Wer im Dienst eines Weltkonzerns wie Volkswagen steht, muss reisen, Präsenz zeigen, für Produkte und um Vertrauen werben. Das gilt insbesondere für den Obersten Dienstherren, Herbert Diess.
Das US-Justizministerium gewährt dem neuen VW-Lenker "freies Geleit". Das berichten die Nachrichtenagentur Bloomberg und weitere Medien. Sie berufen sich auf eingeweihte Quellen. In der mündlichen Vereinbarung sei Diess erstens zugesichert worden, dass er wegen des Diesel-Betrugs formell nicht beschuldigt werde. Zweitens, dass er vorab informiert werde, sollte sich diese rechtliche Auffassung ändern, sprich: die US-Justiz eines Tages doch auch gegen ihn vorgehen wollen.
Diess nahm am "Schadenstisch" teil
Weder VW noch das US-Justizministerium wollen sich offiziell zu den angeblichen Absprachen äußern. Hinter vorgehaltener Hand wird darauf hingewiesen, dass weitere Vorstände weiterhin unbehelligt in die Vereinigten Staaten reisen. Selbstsagend werde im Einzelfall aber sondiert, ob jemandem wegen neuer Anklagen eine Verhaftung droht, verlautet - gequält - aus Wolfsburg.
Diess war erst wenige Monate bevor der Diesel-Betrug im September 2015 öffentlich wurde, zu VW gestoßen. Er nahm am 27. Juli 2015 in Wolfsburg am sogenannten "Schadenstisch" teil. Bei der Besprechung sollen VW-Ingenieure das Management über die Unregelmäßigkeiten bei der Diesel-Abgasreinigung informiert haben.
Ermittlungen wegen Manipulations-Verdacht
In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Betrugsverdachts gegen den Ex-Vorstandschef Winterkorn und zahlreiche weiter ehemalige und amtierende VW-Führungskräfte. Auch Herbert Diess hat dort ein Aktenzeichen. Gegen ihn wird - wie auch gegen Winterkorn - wegen des Verdachts der Marktmanipulation ermittelt.
"Alles kommt auf den Tisch, nichts wird unter den Teppich gekehrt!"
Betont die Spitze des Aufsichtsrats, Hans Dieter Pötsch, bei jeder Gelegenheit.
"Sorgfalt geht vor Geschwindigkeit!"
Warum geht es seit über zwei Jahren kaum voran?
Doch wie lange die interne Prüfung bei Volkswagen noch andauert, lässt der Konzern offen. Dabei geht es auch um die Frage, ob der Aufsichtsrat Ansprüche auf Schadensersatz gegen Winterkorn und andere Führungskräfte stellt. Dies geschieht mit ausdrücklicher Unterstützung der Vertreter Niedersachsens im obersten Kontrollgremium, betont Niedersachsen Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) - aber warum geht es seit zweieinhalb Jahren kaum voran?
"Der Aufsichtsrat gerät in gewisser Weise auch in die Bredouille, wenn er damit rechnen muss, dass die Vorstände für den Fall der klageweisen Geltendmachung von Ansprüchen über Streitverkündungen auch Aufsichtsräte mit ins Haftungsboot holen. Deshalb wäre es eigentlich an der Zeit, auch zu prüfen, ob die Ansprüche nicht durch einen externen Vertreter geltend gemacht werden können - und dann auch gleich gegen beide Organe."
Reinen Tisch machen
So beschreibt Michael Hendricks, Experte für Managerhaftungsfragen beim Versicherungsmakler Howden, den Interessenskonflikt. Doch der Aufsichtsrat sieht sich noch in einer anderen Zwickmühle gefangen. Michael Hendricks:
"Wenn der Aufsichtsrat Ansprüche geltend macht, und diese Ansprüche wären begründet, und es würde sich sogar auch noch zeigen, dass gewisse Personen vorsätzlich gehandelt haben, dann ist mit Offenlegung all dieser Pflichtverletzungen gleich Munition für Aktionärsklagen gegeben, die den Konzern ja auch durchaus weiter schädigen können, in Milliarden-Größenordnungen."
In dieser Lage rät der erfahrene Haftungsexperte Volkswagen dazu, tatsächlich reinen Tisch zu machen. Denn nur wenn sich VW konsequent von belasteten Personen trennt und sich mit Klägern vergleicht, könne der Befreiungsschlag von einem Skandal gelingen, der das Unternehmen andernfalls noch auf Jahre hinaus belastet.