Altes Thema, neue Fragen: Gegen den Autobauer Daimler gibt es seit gestern neue Vorwürfe. Demnach hat das Kraftfahrbundesamt ein Anhörungsverfahren gegen Daimler eingeleitet. Es geht um 60.000 SUVs aus den Baujahren 2012 bis 2015. Dort sollen die Stickoxid-Werte manipuliert worden sein, mit Hilfe einer Computersteuerung der Temperatur des Kühlmittels.
Dies wollte der Konzern, am Kraftfahrbundesamt vorbei heimlich mit einem Software-Update entfernen, die vorherigen Manipulationen also verschleiern. Darüber hatte gestern die Bild am Sonntag zuerst berichtet. Daimler bestätigt die Gespräche, weist aber den Vorwurf zurück, man habe mit dem Software-Update als freiwillige Service-Maßnahme etwas verbergen wollen.
Opposition fordert Konsequenzen
Die Opposition nutzt die neuen Vorwürfe für Kritik sowohl an den Autokonzernen als auch am Verkehrsminister. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl aus Baden-Württemberg sagte heute Morgen im Deutschlandfunk:
"Nein, es überrascht mich leider nicht, wenn ich mir das bisherige Gebahren der Konzerne anschaue in diesem Diesel-Skandal und Abgas-Skandal, dann muss ich sagen, habe ich nie wirklich damit gerechnet, dass wir schon alles wissen." Kotting-Uhl weiter:
"Und ich erwarte von Herrn Scheuer, dass er vielleicht mal endlich seiner Verantwortung gerecht wird. Und die Produzenten der Autos und die Produzenten des Skandals endlich in die Pflicht nimmt."
Autokonzerne in die Pflicht nehmen
Der grüne Fraktionsvize Oliver Krischer sagte der dpa, dass der neue Manipulationsverdacht gegen Daimler kein Wunder ist. Das Kraftfahrtbundesamt werde wegen der laschen politischen Führung nicht ernst genommen. Die Autohersteller hätten bisher keine Bußgelder für ihre Manipulationen zahlen müssen, das sei wie ein Freifahrtschein.
Die Bundesregierung müsse endlich Hardware-Nachrüstungen durchsetzen, auf Kosten der Autobauer, so Krischer.
Der linke Bundestagsabgeordnete Lorenz Gösta Beutin schrieb auf Twitter:
Vorwürfe berechtigt?
Was ist dran an den neuen Vorwürfen, das lässt sich zur Zeit noch nicht definitiv sagen. Die Einschätzung der Experten geht auseinander: Hermann Koch-Gröber von der Hochschule Heilbronn und Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe gestern im ZDF:
"Dass vermutet wird, dass der Daimler ein berichtspflichtiges Detail in seiner Software nicht berichtet hat. Aber in der Auswirkung halte ich das für nicht sehr signifikant, was da dort passiert ist."
"Es ist nicht nur eine, es sind viele illegale Abschalteinrichtungen. Und das Schlimme: die Behörden wissen dies und sie decken die Industrie soweit sie können", sagte Jürgen Pieper, Bankenanalyst für den Automarkt beim Bankhaus Metzler im Hessischen Rundfunk.
Lasche Regeln begünstigen Betrug
Der Bericht klingt schon plausibel, wenn man sich die ganze ungute Story des Dieselgate anschaut. Metzler beklagt zu lasche Regeln der Politik für die Autokonzerne:
"Dass man leider in diesem ganzen Kontext von vornherein, das ist sicherlich eine der Ursachen für die ganzen Skandale, dass man der Industrie ganz große Spielräume gelassen hat, ganz große Grauzonen gelassen hat, in der sie dann operieren konnten."
Welche Rolle spielt der Neue an der Spitze?
Ein interessanter Nebenaspekt ist auch die Frage, welche Rolle der designierte Konzernchef von Daimler, der Schwede Ola Källenius gespielt hat. Die möglichen Verschleierungen sind in seinen Aufgabenbereich als Technikvorstand gefallen. Källenius soll im Mai die Führung des Stuttgarter Autobauers übernehmen. Daimler hat gegenüber Bild darauf hingewiesen, dass Källenius selber keine Software-Updates freigegeben habe.
Anders als Volkswagen streitet Daimler ab, vorsätzlich bei der Abgasreinigung betrogen zu haben, und wehrt sich zum Teil gerichtlich gegen angeordnete Zwangsmaßnahmen.