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Abgas-Skandal
VW drohen auch nationale Klagen

Den neuen VW-Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller erwarten große Herausforderungen, er muss die Scherben des Abgas-Skandals aufkehren: So schließt die Bundesregierung nicht aus, dass deutsche Autokäufer Anspruch auf Schadenersatz haben. 2,8 Millionen Fahrzeuge wurden demnach hierzulande manipuliert.

Von Michael Braun |
    Das Kraftwerk am VW Werk in Wolfsburg (Niedersachsen) zeichnet sich vor dem Abendhimmel ab.
    Weltweit arbeiten bei VW mehr als 600.000 Mitarbeiter, unter anderem in Wolfsburg. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Der Autoindustrie schwant nichts Gutes. Sie ahnt, dass die betrügerische Manipulation einer VW-Motorsteuerung noch Kreise ziehen wird:
    "Ich mache mir keine Illusionen: Es wird aus allen möglichen Ecken den Versuch geben in den kommenden Monaten, mit Behauptungen, Vorwürfen, scheinbaren oder wirklichen Fakten die Welle weiterzutreiben."
    So heute Mittag der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Matthias Wissmann. Aber zu möglichem Schadensersatz äußern mag er sich nicht:
    "Das werden die beteiligten Unternehmen beantworten müssen. Und die wissen selber, dass in dem ganzen Fall natürlich immense rechtliche Risiken stecken."
    Kam die Ad-hoc-Mitteilung zu spät?
    Ein Risiko liegt darin, dass VW schon lange von den Ermittlungen der amerikanischen Umweltbehörde wusste. Und dass am vorigen Montag wegen der Affäre die Kurse schon um fast ein Fünftel absackten, eine reguläre Information des Kapitalmarktes in Form einer sogenannten Ad-hoc-Mitteilung aber erst am Dienstag kam. Zu spät? Die Wertpapieraufsicht untersucht das. Stellt sie eine Verfehlung fest, haben Aktionäre eine Klagemöglichkeit. Die Aktionärsvereinigung DSW prüft schon Klagemöglichkeiten. Ihr Präsident Ulrich Hocker:
    "Sollte sich der Verdacht erhärten, dass Volkswagen die Anleger zu spät oder fehlerhaft informiert hat, wird die DSW aktiv werden. Eine Möglichkeit wäre dann die Einreichung einer sogenannten Musterklage gegen Volkswagen."
    "Es geht um Schadenersatz"
    Außerdem könnten auch Besitzer der fraglichen Dieselautos ein Recht auf Schadenersatz haben. Jutta Gurkmann, bei der Verbraucherzentrale Bundesverband für Recht und Internationales zuständig, empfiehlt einen Blick in die Garantiebedingungen:
    "Man könnte die Abweichung der tatsächlichen Abgaswerte von den ursprünglich angegebenen – in dem Vertrag, in den Verkaufsprospekten und so weiter – als Mangel ansehen. Und dann sind wir tatsächlich im Gewährleistungsrecht. Und dann müsste der Händler eben seine Gewährleistungsrechte gegenüber den Verbrauchern auch verwirklichen."
    Also reparieren oder Teile tauschen, solange die normalerweise zweijährige Garantiefrist noch nicht abgelaufen ist. Eine andere, gewichtigere rechtliche Qualität tritt ein, wenn dem Auto gar die Betriebserlaubnis entzogen wird. Dann, so Frau Gurkmann, gehe es nicht mehr um Reparatur, sondern um Schadensersatz:
    "Dafür muss man auch einen Schaden haben. Und wenn die Autos tatsächlich stillgelegt würden, dann kann man ein Auto nicht mehr benutzen. Dann tritt natürlich ein Schaden ein."
    Ein Schaden wäre es wohl auch, wenn das Finanzamt die Schadstoffklasse nicht mehr anerkennt und die Kfz-Steuer erhöht.