"Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg. Die Gipfel und hohen Bergflächen im Schnee, die Täler hinunter, graues Gestein, grüne Flächen und Tannen."
Es ist eine beschwerliche Wanderung, mit der Georg Büchner seine Novelle "Lenz" beginnt. Welchen Weg Lenz im Jahre 1778 nach Waldersbach genommen hat, ist unklar. Wir nähern uns dem Steintal heute mit dem Zug. Gerade mal eine Stunde dauert die Fahrt von Straßburg nach Fouday. Die Gegend scheint eine gewisse Abgeschiedenheit bewahrt zu haben. Schon bald tauchen vor dem Zugfenster schneebedeckte Berge auf, Sägewerke zeugen von ordentlichen Waldbeständen.
Vom Bahnhof sind es nur wenige Schritte bis zur protestantischen Kirche von Fouday. Hier auf dem Friedhof befindet sich das Grab des Pfarrers Johann Friedrich Oberlins: "Papa Oberlin" steht auf dem schlichten Eisenkreuz geschrieben. Wie kaum ein anderer hat er im 18. Jahrhundert das bis dahin so isolierte Steintal verändert: als Pfarrer, aber auch als Pädagoge, Naturwissenschaftler und Initiator von Wegen und Bauwerken, wie etwa der Brücke der Barmherzigkeit einige Kilometer außerhalb von Fouday. Für uns geht es nun in eine andere Richtung, wir wollen nach Waldersbach. Am Rande von Fouday beginnt der Oberlin-Weg. Vorbei an den letzten Häusern steigt der Pfad langsam an. Aus dem Tal ist das Rauschen des kleinen Flusses Schirgoutte zu hören, das sich mit den Straßengeräuschen dort unten vermischt. Der Schnee wird nun tiefer, das Vorankommen anstrengender. Kahle Laubwälder wechseln sich mit Tannen ab. Man fühlt sich allmählich in eine Lenz-Stimmung versetzt.
"Es war nasskalt; das Wasser rieselte die Felsen hinunter und sprang über den Weg. Die Äste der Tannen hingen schwer herab in die feuchte Luft. Am Himmel zogen graue Wolken, aber alles so dicht - und dann dampfte der Nebel herauf, so schwer und feucht durch das Gesträuch, so träg, so plump. Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts am Weg, bald auf-, bald abwärts. Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte."
Doch anders als in Büchners Lenz-Erzählung läuft es sich an diesem Tag auf dem Oberlin-Weg recht unbeschwert. Die Sonne strahlt, der Himmel ist blau, ein wunderbarer Vorfrühlingstag. Auf Höhe eines Baches treffen wir auf zwei Spaziergänger. Von Büchners Lenz-Novelle habe sie noch nichts gehört, sagt Sylvie Risser. Ihr erscheine die Gegend sehr isoliert. Und Bernard Guillotin fügt hinzu:
"Für mich ist das hier wie Schuberts 'Winterreise'. Im Schnee stapfen - das ist doch echt hart!"
Nach rund einer halben Stunde geht der Weg langsam abwärts. In der Ferne tauchen die Häuser von Waldersbach auf. Friedlich liegt das Dorf mit seinen 140 Einwohnern zur Mittagszeit da. Vor vielen der zusammengeduckten Häuser türmen sich schneebedeckte Holzstapel auf. Kurz hinter der kleinen weißen Kirche auf dem Hügel steht das ehemalige Pfarrhaus, das Lenz am Abend des 20. Januars 1778 erreichte. Statt Oberlin begrüßt uns heute das Rentnerehepaar Scheidecker. Im Flur bollert ein Ofen, eine Katze huscht vorbei. Die 72-jährige Georgette Scheidecker bittet ins holzgetäfelte Wohnzimmer, während das Enkelkind mit ihrem Gatten in der Küche spielt:
"Ich weiß, dass Lenz ein Freund von Oberlin war, der versuchte, ihm zu helfen. Lenz hat damals in diesem Haus gewohnt, im Zimmer über uns. Angeblich hat er sich von dort oben in einem Moment der tiefsten Verzweiflung aus dem Fenster gestürzt, mitten in den Brunnen rein. Aber das kann ich mir nicht vorstellen, der Brunnen war ja einige Meter vom Fenster entfernt!"
Mme Scheidecker räumt ein, Büchners Lenz-Novelle nicht gelesen zu haben. In dem Text taucht einer ihrer Vorfahren auf: Sebastian Scheidecker, damals Schullehrer im Nachbardorf Bellefosse und ein enger Freund von Oberlin. Als Lenz' Selbsttötungsfantasien stärker wurden, bat Oberlin seinen Freund Sebastian Scheidecker, auf Lenz aufzupassen. Georgette Scheidecker:
"Es kommt immer wieder vor, dass deutsche Touristen bei uns vor der Tür stehen. Die wollen dann das Zimmer von Lenz sehen. Aber das hier ist nun mal kein Museum, sondern ein Privathaus und darum bieten wir hier auch keine Führungen an."
Auch wir können das Zimmer von außen nur hinter dem Fenster im 1. Stock erahnen. Davor plätschert ein Brunnen vor sich, in den sich Lenz während seines Aufenthaltes immer wieder nachts gestürzt hat, wie es Oberlin später in seinen Aufzeichnungen beschrieben hat. Gleich gegenüber befindet sich das Oberlin-Museum, das sich dem Wirken des Pfarrers im Steintal widmet. Viele der deutschen Museumsbesucher kämen jedoch vor allem wegen der Lenz-Erzählung hierher, erzählt Caroline Fellrath vom Oberlin-Museum. Manche wollten dessen Aufenthalt geradezu nachfühlen:
"Ich glaube, dass es schon Besucher gibt, die das schaffen. Letzte Woche war eine Gruppe hier, da sind viele mit dem Büchnertext rumgelaufen, um die Landschaft und die Mauern der Gebäude zu betrachten. Aber nein, sie stürzen sich nicht in den Brunnen, das ist, glaube ich nicht nötig."
Drei Wochen lang blieb Lenz damals in Waldersbach. Momente der inneren Ruhe, die er beim Pastor Oberlin fand, wechselten sich ab mit Gefühlen tiefster Verzweiflung und Wahnsinn.
"Die Welt war ihm helle gewesen, und er spürte den Abgrund, zu dem ihn eine unerbittliche Gewalt hinriss. Er wühlte jetzt in sich. Er aß wenig; halbe Nächte im Gebet und in fieberhaften Träumen. Ein gewaltsames Drängen, und dann erschöpft zurückgeschlagen; er lag in den heißesten Träumen. Und dann bekam er plötzlich eine Stärke und erhob sich kalt und gleichgültig; seine Tränen waren ihm dann wie Eis, er musste lachen. Je höher er sich Aufriss, desto tiefer stürzte er hinunter."
Immer wieder zog Lenz in Waldersbach umher oder streifte ziellos durchs Gebirge. Die schroffe, karge Berglandschaft, die in Büchners Erzählung häufig im Nebel versinkt, spiegelt Lenz' innere Zerrissenheit wider.
James Cloyd: "Im Winter ist es hier zu kalt, da halten wir die Gottesdienste im Pfarrhaus ab, wo es wärmer ist. Hier in der Kirche haben wir nur einen Holzofen.""
James Cloyd ist Mitte 40 und trägt schwarze Freizeitkleidung, Turnschuhe und auf dem Kopf eine Wollmütze. Cloyd stammt aus dem amerikanischen Colorado und hat in Straßburg Theologie studiert. Seit 2008 ist er der Pfarrer in Waldersbach. Auch Lenz hat in dieser Kirche eine Predigt gehalten. Viel verändert hat sich in dem kleinen weißen Gebäude seitdem nicht, glaubt Pfarrer Cloyd:
"Die Kirche ist von 1748. Davor gab es hier aber schon eine andere Kirche. Der Boden ist aus Stein. "
Dann läuft Pfarrer Cloyd zum anderen Ende der kleinen Kirche und öffnet die Tür. Vor der Kirche erhebt sich ein Lindenbaum.
"Der Baum dürfte mindestens so alt wie die Kirche sein und steht jetzt unter Schutz. Aber der Baum wächst immer noch! Einige Wurzeln reichen unter die Kirche und mussten abgeschnitten werden, weil sie die Bodenfliesen anheben."
Auch Pfarrer Cloyd kennt die Geschichte von Lenz. Er ist sich nicht sicher, ob sein Ur-Vorgänger dem jungen Dichter wirklich helfen konnte. Und dann sagt Cloyd, dass er in der Gegend unheimlich gerne wandern gehe - und dass die Landschaft und das Wetter wie bei Lenz auch auf ihn einen großen Eindruck machten:
"Wenn ich mich entspannen will oder runterkommen möchte, dann gehe ich einfach raus zur Tür und zehn Minuten später bin ich im Wald und in den Bergen. Der Körper ist in Bewegung - und gleichzeitig beruhigt sich der Kopf. Aber was ich wohl am meisten an meiner Heimat vermisse: In Colorado regnet es einfach nicht so viel!"
Auch uns zieht es nun wieder raus ins Gebirge. Wir lassen Waldersbach hinter uns und nehmen den Weg in Richtung Belmont. Steil steigt der Pfad nun an, immer wieder bieten sich beeindruckende Blicke ins Steintal hinab. Nach den Tannenwäldern erreichen wir ein Plateau. Wie eine kleine Allee erheben sich neben dem Weg mächtige Eichen. Uns zieht es noch weiter hinauf. Die Häuser von Belmont tauchen in der Ferne auf. Vor einem Holzstapel setzen wir uns hin und drehen uns um. Der Blick wandert in die Ferne. Vor uns ein schneebedecktes Feld, dahinter öffnet sich das Tal. Wir denken an Lenz.
"Wenn der Sturm das Gewölk abwärts trieb und einen lichtblauen See hineinriss und dann der Wind verhallte und tief unten aus den Schluchten, aus den Wipfeln der Tannen wie ein Wiegenlied und Glockengeläute heraufsummte, und am tiefen Blau ein leises Rot hinaufklomm und kleine Wölkchen auf silbernen Flügeln durchzogen, und alle Berggipfel, scharf und fest, weit über das Land hin glänzten und blitzten - riss es ihm in der Brust, er stand, keuchend, den Leib vorwärts gebogen, Augen und Mund weit offen, er meinte, er müsse den Sturm in sich ziehen, alles in sich fassen, er dehnte sich aus und lag über der Erde, er wühlte sich in das All hinein, es war eine Lust, die ihm wehe tat ..."
Es ist eine beschwerliche Wanderung, mit der Georg Büchner seine Novelle "Lenz" beginnt. Welchen Weg Lenz im Jahre 1778 nach Waldersbach genommen hat, ist unklar. Wir nähern uns dem Steintal heute mit dem Zug. Gerade mal eine Stunde dauert die Fahrt von Straßburg nach Fouday. Die Gegend scheint eine gewisse Abgeschiedenheit bewahrt zu haben. Schon bald tauchen vor dem Zugfenster schneebedeckte Berge auf, Sägewerke zeugen von ordentlichen Waldbeständen.
Vom Bahnhof sind es nur wenige Schritte bis zur protestantischen Kirche von Fouday. Hier auf dem Friedhof befindet sich das Grab des Pfarrers Johann Friedrich Oberlins: "Papa Oberlin" steht auf dem schlichten Eisenkreuz geschrieben. Wie kaum ein anderer hat er im 18. Jahrhundert das bis dahin so isolierte Steintal verändert: als Pfarrer, aber auch als Pädagoge, Naturwissenschaftler und Initiator von Wegen und Bauwerken, wie etwa der Brücke der Barmherzigkeit einige Kilometer außerhalb von Fouday. Für uns geht es nun in eine andere Richtung, wir wollen nach Waldersbach. Am Rande von Fouday beginnt der Oberlin-Weg. Vorbei an den letzten Häusern steigt der Pfad langsam an. Aus dem Tal ist das Rauschen des kleinen Flusses Schirgoutte zu hören, das sich mit den Straßengeräuschen dort unten vermischt. Der Schnee wird nun tiefer, das Vorankommen anstrengender. Kahle Laubwälder wechseln sich mit Tannen ab. Man fühlt sich allmählich in eine Lenz-Stimmung versetzt.
"Es war nasskalt; das Wasser rieselte die Felsen hinunter und sprang über den Weg. Die Äste der Tannen hingen schwer herab in die feuchte Luft. Am Himmel zogen graue Wolken, aber alles so dicht - und dann dampfte der Nebel herauf, so schwer und feucht durch das Gesträuch, so träg, so plump. Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts am Weg, bald auf-, bald abwärts. Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte."
Doch anders als in Büchners Lenz-Erzählung läuft es sich an diesem Tag auf dem Oberlin-Weg recht unbeschwert. Die Sonne strahlt, der Himmel ist blau, ein wunderbarer Vorfrühlingstag. Auf Höhe eines Baches treffen wir auf zwei Spaziergänger. Von Büchners Lenz-Novelle habe sie noch nichts gehört, sagt Sylvie Risser. Ihr erscheine die Gegend sehr isoliert. Und Bernard Guillotin fügt hinzu:
"Für mich ist das hier wie Schuberts 'Winterreise'. Im Schnee stapfen - das ist doch echt hart!"
Nach rund einer halben Stunde geht der Weg langsam abwärts. In der Ferne tauchen die Häuser von Waldersbach auf. Friedlich liegt das Dorf mit seinen 140 Einwohnern zur Mittagszeit da. Vor vielen der zusammengeduckten Häuser türmen sich schneebedeckte Holzstapel auf. Kurz hinter der kleinen weißen Kirche auf dem Hügel steht das ehemalige Pfarrhaus, das Lenz am Abend des 20. Januars 1778 erreichte. Statt Oberlin begrüßt uns heute das Rentnerehepaar Scheidecker. Im Flur bollert ein Ofen, eine Katze huscht vorbei. Die 72-jährige Georgette Scheidecker bittet ins holzgetäfelte Wohnzimmer, während das Enkelkind mit ihrem Gatten in der Küche spielt:
"Ich weiß, dass Lenz ein Freund von Oberlin war, der versuchte, ihm zu helfen. Lenz hat damals in diesem Haus gewohnt, im Zimmer über uns. Angeblich hat er sich von dort oben in einem Moment der tiefsten Verzweiflung aus dem Fenster gestürzt, mitten in den Brunnen rein. Aber das kann ich mir nicht vorstellen, der Brunnen war ja einige Meter vom Fenster entfernt!"
Mme Scheidecker räumt ein, Büchners Lenz-Novelle nicht gelesen zu haben. In dem Text taucht einer ihrer Vorfahren auf: Sebastian Scheidecker, damals Schullehrer im Nachbardorf Bellefosse und ein enger Freund von Oberlin. Als Lenz' Selbsttötungsfantasien stärker wurden, bat Oberlin seinen Freund Sebastian Scheidecker, auf Lenz aufzupassen. Georgette Scheidecker:
"Es kommt immer wieder vor, dass deutsche Touristen bei uns vor der Tür stehen. Die wollen dann das Zimmer von Lenz sehen. Aber das hier ist nun mal kein Museum, sondern ein Privathaus und darum bieten wir hier auch keine Führungen an."
Auch wir können das Zimmer von außen nur hinter dem Fenster im 1. Stock erahnen. Davor plätschert ein Brunnen vor sich, in den sich Lenz während seines Aufenthaltes immer wieder nachts gestürzt hat, wie es Oberlin später in seinen Aufzeichnungen beschrieben hat. Gleich gegenüber befindet sich das Oberlin-Museum, das sich dem Wirken des Pfarrers im Steintal widmet. Viele der deutschen Museumsbesucher kämen jedoch vor allem wegen der Lenz-Erzählung hierher, erzählt Caroline Fellrath vom Oberlin-Museum. Manche wollten dessen Aufenthalt geradezu nachfühlen:
"Ich glaube, dass es schon Besucher gibt, die das schaffen. Letzte Woche war eine Gruppe hier, da sind viele mit dem Büchnertext rumgelaufen, um die Landschaft und die Mauern der Gebäude zu betrachten. Aber nein, sie stürzen sich nicht in den Brunnen, das ist, glaube ich nicht nötig."
Drei Wochen lang blieb Lenz damals in Waldersbach. Momente der inneren Ruhe, die er beim Pastor Oberlin fand, wechselten sich ab mit Gefühlen tiefster Verzweiflung und Wahnsinn.
"Die Welt war ihm helle gewesen, und er spürte den Abgrund, zu dem ihn eine unerbittliche Gewalt hinriss. Er wühlte jetzt in sich. Er aß wenig; halbe Nächte im Gebet und in fieberhaften Träumen. Ein gewaltsames Drängen, und dann erschöpft zurückgeschlagen; er lag in den heißesten Träumen. Und dann bekam er plötzlich eine Stärke und erhob sich kalt und gleichgültig; seine Tränen waren ihm dann wie Eis, er musste lachen. Je höher er sich Aufriss, desto tiefer stürzte er hinunter."
Immer wieder zog Lenz in Waldersbach umher oder streifte ziellos durchs Gebirge. Die schroffe, karge Berglandschaft, die in Büchners Erzählung häufig im Nebel versinkt, spiegelt Lenz' innere Zerrissenheit wider.
James Cloyd: "Im Winter ist es hier zu kalt, da halten wir die Gottesdienste im Pfarrhaus ab, wo es wärmer ist. Hier in der Kirche haben wir nur einen Holzofen.""
James Cloyd ist Mitte 40 und trägt schwarze Freizeitkleidung, Turnschuhe und auf dem Kopf eine Wollmütze. Cloyd stammt aus dem amerikanischen Colorado und hat in Straßburg Theologie studiert. Seit 2008 ist er der Pfarrer in Waldersbach. Auch Lenz hat in dieser Kirche eine Predigt gehalten. Viel verändert hat sich in dem kleinen weißen Gebäude seitdem nicht, glaubt Pfarrer Cloyd:
"Die Kirche ist von 1748. Davor gab es hier aber schon eine andere Kirche. Der Boden ist aus Stein. "
Dann läuft Pfarrer Cloyd zum anderen Ende der kleinen Kirche und öffnet die Tür. Vor der Kirche erhebt sich ein Lindenbaum.
"Der Baum dürfte mindestens so alt wie die Kirche sein und steht jetzt unter Schutz. Aber der Baum wächst immer noch! Einige Wurzeln reichen unter die Kirche und mussten abgeschnitten werden, weil sie die Bodenfliesen anheben."
Auch Pfarrer Cloyd kennt die Geschichte von Lenz. Er ist sich nicht sicher, ob sein Ur-Vorgänger dem jungen Dichter wirklich helfen konnte. Und dann sagt Cloyd, dass er in der Gegend unheimlich gerne wandern gehe - und dass die Landschaft und das Wetter wie bei Lenz auch auf ihn einen großen Eindruck machten:
"Wenn ich mich entspannen will oder runterkommen möchte, dann gehe ich einfach raus zur Tür und zehn Minuten später bin ich im Wald und in den Bergen. Der Körper ist in Bewegung - und gleichzeitig beruhigt sich der Kopf. Aber was ich wohl am meisten an meiner Heimat vermisse: In Colorado regnet es einfach nicht so viel!"
Auch uns zieht es nun wieder raus ins Gebirge. Wir lassen Waldersbach hinter uns und nehmen den Weg in Richtung Belmont. Steil steigt der Pfad nun an, immer wieder bieten sich beeindruckende Blicke ins Steintal hinab. Nach den Tannenwäldern erreichen wir ein Plateau. Wie eine kleine Allee erheben sich neben dem Weg mächtige Eichen. Uns zieht es noch weiter hinauf. Die Häuser von Belmont tauchen in der Ferne auf. Vor einem Holzstapel setzen wir uns hin und drehen uns um. Der Blick wandert in die Ferne. Vor uns ein schneebedecktes Feld, dahinter öffnet sich das Tal. Wir denken an Lenz.
"Wenn der Sturm das Gewölk abwärts trieb und einen lichtblauen See hineinriss und dann der Wind verhallte und tief unten aus den Schluchten, aus den Wipfeln der Tannen wie ein Wiegenlied und Glockengeläute heraufsummte, und am tiefen Blau ein leises Rot hinaufklomm und kleine Wölkchen auf silbernen Flügeln durchzogen, und alle Berggipfel, scharf und fest, weit über das Land hin glänzten und blitzten - riss es ihm in der Brust, er stand, keuchend, den Leib vorwärts gebogen, Augen und Mund weit offen, er meinte, er müsse den Sturm in sich ziehen, alles in sich fassen, er dehnte sich aus und lag über der Erde, er wühlte sich in das All hinein, es war eine Lust, die ihm wehe tat ..."