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Abgas-Untersuchungsausschuss
Grünen-Politiker Krischer enttäuscht über Piëch-Absage

Der Grünen-Vertreter im Abgas-Untersuchungsausschuss, Krischer, hat bedauert, dass der frühere VW-Aufsichtsratschef Piëch nicht vor dem Gremium aussagen will. Piëch sei einer der wenigen Verantwortlichen, der zugegeben habe, schon vor August 2015 von den Manipulationen gewusst zu haben, sagte Krischer im DLF. 

Oliver Krischer im Interview mit Jürgen Zurheide |
    Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) spricht am 26.02.2015 im Bundestag in Berlin im Rahmen der Debatte um die Maut auf deutschen Fernstraßen.
    Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. (picture alliance/dpa - Tim Brakemeier)
    Der Grünen-Politiker verlangte von Politik und Unternehmen Konsequenzen aus den Täuschungsfällen. Ein Problem sei, dass VW nie einen Schnitt gemacht habe. Zudem vermisse er bei Verkehrsminister Dobrindt die Bereitschaft, für bessere Kontrollen der Konzerne zu sorgen. Dafür brauche es eine unabhängige Behörde.

    Das Interview in voller Länge:
    Mitgehört hat Oliver Krischer, für die Grünen im Bundestag, auch im Untersuchungsausschuss, den ich jetzt zunächst einmal herzlich begrüße. Guten Morgen, Herr Krischer!
    Oliver Krischer: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Ich muss Sie ja kaum fragen – Sie wollten eigentlich Piëch im Untersuchungsausschuss in Berlin in der kommenden Woche hören. Jetzt wird er nicht kommen. Ich meine, ich muss Sie kaum fragen, warum wollten Sie ihn hören?
    Krischer: Völlig klar, Herr Piëch ist einer der wenigen Verantwortlichen, der, zumindest so wird es öffentlich kolportiert, gesagt haben soll, ich wusste vor August 2015 von den Manipulationen, und das wäre natürlich ein sehr interessanter Zeuge für uns gewesen.
    "Da ist jemand unterwegs, der einen ganz eigenen Charakter hat"
    Zurheide: Jetzt kommt er nicht. Sie haben wahrscheinlich nicht ernsthaft damit gerechnet, dass er kommt, oder? Jetzt kommt er nicht, was machen Sie nun?
    Krischer: Ich war da nicht ganz sicher, weil das klang für mich jetzt zuerst mal so, als ob Herr Piëch auch mit dafür gesorgt hat, dass diese Äußerungen in die Öffentlichkeit gelangen und er ganz bewusst auch da einen Punkt gesetzt hat. Ich bin da nicht ganz so sicher. Herr Leyendecker hat das ja gerade richtig beschrieben. Da ist jemand offensichtlich unterwegs, der auch einen ganz eigenen Charakter hat, und ich hätte mir schon vorstellen können, dass er die Gelegenheit nutzt, hier im Ausschuss dann auch Klartext zu reden. Und das grundsätzliche Problem ist aber ja, dass VW nie den Schnitt gemacht hat und diese Geschichte jetzt so weitergeht, dass man sich ja irgendwie an einen schlechten Kriminalfilm mit israelischem Geheimdienst und allen Zutaten erinnert fühlt. Und das schadet natürlich der Marke und der gesamten deutschen Automobilindustrie, was da weiter passiert, wenn nicht irgendwo es den Beteiligten, auch wenn sie heute nicht mehr Teil des Unternehmen sind, nicht mal endlich gelingt, einen Cut zu machen und für reinen Tisch zu sorgen.
    "Der Abgasskandal betrifft die ganze Automobilbranche"
    Zurheide: Jetzt könnte man sagen, da gibt es natürlich erheblichen staatlichen Einfluss. Die niedersächsische Landesregierung hält 20 Prozent an VW, da ist der Ministerpräsident im Spiel, den haben wir gerade schon gehört. Aber Sie sitzen mit den Ministerpräsident beziehungsweise Ihre Partei in einer Landesregierung. Was erwarten Sie denn jetzt von der Landesregierung in Niedersachsen?
    Krischer: Der Ministerpräsident ist ja am Donnerstag im Untersuchungsausschuss als Zeuge, und da wird das sicherlich auch eine Rolle spielen. Da wird Herr Weil natürlich auch die Fragen beantworten müssen, was er wann wo wusste, warum das Land Niedersachsen nicht in einer anderen Weise agiert hat. Unsere Aufgabe im Untersuchungsausschuss ist aber natürlich, vor allen Dingen zu klären, wie konnte es eigentlich sein, dass in Deutschland die staatlichen Kontrollen, und das sind vor allen Dingen Bundesbehörden, wie die jahrelang daran vorbeisehen konnten, was da passiert. Und das ist ein organisiertes Staatsversagen, weil man hat die Kontrolle auf Bundesseite abgeschafft und wundert sich dann, dass so ein Skandal passiert, der dann in den USA, wo ganz anders hingeguckt wird, aufgedeckt wird. Und das ist der eigentliche Fokus unseres Ausschusses, und das, glaube ich, ist auch das Problem von staatlicher Seite. Das ist weniger das Land Niedersachsen, das ist der spezielle Fall VW. Aber der Abgasskandal betrifft ja die gesamte Automobilbranche.
    "Ein klarer Schnitt wurde versäumt"
    Zurheide: Das war klar, und die Antwort überrascht mich jetzt nicht. Ich hatte allerdings präziser nachgefragt, was gerade die Grünen auch in der niedersächsischen Landesregierung beitragen können, um da weiter aufzuklären, denn Sie alle kennen die Hinweise, die ja hinlänglich bekannt sind, dass die jeweiligen Vertreter des Landes Niedersachsens im Aufsichtsrat, in dem Fall jetzt Herr Weil, vorher andere, egal welcher Parteicouleur sie gewesen sind, immer in erster Linie natürlich die Arbeitsplatzinteressen vertreten und nicht so genau hingucken. Haben Sie auch die Sorge? Ist der Vorhalt berechtigt oder nicht?
    Krischer: Ich halte es grundsätzlich für ein Problem, ich sage das ganz offen, wenn Bundesländer oder Kommunen an solchen börsennotierten Unternehmen beteiligt sind und dann irgendwelche Zwitterrollen hier von Politikern entstehen. Das finde ich nicht glücklich. Das, was bei VW passiert, setzt natürlich auch wieder auf die Tagesordnung, sind solche Konstruktionen eigentlich sinnvoll und notwendig. Das sind Fragen, die wird Herr Weil beantworten müssen. Das sind auch Fragen, die wird man in Niedersachsen diskutieren müssen. Weil man muss doch offen sagen, das, was sich bei VW seit anderthalb Jahren jetzt öffentlich abspielt, was vorher dann nichtöffentlich an Manipulationen im Hinterzimmer gelaufen ist, das zeigt doch, dass in den Strukturen dieses Konzerns grundsätzlich etwas nicht stimmt. Und da hat man es bisher einfach auch versäumt, den klaren Schnitt zu machen.
    Zurheide: Na ja, Sie könnten als Grüne sagen, wir gehen in den nächsten Landtagswahlkampf in Niedersachsen und sagen, trennt euch von der VW-Beteiligung. Gehen Sie so weit?
    Krischer: Was die Grünen in Niedersachsen machen, ist mal Sache der Grünen in Niedersachsen. Es ist nicht meine Aufgabe als Bundestagsabgeordneter, da schlaue Vorschläge zu erteilen, was die Wahlkampfstrategie ist. Das sollen die mal gucken. Herr Weil als Ministerpräsident, sitzt im Aufsichtsrat, hat da eine bestimmte Rolle wahrzunehmen, und dazu ist er auch im Untersuchungsausschuss, und das ist auch gut so, und da wird er auch Fragen beantworten müssen. Und dann wird man auch sehen, was hat das für Konsequenzen, wie man vonseiten des Landes Niedersachsens, aber auch bundespolitisch in Zukunft mit VW und den ganzen Strukturen weiter umgeht.
    "Herr Dobrindt hat keine ernsthaften Konsequenzen aus dem Skandal gezogen"
    Zurheide: Jetzt kommen wir noch auf den anderen Aspekt zurück, Sie haben es angesprochen: Es geht ja im Wesentlichen in diesem Untersuchungsausschuss, so etwas künftig zu verhindern, und da sind dann weniger niedersächsische kleinere Befindlichkeiten wichtig, sondern wie wird kontrolliert. Können Sie, Stand heute Morgen, zusagen, so etwas kann und würde es nicht noch einmal geben, oder sind wir da immer noch weit von entfernt?
    Krischer: Nein, da sind wir immer noch weit von entfernt. Das Problem ist, dass wir bis heute, oder man muss ja sagen, der zuständige Verkehrsminister, Herr Dobrindt, keine ernsthaften Konsequenzen aus diesem Skandal gezogen hat. Wir bräuchten eigentlich wie in den USA eine unabhängige Behörde, die kontrolliert, die auch immer nach variierenden Methoden, nach Methoden, die die Konzerne nicht nachvollziehen können, kontrolliert. Da gibt es überhaupt keine Bereitschaft, da grundsätzliche Strukturen zu ändern. Und das ist eines der Probleme, dass aus diesem Abgasskandal nicht die Konsequenzen gezogen werden. Wir haben gerade viel über VW gesprochen. VW ist sicherlich die Spitze des Eisbergs, da hat man es besonders toll getrieben. Aber es betrifft nahezu alle Automobilhersteller, dass das Tricksen und Täuschen, um die Grenzwerte auf dem Prüfstand und auf dem Papier einzuhalten, dass das weit betrieben wurde und dass man so eine Greenwashing-Art gemacht hat, na ja, was auf der Straße passiert, das ist völlig egal. Und da gibt es bis auf ein paar, ich sag mal, eher kosmetische Änderungen bisher nicht die Bereitschaft, tatsächlich ernsthafter zu kontrollieren.
    "Die Bundesregierung kann von den USA lernen"
    Zurheide: Was erwarten Sie eigentlich von den Amerikanern? Wird Herr Trump auch an solche Dinge mit der Abrissbirne rangehen, oder sagen Sie, na ja, das wird er möglicherweise tun, zumal, um die ausländischen Automobilhersteller zu treffen. Das ist ja eine interessante Konstellation oder Frage?
    Krischer: Ja, gut, bei Trump, das – da erwarte ich nichts Gutes und fürchte, dass das, was Amerika an vielen Stellen positiv ausgezeichnet hat, das haben wir ja auch in anderen Politikbereichen, dass er das kaputt macht. Aber da ist die Macht eines Präsidenten am Ende auch ein Stück weit begrenzt, weil vieles von den Enthüllungen ist ja nicht nur die EPA gewesen, sondern auch die kalifornische Behörde CARP. Und da haben wir im Ausschuss als Zeugin Frau Nicholson, die Chefin, und da bin ich schon mal doch – erwarte ich, dass das von den Bundesstaaten nicht so ohne Weiteres in Frage gestellt wird. An der Stelle kann Europa, kann auch eine Bundesregierung einiges von den USA lernen, dass ein solcher Skandal hier in Deutschland nicht mehr passieren würde.
    Zurheide: Das war und ist Oliver Krischer, für die Grünen im Bundestag im Untersuchungsausschuss in der Causa VW. Herr Krischer heute Morgen, herzlichen Dank für das Gespräch!
    Krischer: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.