Der Breitensport steht still in Deutschland. Hallen und Sportplätze sind geschlossen, Saisons werden abgebrochen. Auch der Deutsche Tischtennisbund (DTTB) gab am Mittwoch bekannt, dass es im laufenden Spieljahr keine Mannschaftswettkämpfe mehr geben soll und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Denn der Verband hat angeordnet, dass einfach "die Tabelle zum Zeitpunkt der jeweiligen Aussetzung der Spielzeit als Abschlusstabelle" gewertet werde. Und damit über Meisterschaften, Aufstiege und Abstiege entscheidet. Das empfinden viele der Sportler als zutiefst ungerecht.
Welle der Empörung
Es ist eine Welle der Empörung, die sich Mitte der Woche über die Verantwortlichen des Deutschen Tischtennis-Bundes ergießt. Der DTTB hat den Abbruch der laufenden Saison beschlossen, woraufhin in den Sozialen Netzwerken Fotos von bizarren Tabellen kursieren. Mit Meistern, die nur auf Platz Eins stehen, weil sie vier, fünf Spiele mehr absolviert haben als die Zweit- oder Drittplatzierten. Und mit Teams, die sich aus dem gleichen Grund vor dem Abstieg retten konnten.
"Ganz ehrlich: Ich habe Kritik erwartet, ich habe auch harte Kritik erwartet. Aber das ist ein echter Shitstorm, der da jetzt gekommen ist", sagt Heike Ahlert, die für den Leistungssport zuständige Vizepräsidentin des DTTB, die die Gestaltung des Saisonabbruchs von Anfang an begleitet hat.
14 Siege aber doch kein Meister
Während andere Spielsportarten ihre Entscheidungen über den Umgang mit dieser angefangenen Saison möglichst weit hinauszögern, haben die Tischtennis-Funktionäre Tatsachen geschaffen, und damit kleinen, kaum bekannten Teams, zu einer ungewohnten Berühmtheit verholfen.
Zum Beispiel der zweiten Herrenmannschaft des MTV Goslar. Das Team schließt die Saison mit 22:0 Punkten als Dritter ab, während der Meister, der MTV Bettingerode II, 25:7 Punkte hat. Dass gerade dieser Fall nun Gegenstand heftiger Diskussionen auf Facebook ist, hat den Goslaer Hobbyspieler Huschang Mehl "ein bisschen amüsiert natürlich. Na klar ist es bei uns relativ extrem, aber der DTTB hätte an der Stelle glaube ich entscheiden können, was er will, es hätte immer welche getroffen, die das nicht gut finden."
So hat die zweite Herrenmannschaft des SV Teutonia Sorsum all ihre 14 Saisonspiele gewonnen, Meister ist aber die TTG Hönnersum. Kein Wunder, dass die Sportler verärgert waren. Doch Herbert Rüth, der Leiter der Tischtennisabteilung des Klubs aus Hildesheim, nimmt den DTTB in Schutz.
"Unsere 2. Herren waren anfangs enttäuscht. Die sind mit Abstand Herbstmeister gewesen, haben immer noch null Verlustpunkte. Jetzt steht ein Tabellenführer in der Staffel, der fünf Verlustpunkte hat, nur weil er mehr Spiele hatte. Da kam anfangs schon ein bisschen, ich will nicht sagen Frust, aber Unzufriedenheit alleine von der Tabellensituation her auf. Aber ich trage es einfach mit. Weil ich finde: Wer in der Situation ist, so etwas zu entscheiden, der ist nicht um diesen Job zu beneiden."
Nachsicht bei den Aufsteigern
Nach der ersten Empörung haben sich viele Gemüter beruhigt, weil der Verband am frühen Donnerstagabend ein paar präzisierende Erklärungen veröffentlicht hat. Um die Wucht von Härtefällen wie jenen von Sorsum abzufedern, steigen nun in vielen Ligen und Staffeln auch Zweitplatzierte auf. Die hätten sonst eine Relegation absolvieren müssen.
Die Tableaus vom 13. März zur Abschlusstabelle zu erklären, finden dennoch viele Spielerinnen und Spieler falsch. So wie Catharina Wandrey vom Kieler TTK Grün-Weiß, der in der viertklassigen Regionalliga wegen einer zu wenig absolvierten Partie nicht Meister wurde.
"Die Entscheidung so wie sie gefällt wurde war extrem überraschend für uns. Ja, dass wirklich zum 30.3. abgebrochen wird und dann die Tabelle gewertet wird, damit hätten wir nie gerechnet", erzählt Wandrey, deren Team sich allerdings schon vor der Coronakrise entschlossen hatte, im Falle der Meisterschaft auf den Aufstieg zu verzichten. Der Aufwand wäre in der dritten Liga zu groß für die Hobbyspielerinnen. Aber das Vorgehen des DTTB kann Wandrey nur schwer nachvollziehen.
"Die Begründungen an sich, die wirken auf uns sehr juristisch getroffen. Unter dem Aspekt, dass wirklich rechtlich und juristisch das Ganze nicht angreifbar ist. Und ich finde, ein bisschen der sportliche Aspekt und das Hineinversetzen in die Lage der Mannschaften ist ein bisschen außen vor geblieben bei der Entscheidung."
Hat der DTTB vorschnell agiert?
Tatsächlich argumentiert die Vizepräsidentin Heike Ahlert mit dem Regelwerk, wenn sie das Vorgehen begründet. Sie spricht von den Vorgaben der Spielordnung, von Wechselterminen für Spielerinnen und Spieler, von Meldefristen und der Vorschrift, dass der Spielbetrieb bis zum 20. Mai beendet sein müsse.
Der Deutsche Fußball-Bund hat gerade genau solche Vorgaben für die Krisenzeit außer Kraft gesetzt, um flexible Lösungen möglich zu machen. Das sei beim DTTB nicht realisierbar gewesen, aus rechtlichen Gründen, erklärt Ahlert.
"Wir haben unseren Justiziar befragt, das ist richtig. Aber wir können einfach nicht außerhalb der Wettspielordnung agieren, jedenfalls nicht im Gesamtpaket. Wenn man für Einzelfälle etwas anderes entscheidet, mag man das Risiko im Einzelfall eingehen können. Aber wir können es nicht insgesamt eingehen. Weil da für viele Vereine auch finanzielle Unwägbarkeiten damit verbunden sind."
Ahlert sagt, sie hätte sich dennoch auch eine Lösung mit einer Wertung der Hinrundentabelle vorstellen können, dann wären aber nach Verbandsangaben rund 35 Prozent aller in diesem Spieljahr beendeten Wettkämpfe ungültig geworden. Das habe man nicht gewollt. Daher habe man die jetzige Entscheidung getroffen, deren einziger Nachteil das Problem mit der unterschiedlichen Anzahl absolvierter Partien sei.
Die Viertligaspielerin Wandrey aus Kiel sieht das allerdings "überhaupt nicht so. Da kommt nämlich noch ein ganz entscheidender Nachteil hinzu. Und das ist die Tatsache, dass die Mannschaften gegen komplett unterschiedliche Teams gespielt haben. Gegen Mannschaften aus dem Abstiegsbereich gehen die Spiele extrem klar aus, und deshalb ist es ein großer Unterschied, gegen welche Mannschaften man gespielt hat."
Die Viertligaspielerin Wandrey aus Kiel sieht das allerdings "überhaupt nicht so. Da kommt nämlich noch ein ganz entscheidender Nachteil hinzu. Und das ist die Tatsache, dass die Mannschaften gegen komplett unterschiedliche Teams gespielt haben. Gegen Mannschaften aus dem Abstiegsbereich gehen die Spiele extrem klar aus, und deshalb ist es ein großer Unterschied, gegen welche Mannschaften man gespielt hat."
Manches deutet darauf hin, dass der DTTB mit dem Vorsatz, möglichst schnell Sicherheit zu schaffen, etwas vorschnell agiert hat. Aber womöglich steht die Sportart vor Problemen, die gravierender sind, als ein paar schiefe Abschlusstabellen, die kritisch kommentiert werden.
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