Der Begriff Posttraumatische Belastungsstörung, kurz PTBS, beschreibt eine psychische Erkrankung. Diagnostiziert wird sie bei Menschen, die als Soldaten gekämpft haben, die Vergewaltigungen, Folter oder andere Formen von Gewalt erlebt haben. Aber Mitarbeiter eines Internetunternehmens?
Auch sie könnnen krank werden von dem, was sie gesehen und gehört haben. Das zeigt das Beispiel der Moderatorinnen und Moderatoren von Facebook-Inhalten. Frauen und Männer, die mit ihrer Arbeit für ein besseres Internet sorgen sollen. Die verhindern sollen, dass andere Bilder sehen, die verstören. Bilder von Ermordungen, sexuellen Übergriffen und anderen menschlichen Abgründen.
Harte Aufgabe, schlecht bezahlt
Was diese Mitarbeiter genau bei ihrer Arbeit erleiden müssen, hat die US-amerikanische Technologie-Nachrichtenseite The Verge im vergangenen Jahr recherchiert. Unter der Überschrift "The Trauma Floor" werden "die geheimen Leben der Facebook-Moderatoren" am Beispiel einer Frau, Chloe genannte, beschrieben. Sie arbeitete für eine von Facebook engagierte Firma in Phoenix.
Über dreieinhalb Wochen sei sie auf ihre neue Aufgabe vorbereitet worden, habe in dieser Zeit versucht, sich zu härten für den sie erwartenden Ansturm täglicher verstörender Posts. Der Artikel zeigt auf, welche Folgen bereits die Schulungen haben – und wie groß der Druck ist, diese Emotionen auf der Arbeit zu lassen und nicht mit nach Hause zu nehmen, nicht mit anderen darüber zu sprechen. Und das für rund 25.000 Euro jährlich, gut ein Zehntel dessen, was andere durchschnittliche Facebook-Mitarbeiter verdienen, wie The Verge recherchiert hat.
Eingestellt nach der Wahl 2016
Die Frau gehörte zu einer Welle von Moderatoren, die nach den US-Präsidentschaftswahlen 2016 eingestellt wurden. Damals war Facebook dafür kritisiert worden, schädliche Inhalte nicht von der Plattform entfernt zu haben. Das Unternehmen engagierte mehrere große Beratungsfirmen, um Tausende von Auftragnehmern in den Vereinigten Staaten für diese Aufgabe zu gewinnen.
Eine dieser Niedriglöhnerinnen klagte 2018 gegen ihren Arbeitgeber und brachte damit das nun beendete Gerichtsverfahren in Gang. Ihr Vorwurf: Sie habe durch die gesehenen Inhalte nach neun Monaten eine posttraumatische Belastungsstörung davongetragen.
Wie schwer Facebook sich damit tut, illegale Inhalte von seiner Plattform zu entfernen, beobachtet Simon Hurtz schon länger. Der Digitaljournalist bei der Süddeutschen Zeitung und Autor beim Social Media Watchblog sagte im Deutschlandfunk, der US-Konzern habe sich bereits in der Vergangenheit nur "sehr zögerlich und auf öffentlichen Druck hin bewegt" und erst dann seinen Moderatorinnen und Moderatoren Unterstützung an die Hand gegeben. "Aber es ist immer noch nicht genug", das habe auch die aktuelle Einigung gezeigt.
Die von Facebook nun bereitgestellte Summe sei angesichts der Umsätze des Unternehmens zwar nur "ein erster Schritt", aber "symbolisch sehr wichtig", so Hurtz. Man erkenne zum ersten Mal an, dass diese Arbeit traumatisierend sei und Folgeschäden hinterlasse – und man nicht genug getan habe, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen.
Für diese Tätigkeit brauche es immer noch Menschen, betonte der Journalist. "Maschinen können das immer noch nicht übernehmen." Und die meisten Menschen würden diese Aufgabe nicht in den USA selbst für Facebook und andere Digitalkonzerne übernehmen, sondern weltweit. Beispielsweise sei Manila, die Hauptstadt der Philippinen, ein "Hotspot für das Moderationsbusiness".
Facebook kündigt weitere Vorkehrungen an
Die nun erzielte Einigung, die noch vom zuständigen Richter gebilligt werden muss, gilt für mehr als 11.000 Menschen aus Kalifornien, Texas, Arizona und Florida, die seit 2015 für Facebook gearbeitet haben. Jeder und jede dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soll mindestens 1000 Dollar, gut 900 Euro erhalten.
Facebook kündigte in der Einigung auch weitere Vorkehrungen zum Schutz der geistigen Gesundheit der Inhalte-Prüfer an. So soll bei Videos standardmäßig der Ton ausgeschaltet bleiben und sie in schwarz-weiß abgespielt werden. Bewerber für die Jobs sollen speziell auf mentale Widerstandsfähigkeit geprüft werden.