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Abgase im Flugzeug
Gefährlicher Geruch nach alten Socken

Bei "Fume Events" kommt es im Flugzeug zu einer Kontamination der Kabinenluft mit Abgasen oder Ausdünstungen. Die Folgen für das Flugpersonal reichen von Nervenschäden bis zu Atembeschwerden. Die Berufsgenossenschaft Verkehr hat den Fluggesellschaften nun eine Frist gesetzt, um die Gefahr der "Fume Events" zu bewerten.

Von Ludger Fittkau |
    Eine Flugbegleiterin steht in der Economy Class im Airbus A380 nach der Landung in München.
    Für Flugbegleiterinnen können die "Fume Events" ernsthafte gesundheitliche Folgen haben (dpa / picture-alliance / Tobias Hase)
    Markus Wahl ist Pilot und Sprecher der Vereinigung Cockpit, einem Berufsverband, in dem hierzulande rund 9600 Piloten organisiert sind. Markus Wahl beschreibt, wie man im Inneren eines Flugzeugs auf einen sogenannten "Fume Event" – also das Eindringen von Abgasen in die Kabine aufmerksam wird:
    "Es ist der berühmte Geruch nach nassem Hund oder alten Socken. Jeder weiß ziemlich genau, wie das riecht. Und wenn man das an Bord riecht, weiß man: Okay, hier ist kein nasser Hund, hier sind auch keine alten Socken, sondern hier muss was mit verdampften Ölen in der Luft sein. Hier ist was falsch."
    Abgase in der Kabinenluft können für Passagiere und Flugpersonal gesundheitliche Folgen haben. Berichtet wird von brennenden Augen und juckenden Nasen, von Atemproblemen, Übelkeit oder Kopfschmerzen. Doch während die Passagiere das Flugzeug nach dem Flug verlassen können, ist das Flugpersonal den in die Kabine eingedrungenen Stoffen oft mehrfach ausgesetzt. Steward Emilio Rezzonico von der Flugbegleiter- Gewerkschaft UFO berichtet, wie sich das langfristig auswirken kann:
    "Es gibt Kollegen, die unter Nervenschäden leiden, teilweise auch bewegungseingeschränkt sind. Aber vermehrt sehen wir auch, dass eine Aufnahmestörung von Sauerstoff in der Lunge stattfindet. Und das ist natürlich eine ganz bedeutende Einschränkung der Gesundheit."
    Fluggesellschaften sollen Gefahr durch "Fume Events" bewerten
    Sabine Kudzielka ist Geschäftsführerin der Berufsgenossenschaft Verkehr, die Arbeitsunfälle in der Luftfahrt registriert. Sie stellt fest: Die Zahl der Piloten oder Flugbegleiter, die sich nach rund 400 registrierten "Fume Events" pro Jahr als Unfallopfer melden und dann über die Krankenkassen Leistungen von der Berufsgenossenschaft bekommen, steigt kontinuierlich an:
    "Wir haben pro Jahr eine Zahl, die sich langsam erhöht von Verletzten, von "Verunfallten", die langsam aber sicher steigt und die wir mit Verletztengeld ausstatten, über die Krankenkassen. Und die sind tatsächlich in einem zweistelligen Bereich. Wir haben gezählt, im Februar, da waren es 12, das hat sich jetzt erhöht. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, das etwa 8 bis 12 pro Jahr hinzukommen. Das heißt die Zahl erhöht sich regelmäßig."
    Deshalb hat die Berufsgenossenschaft Verkehr die Fluggesellschaften nun aufgefordert, nun eine sogenannte "Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung" für das Flugpersonal vorzunehmen. Der Mediziner Jörg Hedtmann ist bei der BG Verkehr für die Prävention zuständig:
    "Wir haben den Fluggesellschaften für die Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung eine Frist gesetzt bis Ende August. Dann werden die Dinge bei uns eingehen. Wir werden an der einen oder anderen Stelle auch mal hingehen und uns mit denen unterhalten und werden dann eine bessere Übersicht haben, wie die Verteilung des Problems aussieht, welche Maßnahmen getroffen worden sind oder geplant sind."
    Die Pilotenvereinigung Cockpit begrüßt diese Aktivität der Berufsgenossenschaft ausdrücklich. Sprecher Markus Wahl zeigt auch einen Weg auf, wie die Kontamination der Kabinenluft mit Dämpfen aus dem Triebwerksbereich des Flugzeugs künftig verhindert werden könnte:
    "Technisch gesehen ist es tatsächlich relativ einfach, so etwas komplett zu verhindern. Man muss einfach die Luft eben nicht aus dem Triebwerk abzapfen, sondern Frischluft nehmen und damit die Kabine belüften. Das macht der Boeing "Dreamliner" – die Boeing 787 – macht das als einziges neues Flugzeug so. Leider sind alle anderen Flugzeuge und es fliegen ja Tausende und auch noch ältere Flugzeuge und auch noch absehbar und über Jahre durch die Gegend. Die kann man nicht einfach so umrüsten. Die müsste man mit Filtern nachrüsten, das wäre für die Bestandsflotte genau die richtige Lösung."
    Ein Lösung allerdings, die viel Geld kostet. Deshalb zögern die Fluggesellschaften noch. Doch auch die Unabhängige Flugbegleiter Organisation UFO, in der rund 10.000 Flugbegleiter organisiert sind, fordert schnelle Schutzmaßnahmen vor kontaminierter Kabinenluft.
    Flugbegleiter Emilio Rezzonico, Mitglied der der Gesundheits-AG der Gewerkschaft versteht nicht, dass Flugzeughersteller, Fluggesellschaften sowie aus seiner Sicht bisher auch viele Ärzte und die staatlichen Aufsichts-Behörden das Thema so zögerlich angehen:
    "Nein, das kann ich nicht nachvollziehen. Wenn es um die Gesundheit von Menschen geht, da darf eigentlich nicht aufs Geld geguckt werden. Das muss oberste Priorität haben."