten von Niedersachsen ist er 2010 nicht gewählt worden. Er hatte es mit 39 Jahren geerbt, nachdem sein politischer Ziehvater Wulff zum Bundespräsidenten gewählt worden war.

    David McAllister zieht es die imposante Freitreppe des Alten Rathauses hinab. Er setzt sich auf die kleine Mauer vor dem Ententeich. Der 42-Jährige schiebt sich eine Strähne aus der Stirn, zündet sich eine Zigarette an. Noch einmal erzählt er vom Wahlabend des 20. Januar; vom "Herzschlagergebnis", wie er die äußerst knappe Niederlage seiner Union gegen die rot-grüne Koalition in Niedersachsen beschreibt.

    "Diese Wahl am 20. Januar war eine der knappsten Wahlausgänge in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das war ja ein Wahlabend der an Dramatik nicht zu überbieten war. Eine Zeit lang lagen CDU und FDP mit einem Sitz vorne. Dann gab es eine ganze Zeit lang eine Pattsituation. Und am Ende lag eben Rot-Grün mit einem Sitz vorne. Dass man natürlich die ersten Wochen nach der Wahl erst einmal traurig ist, um das alles zu verarbeiten, das ist doch vollkommen normal."

    Politiker reden gern davon, dass sie ihr Amt nur auf Zeit bekleiden, dass der Misserfolg zum politischen Geschäft dazugehöre. Auch Hartmut Möllring tröstet sich mit solcher Geisteshaltung über den Makel hinweg. Der frühere Finanzminister gehört zu Riege jener Kabinettskollegen, die sich nach dem Wahldesaster neue Berufsziele jenseits der Landesgrenzen suchten. Möllring fand einen Posten als neuer Wissenschafts- und Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt. Den Knick in seiner Biografie würde er dem Parteivorsitzenden McAllister ganz zuletzt anlasten:

    "Fast getroffen ist auch vorbei. David McAllister hat einen Wahlkampf geführt, der war riesig. Er hat riesig aufgeholt. Er hat die FDP mitgenommen. Die FDP hat ja nur auf Kosten der CDU ihr gutes Ergebnis bekommen. Und zum Schluss hat ein Sitz gefehlt. Das ist eben in der Demokratie Pech."

    Seit der Wahlniederlage im Januar ist es um den gewandten Redner David McAllister still geworden. Zwar sucht er etwa als Begleiter von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf durchaus die Öffentlichkeit. Im Plenum des Landtags aber, wo er sich bewusst in die zweite Reihe setzen ließ, ist nur sein beredtes Schweigen zu hören. Auf eine Zigarettenlänge bekennt David McAllister, dass auch er darüber nachgedacht habe, sich gänzlich ins Private zurückzuziehen. Angebote aus der Wirtschaft habe es viele gegeben.

    "Wir haben dafür gesorgt, dass in Niedersachsen die Amtsgeschäfte vernünftig übergeben worden sind. Und dann habe ich mehrere Wochen sehr intensiv nachgedacht: Was machst du jetzt im Leben? Man ist mit 42 in einem Alter, wo man noch einmal eine neue Herausforderung angehen kann. Und dann ist bei mir die Entscheidung gereift: ja, Europa reizt mich. Ich bin häufig in Brüssel gewesen, in Sachen VW-Gesetz, Agrarpolitik. Ich freue mich jetzt auf eine neue Herausforderung ab Sommer 2014 – und ich bleibe politisch in Niedersachsen verwurzelt als Landesvorsitzender."

    Enak Ferleman ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, für David McAllister aber auch ein Berater in allen Lebenslagen. Glaubt man diesem Freund aus Kindertagen, war er es, der die Gedanken auf Europa lenkte.

    "Ich gebe ehrlich zu, ich habe ihm von vornherein zu der Europakandidatur geraten. Ich halte das für genial! Er wird da einen Superlauf haben. Und da er in der Kombination Europaabgeordneter die Welt sieht, wie andere Regierungen, wie andere Länder aufgestellt sind – und auf der anderen Seite aber Landesvorsitzender der CDU Niedersachsen bleibt. Diese Kombination hält ihm alle Möglichkeiten offen."

    Gefährten wie Enak Ferleman trauen McAllister zu, in Straßburg und Brüssel zu einem politischen Schwergewicht zu reifen, das dem einflussreichen Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, von der SPD Paroli bieten könnte. Er ist noch immer so etwas wie eine Zukunftshoffnung der Bürgerlichen. Weltgewandt, lernfähig – und mit dem Zauber der Jugend gesegnet.

    "Europa ist für viele Menschen von Schweden bis Zypern zu einer Selbstverständlichkeit geworden. So viele Sachen 'are taken for granted', wie der Engländer sagt. Eines beobachte ich mit Sorge. In einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden bei der nächsten Europawahl Kräfte stärker werden, die das jetzige Europa ablehnen. Die verächtlich über Europa reden. Ich denke an das Erstarken des Front national in Frankreich, ich denke an UKIP (United Kingdom Independence Party) in Großbritannien. Umso wichtiger ist, dass in Deutschland wir starke Delegationen der pro-europäischen demokratischen Parteien entsenden."