Jule Reimer: Die VW-Aufsichtsratsspitze will heute über erste Ergebnisse aus den konzerninternen Ermittlungen zum Abgasskandal beraten. Das Krisentreffen soll am Nachmittag stattfinden. Gestern ist der Konzern mit einem Aktionsplan in die Öffentlichkeit gegangen, mit dem er sich konkret an die Fahrer der vom Abgasskandal betroffenen VW-Dieselwagen wendet.
In den USA hat jetzt ein erster Landkreis den Konzern wegen Luftverpestung verklagt. Umweltschutzgruppen in Deutschland beschreiben Dieselfahrzeuge ebenfalls als Umweltsünder. Steuerlich ist der Dieselkraftstoff jedoch begünstigt. Die Steuer ist pro Liter um 18 Cent niedriger als die auf Benzin. Dieses verführe erst recht dazu, bei Dieselmotoren zu manipulieren, behauptet die Denkfabrik Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Alexander Mahler leitet dort das Verkehrsressort. Wie kommen Sie zu dieser Behauptung?
Alexander Mahler: Guten Tag, Frau Reimer. - Grundsätzlich muss man sich erst mal anschauen, dass bei der Verbrennung von einem Liter Diesel etwa 13 Prozent mehr CO2 erzeugt wird als bei Benzin. Dazu kommt das, worüber wir jetzt gerade sprechen, nämlich ein Vielfaches an Stickstoff-Oxid-Emissionen. Die sind zum einen auch klimawirksam, aber vor allem sind die problematisch für Atemwege. Dazu kommt noch gerade bei älteren Fahrzeugen Feinstaub. Wenn man jetzt nach ökologischer oder auch aus gesundheitlicher Sicht sich entscheiden sollte, ob man nun einen Liter Diesel oder einen Liter Benzin verbrennt, dann ist Diesel in allen Belangen deutlich schädlicher als Benzin. Das sollte sich auch in den Steuern niederschlagen und genau das macht es jetzt gerade nicht. Wie Sie bereits gesagt haben, gibt es einen Steuervorteil für Diesel. Der beträgt derzeit etwa 18 Cent. Dadurch wird eine Verzerrung, eine Marktverzerrung geschaffen und ein Anreiz, einmal Diesel zu verbrennen, aber natürlich auch die entsprechenden Fahrzeuge zu produzieren, und wo es diesen Markt gibt, ist die Verlockung, dort mehr Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, sicher größer.
"Wirtschaftspolitisches Förderprogramm für Dieselfahrzeuge"
Reimer: Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie, sagt jedoch, Dieselautos seien deutlich CO2-ärmer als Benziner und Dieselautos würden zwingend gebraucht, um die Klimaziele zu erreichen. De facto verbraucht man weniger Diesel auf der Strecke als Benzin im Schnitt.
Mahler: Wie gesagt, wenn man den Liter Diesel mit dem Liter Benzin vergleicht, dann ist Diesel der schädlichere Kraftstoff, und die Empfehlung, die deswegen von Umweltökonomen kommt, ist ein logisches Steuersystem, bei dem sich die Steuersätze an den CO2-Ausstoß und am Energiegehalt orientieren. Das heißt, wenn diese Preise dann die Umwelt- und Gesundheitskosten mit abbilden, dann wird auch der Markt ein optimales Ergebnis schaffen. In der Vergangenheit war es so, dass durch diese Subvention natürlich ein wirtschaftspolitisches Förderprogramm für Dieselfahrzeuge stattgefunden hat, was dazu führte, dass dort entsprechend mehr Geld reingeflossen ist, auch in die Erforschung von neuen Technologien, sodass man heute sagen kann, dass der Diesel so sauber ist, wie er sauber sein kann. Das sagt auch die Industrie. Da wird es nicht mehr viel sauberer werden, als es jetzt ist, während es beim Benzin noch weitere Potenziale gibt. Die Aussage, dass man nur mit einem entsprechend hohen Dieselanteil die Klimaziele erreichen kann, die stimmt so nicht.
Reimer: Dieselmotoren halten länger. Das könnte ein ökologischer Pluspunkt sein. Und viele Menschen im ländlichen Raum fahren Dieselautos, weil sie lange Strecken zurücklegen müssen, und die würde ein Streichen der Steuerbegünstigung sehr stark treffen.
Im ländlichen Raum von der Abhängigkeit des Autos loskommen
Mahler: Ja. Grundsätzlich gibt es im ländlichen Raum auf jeden Fall große Herausforderungen für Mobilität beziehungsweise bei der Infrastruktur. Allerdings die darüber zu lösen, dass man Kraftstoff subventioniert, ist sicherlich nicht nachhaltig. Da muss man sich in unseren Augen über andere Strategien und Konzepte Gedanken machen. Sei das ein ÖPNV, der auch im ländlichen Raum leistungsfähig ist über Carsharing-Modelle, oder auch noch andere Möglichkeiten, wie man einfach Verkehr vermeiden kann. Und auch mit Blick auf den demografischen Wandel, der besonders im ländlichen Raum zum Tragen kommt, ist es sicher mittelfristig ratsam, von dieser Abhängigkeit des Autos loszukommen, denn in einigen Jahren wird der Anteil der Menschen, die da noch ein Auto steuern können, stark zurückgehen.
Reimer: Dann sagen Sie bitte noch mal ganz kurz: Ökologisch volkswirtschaftlich sinnvoll wäre dann die Steuerbelastung genauso hoch wie beim Benzinauto?
Mahler: Ökologisch und ökonomisch wäre es sinnvoll, wenn die Kosten, die für die Umwelt entstehen, die Kosten, die für die Gesundheit entstehen, wenn die sich in den Preisen niederschlagen. Dann funktioniert auch eine Marktwirtschaft, wenn die Preise die ökologische und soziale Wahrheit sagen.
Reimer: Vielen Dank für diese Informationen - Alexander Mahler vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft.
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