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Abbas reist nach Berlin
In Ramallah kocht die Wut

Unter jungen Palästinenser in Ramallah wächst die Unzufriedenheit mit der PLO-Führung. Sie empfinden die Autonomiebehörde als repressives System und fordern einen Bruch mit Präsident Mahmud Abbas. Dafür gehen sie auch auf die Straße.

Von Torsten Teichmann |
    Palästinenserpräsident Mahmud Abbas
    Immer mehr junge Palästinenser sind unzufrieden mit Präsident Mahmud Abbas (BELGA)
    Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcke. Palästinensische Sicherheitsbeamte schlagen einen Protest in Ramallah nieder. Die jungen Demonstranten, Männer und Frauen hatten ein Ende der Sicherheitszusammenarbeit mit Israel verlangt. Und sie forderten den Rücktritt von Präsident Abbas.
    Wer so offen spricht, riskiert etwas in Ramallah, erklärt Saed Karzoun:
    "Wenn du offen sprichst, können sie dir dein Gehalt streichen. Sie können dich bestrafen, nicht nur mit Schlägen oder Gefängnis, da gibt es unterschiedliche Wege. Und deshalb sagen viele junge Palästinenser, ich kümmere mich um mein Privatleben, die Gesellschaft ist mir egal."
    Facebook statt PLO
    Es ist der Rückzug ins Private. Keiner wisse mehr, wann die PLO gegründet wurde, aber jeder kenne Facebook-Gründer Zuckerberg, kommentiert Saed die Entwicklung.
    Der 31-Jährige nimmt selbst nicht an Demonstrationen teil. Er ist Stipendiat der deutschen Adenauer-Stiftung. Er hat die Hoffnung auf Veränderung noch nicht aufgegeben. Er hat eine App entwickelt, die Behörden in Verantwortung nimmt. Und er hält Vorträge:
    "Ich will etwas in den Schulen erreich. Deshalb spreche ich mit Kindern. Denn dort wird den Kindern gesagt, es gibt keine Hoffnung für dich. Du kannst nur heiraten, eine Frau, die dir das Haus putzt. Aber das ist nicht das, was wir uns wünschen."
    Aber auch Saed kennt die Wut. Er beschreibt die Autonomiebehörde als repressives System, dass junge Palästinenser - die größte Gruppe der Gesellschaft - vernachlässigt.
    Privater Konsum auf Kredit
    Keine Beteiligung an der Politik - Wahlen zum Studentenrat werden annulliert, wenn Abbas das Ergebnis nicht passt. Wenig Jobs - die Arbeitslosigkeit liegt im von Israel besetzten Westjordanland bei 16 Prozent. Keine Aussicht auf ein Ende der israelischen Besatzung. Stattdessen hat die Regierung mithilfe der Banken den Konsum angekurbelt: Junge palästinensische Familien kaufen auf Kredit:
    "Wie leicht kann man ein Auto kaufen, wie leicht ein Haus. Aber am Ende des Monats hast du kein Gehalt, um das zu bezahlen. Es wird darüber gesprochen, wie die palästinensische Regierung die Menschen auf diese Art kontrolliert. Denn die Menschen werden nicht mehr demonstrieren oder Rechte einfordern, sie denken nur noch an ihr Einkommen."
    Der Widerstand wächst
    Als Gegenbewegung entsteht eine Gruppe junger Palästinenser, die anders als Saed einen Bruch mit Abbas und dessen Politik verlangt. Sie werfen dem Präsidenten vor, die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel diene vor allem seinem Machterhalt. Sie wehren sich gegen Übergriffe der palästinensischen Sicherheitskräfte auch mit Gewalt.
    Diesen innenpolitischen Konflikt sollte die Bundesregierung bei Abbas' Besuch in Berlin ansprechen, schlägt der Chef des Büros der Adenauer Stiftung in Ramallah, Marc Frings vor. Dahinter steckt der Gedanke, dass Abbas das Problem nicht allein mit noch mehr Härte lösen kann:
    "Das kann irgendwann zu mehr Gewalt führen, auch strukturierter Gewalt. Folglich gilt es auch darüber zu sprechen, das innenpolitische Herausforderungen bearbeitet werden müssen. Nur ein innergesellschaftlicher Frieden kann auch dazu führen, dass Frieden mit den Nachbarn gemacht wird."
    Die Gewalt der Polizei gegen den Protest der jungen Palästinenser in Ramallah soll immerhin untersucht werden, heißt es. Nachdem ein Sprecher der palästinensischen Sicherheitskräfte die Demonstranten zunächst als Agenten bezeichnet hatte, die im Interesse des Auslands handeln.