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Abbaubare Nanoröhrchen

Biologie. - In die Nanotechnik setzen viele große Hoffnungen. Andere wiederum warnen vor unerwünschten Nebenwirkungen. So berichteten US-Forscher, dass Kohlenstoff-Nanoröhrchen bei Testmäusen Entzündungen in der Lunge hervorriefen. Schwedische Forscher haben jetzt nachgewiesen, dass körpereigene Fresszellen durchaus mit Nanoröhrchen fertig werden können.

Von Christine Westerhaus | 09.04.2010
    Myeloperoxidase ist eigentlich ein Enzym, das den Zellen unseres Immunsystems dabei hilft, Krankheitserreger abzutöten. Es ist in hohen Konzentrationen in so genannten neutrophilen Granulozyten enthalten, die zu den Fresszellen gehören. Diese Bakterienkiller können es aber auch mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen aufnehmen.

    "Wir konnten zeigen, dass das Enzym Myeloperoxidase Kohlenstoffnanoröhrchen im Reagenzglas abbauen kann, wenn wir Wasserstoffperoxid hinzufügen. Beide Substanzen sind auch in den neutrophilen Granulozyten enthalten. Außerdem haben wir das Ganze in Zellkulturen getestet und konnten nachweisen, dass ebendiese Granulozyten Kohlenstoffnanoröhrchen aufnehmen und abbauen können."

    Bengt Fardeel von der Königlich-technischen Hochschule in Stockholm. Besonders effektiv war dieser Abbau, wenn die Forscher die Nanoröhrchen vorher mit Antikörpern behandelten. Ein derart markiertes Nanoteilchen-Gemisch bauten die Fresszellen innerhalb von zwölf Stunden komplett ab. Auch bei der Immunabwehr im menschlichen Körper spielen Antikörper eine entscheidende Rolle: Sie haften sich an Krankheitserreger an und markieren sie damit für Fresszellen als fremd. Die nun im Fachjournal "Nature Nanotechnology" veröffentlichten Ergebnisse widersprechen jedoch den Beobachtungen, die amerikanische Forscher im vorigen Jahr bei Mäusen gemacht haben. Sie stellten damals fest, dass eingeatmete Nanoröhrchen bei den Nagern schwere Entzündungen hervorriefen. Fardeel:

    "Man kann sich fragen, warum der Abbaumechanismus, den wir beobachtet haben, bei dieser Studie nicht funktionierte. Vielleicht war die Dosis der verabreichten Nanoröhrchen einfach zu hoch. Es könnte aber auch sein, dass das Immunsystem der Mäuse nicht in der Lage war, diese Fremdkörper als fremd zu erkennen. Also spielt es vermutlich eine entscheidende Rolle, dass Nanoröhrchen vorher mit Hilfe von Antikörpern markiert werden müssen, damit sie abgebaut werden können."

    Bengt Fardeel und seine Kollegen verwendeten in ihren Versuchen zudem relativ kurze und nur einwandige Nanoröhrchen. Die Mäuse in der amerikanischen Studie hatten dagegen längere und mehrwandige Nanoröhrchen eingeatmet.

    "Nach unserem jetzigen Wissen können wir schlussfolgern, dass lange Nanoröhrchen gefährlicher sind als kurze. Wenn man sie also in der medizinischen Behandlung einsetzen will, beispielsweise um damit Wirkstoffe in den Körper einzuschleusen, sollte man lieber kürzere Nanoröhrchen verwenden. Zum anderen zeigen unsere Ergebnisse, dass man Nanoröhrchen möglicherweise mit Antikörpern versehen könnte, um sie leichter abbaubar zu machen."

    Bisher haben Bengt Fadeel und seine Kollegen nur in Laborversuchen zeigen können, dass menschliche Immunzellen Nanoröhrchen abbauen können. Im nächsten Schritt testen sie nun, ob dies auch im Körper von Mäusen funktioniert. Dabei werden sie normale Mäuse vergleichen mit Mäusen, die das Enzym Myeloperoxidase nicht produzieren können. Fardeel:

    "Man sollte Nanoröhrchen weiterhin als potenziell gefährlich betrachten. Doch wir haben gezeigt, dass es Möglichkeiten gibt, damit umzugehen."