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Abchasien
Umsturz an Russlands Grenze

An der russisch-georgischen Grenze liegt Abchasien, das sich selbst mithilfe Russlands für unabhängig erklärt hat. Nun stürmten dort Demonstranten den Präsidentenpalast und zwangen führende Politiker zum Rücktritt. Der Vergleich mit der Ukraine hinkt allerdings - nicht zuletzt, da der Interimspräsident die Krise schon wieder für beendet erklärt hat.

Von Gesine Dornblüth | 03.06.2014
    Unterstüzer der Opposition protestieren vor dem Büro von Präsident Ankvab.
    Unterstüzer der Opposition protestieren vor seinem Büro gegen Präsident Ankvab. (picture alliance / dpa / Lebedev Artur)
    Ein Name war schnell gefunden. Beobachter sprachen von einer "Mandarinenrevolution" in Abchasien. Die Region am Schwarzen Meer ist, außer für Tourismus, vor allem für ihre Zitrusfrüchte bekannt. Fünf Tage demonstrierten Anhänger der Opposition vor der Präsidialverwaltung der international nicht anerkannten Republik, besetzten das Gebäude und trieben den Hausherren, den 2011 gewählten Aleksandr Ankwab, zur Flucht auf einen russischen Militärstützpunkt. Am Sonntag schließlich gab Ankwab dem Druck der Massen nach und trat zurück.
    "Als Staatsoberhaupt trage ich die volle Verantwortung für das Schicksal des Volkes. So bleibt für mich die Hauptsache, den zivilen Frieden zu erhalten und Blutvergießen zu verhindern."
    Das Parlament Abchasiens hat seinen Vorsitzenden, Valerij Bganba, zum Übergangspräsidenten bestimmt. Ende August soll es vorgezogene Neuwahlen geben. Ein Demonstrant sagte einem russischen Fernsehteam:
    "Wir sind froh, dass wir den Tyrannen los sind. Jetzt werden wir gut leben. Und alle Russen werden bei uns Urlaub machen."
    Korruption und Subvention
    Dazu, weshalb die Menschen in Suchumi gegen den Präsidenten auf die Straße gingen, gibt es verschiedene Versionen. Zum einen spielte Protest gegen Korruption eine Rolle. Abchasien bestreitet rund zwei Drittel seines Haushalts mit Subventionen aus Russland. Bei den Menschen kommt nur wenig von dem Geld an, viele sind arbeitslos und dementsprechend unzufrieden.
    Dazu kommt eine ethnische Komponente. Als sich Abchasien vor mehr als zwanzig Jahren für unabhängig erklärte, wurden viele Georgier vertrieben. Seitdem stellen die Abchasen die größte Bevölkerungsgruppe und besetzen die politischen Ämter. Im Osten Abchasiens leben aber noch immer mehrere zigtausend Georgier. Sie orientieren sich am Mutterland Georgien. Der nun aus dem Amt gejagte Präsident Ankwab hatte versucht, diese Menschen zu integrieren, und er hatte ihnen deshalb abchasische Pässe erteilt. Offenbar hat das bei einigen Abchasen Ängste geschürt. Sie sehen die Georgier als mögliche "fünfte Kolonne".
    Aber auch Außenpolitik spielte eine Rolle. Bisher waren die Abchasen vor allem um ihre Unabhängigkeit bemüht. Die Allianz mit Russland bezeichneten sie stets als notwendiges kleineres Übel, das sie nur in Kauf nahmen, um nicht mit den Georgiern zusammenleben zu müssen. Bei den Protesten vergangene Woche tat sich nun ein dezidiert prorussischer Politiker hervor, der ehemalige Geheimdienstler Raul Chadschimba. Die Regierung Georgiens sieht denn auch den Kreml hinter den Entwicklungen in Abchasien. Staatsminister Paata Tsakareischwili sagte dem kremlkritischen russischen Fernsehsender RTVi:
    "Es gibt dort keinen Streit um Werte. Die politische Elite ist homogen. Was dort passiert, ist ein reiner Machtkampf. Und Moskau lenkt das Geschehen."
    Kein Konflikt wie in der Ukraine
    Der renommierte Südkaukasusexperte Tom de Waal vom Carnegie Zentrum sagt, die Krise in Abchasien sei mit den Ereignissen in der Ukraine nicht zu vergleichen. Es handele sich um eine lokale Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Clans. Die Gesellschaft ist von Familienstrukturen geprägt. Und so wundert es nicht, dass Übergangspräsident Bganba bereits am Montag erklärte, die Krise sei beendet – so, als wäre nichts gewesen. Es werde keine weiteren Demonstrationen geben. Die Regierung werde im Amt bleiben, lediglich der Premierminister trat zurück. Dem Ex-Präsidenten versprach Bganba Sicherheit.
    "Es wird keine Hexenjagd geben. Er ist kein Volksfeind, er hat viel getan. Er hat neue Schulen gebaut, neue Kindergärten. Die Kinder werden ihm noch dankbar sein."
    Im russischen Staatsfernsehen werden die Ereignisse in Abchasien denn auch als Beispiel dafür gelobt, wie man eine politische Krise friedlich lösen könne, ganz ohne, Zitat, "Maidane und bewaffnete Besetzungen". Russische Emissäre hatten in Abchasien vermittelt. Außenminister Sergej Lawrow:
    "Beide Seiten haben ein hohes Maß an Verantwortung bewiesen, die Interessen ihres Landes, ihres Volkes über die Interessen einzelner Politiker gestellt und staatliche Weisheit bewiesen."
    Ein Seitenhieb auf die prowestliche Führung der Ukraine, der Russland regelmäßig vorwirft, einen gewaltsamen Umsturz herbeigeführt und das Land ins Chaos gestürzt zu haben.