Stefan Römermann: Seit gut anderthalb Jahren, da weiß es wohl auch jedes Schulkind in Deutschland: Dieselfahrzeuge pusten zu viel Stickoxide in die Luft. Ganz neu war das zwar auch damals nicht, doch der VW-Abgasskandal, der hat deutlich gemacht, wie wenig sich Autohersteller um Grenzwerte scheren und sich bestenfalls bemühen, sie gerade so eben auf dem Prüfstand einzuhalten. Jetzt hat der ADAC in seinem aktuellen Ecotest insgesamt 77 Automodelle überprüft, sowohl Diesel als auch Benziner. Vor der Sendung habe ich ADAC-Sprecher Johannes Boos gefragt, wie viele Autos denn tatsächlich halbwegs sauber waren.
Johannes Boos: Gucken wir zum Beispiel auf die Dieselmodelle. Von den 77 Fahrzeugen waren 38 Dieselmodelle. Und beim neuen verschärften Ecotest ist es ja so, dass die Fahrzeuge, die im Labor eine empfehlenswerte Umweltbewegung, sagen wir, bekommen, vier oder fünf Sterne, die werden auch noch mal auf der Straße nachgemessen. Die müssen sich beweisen, dass sie wirklich auf der Straße so sauber sind wie im Labor. Von den 38 getesteten Diesel-PKW haben bei dieser realitätsnahen Messung lediglich zwei Fahrzeuge überzeugt: ein Modell von Mercedes, eins von BMW. Die haben jeweils vier Umweltsterne bekommen, waren empfehlenswert, alle anderen Dieselfahrzeuge nicht.
"Renault Captur hat den Grenzwert um mehr als 900 Prozent überschritten"
Römermann: Sind denn die Diesel weiterhin die Bösen und die Benziner die Guten?
Boos: Na ja. Tatsächlich ist es so, dass bei den Dieselmodellen für das schlechte Abschneiden die Grenzwerte für die Stickoxide entscheidend waren. Im gravierendsten Fall haben wir zum Beispiel den Renault Captur im Ecotest gehabt. Der hat durchschnittlich 725 Mikrogramm pro Kilometer an Stickoxid ausgestoßen. Damit hat er den Grenzwert um mehr als 900 Prozent, satte 900 Prozent überschritten. Aber auch bei den Benzinern haben wir festgestellt, die stoßen zu hohe Emissionen aus, und zwar an Feinstaub. Davon sind nicht nur stark motorisierte Benziner betroffen, wie zum Beispiel der Ford Focus RS, den wir im Test hatten, sondern auch beliebte Modelle für den Massenmarkt wie zum Beispiel der Opel Corsa. Den hatten wir in der Variante 1.0 Turbo ecoFLEX-Edition getestet. Die Fahrzeuge können tatsächlich kaum punkten, wenn es um die Umweltverträglichkeit geht.
Römermann: Bisher war doch eigentlich gerade der Feinstaub vor allem ein Problem von Dieselfahrzeugen. Was hat sich denn da bei den Benzinern geändert?
Boos: Tatsächlich ist es so, dass wir jetzt unter verschärften Bedingungen, noch näher an der Realität testen, und es ist bei den Benzinern ähnlich wie bei den Dieselfahrzeugen. Die Technologie, die Fahrzeuge sauber zu bekommen, wäre theoretisch da. Bei der Dieseltechnologie haben wir entsprechende Abgasreinigungstechniken. Bei den Benzinmodellen hätten wir zum Beispiel den Vier-Wege-Katalysator, der die Fahrzeuge sauber machen würde. Da ist es tatsächlich so, dass die Hersteller weiterhin viel zu wenig unternehmen, um längst vorhandene Emissionstechnologien so einzusetzen, dass sie wirklich einen Umweltnutzen haben.
"Wir glaube nicht, dass ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge zielführend ist"
Römermann: Bei den bisher diskutierten Fahrverboten, beispielsweise in Stuttgart, da galt immer die Ansage, Autos, die die Schadstoffnorm 6 erfüllen, die dürfen weiter in die Innenstädte. Bei Ihrem Test hat sich jetzt gezeigt, dass die Autos mit der neuen Schadstoffnorm teilweise dreckiger sind als die mit der Euro-5-Norm. Wie erklären Sie das?
Boos: Das ist tatsächlich richtig. Nicht immer – das hat der Test ergeben – sind die neuesten Modelle sauberer. Das Gegenteil – Sie haben es gerade schon richtig gesagt – ist der Fall. In einigen Fällen sind tatsächlich die modernen Euro-6-Fahrzeuge mit höheren Emissionswerten im Test gewesen als diejenigen, die Euro-5-klassifiziert sind. Dieses Ergebnis ist vor allen Dingen dann von Bedeutung, wenn man sich die Diskussion um die Dieselfahrverbote anguckt in den Innenstädten. Da geht es tatsächlich darum, Euro 6 darf fahren, Euro 5 darf nicht fahren. Im Übrigen glauben wir auch nicht, dass ein solches Fahrverbot für Dieselfahrzeuge überhaupt zielführend ist. Da gäbe es tatsächlich andere Möglichkeiten, zum Beispiel Maßnahmen zur Verkehrsverflüssigung, Stichwort grüne Wellen. Das würde tatsächlich deutlich mehr helfen.
Römermann: Trotzdem haben wir jetzt Millionen Fahrzeuge, die offenbar zu viel Stickoxide, zu viel Feinstaub in die Luft pusten. Wäre es jetzt nicht eigentlich angesichts Ihrer Ergebnisse durchaus nachvollziehbar, wenn man einfach sowohl Benziner als auch Dieselfahrzeuge aus den Innenstädten verbannt?
Boos: Vor allen Dingen muss es darum gehen, dass wir bei den staatlichen Zulassungstests näher an der Realität sind. Wir sind ja im Ecotest eh schon härter in der Prüfung, als es Hersteller, als es staatliche Institutionen tun. Genau darum muss es auch bei den gesetzlichen Zulassungen gehen.
"Ein realistisches Abbild von Verbrauch und Emission muss das Ziel sein"
Römermann: Die sollen ja jetzt im Herbst strenger werden. Reicht das denn aus, was da im Herbst beschlossen ist?
Boos: Das reicht so noch nicht aus. Beschlossen ist, wie Sie richtig sagen, der neue Fahrzyklus WLTP. Der löst ja den aktuellen Zyklus NEFZ ab. Der ist ein bisschen näher an der Realität, dadurch zum Beispiel, dass er höhere Geschwindigkeiten abbildet, als es der neue europäische Fahrzyklus, also der aktuelle Zyklus tut. Und da muss es darum gehen, dass wir entsprechende Schlupflöcher, die die Hersteller jetzt noch nutzen können, um das Auto auf dem Prüfstand zu optimieren, dass die geschlossen werden. Im Augenblick ist es ja zum Beispiel noch möglich, dass die Hersteller das Auto abkleben, was die Lüftungsschlitze angeht, dass sie die Reifen besonders stark aufpumpen, um den Rollwiderstand zu minimieren, und das darf künftig nicht mehr der Fall sein. Diese legalen Schlupflöcher müssen gestopft werden. Ein realistisches Abbild von Verbrauch und Emission, das muss das Ziel sein bei den Zulassungen.
Römermann: ADAC-Sprecher Johannes Boos zu den Ergebnissen des ADAC-Ecotests. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
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