Bei den PISA-Tests belegte Kirgistan den letzten Platz. Das sei ein Riesenschock für das Land gewesen, sagte die Journalistin und Kirgistan-Kennerin Birgit Wetzel im DLF. Als Kirgistan noch Teil der Sowjetunion war, waren die Strukturen durchaus intakt. Es gab gute Bildung für alle. Heute aber gehen bis zu 20 Prozent der Kinder nicht zur Schule. Was auch daran liegt, dass die Infrastruktur so schlecht ist, dass der Weg dorthin durch die kirgisische Gebirgslandschaft mitunter einfach zu weit ist.
Wetzel zufolge werden gegenwärtig noch viele Schulbücher benutzt, die immer noch aus Zeiten der Sowjetunion stammen. Hinzu kommen ethnische Spannungen. Bei Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Kirgisen und ethnischen Usbeken kamen 2010 möglicherweise bis zu 2.000 Menschen ums Leben. Der mutmaßliche Attentäter von St. Petersburg war ethnischer Usbeke und damals 15 Jahre alt.
Laut der Kirgistan-Expertin muss die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung des Landes regelmäßig nach Russland fahren, um dort zu arbeiten. Aus Zentralasien gehen
nach Angaben von Korrespondentin Edda Schlager
jährlich ungefähr 2 Millionen Arbeitsmigranten ins Ausland und schicken rund sechs Milliarden Dollar in ihre Heimatländer Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan. Das Geld wird unter schwierigsten Bedingungen erarbeitet, wie Yan Matusevich vom Internationalen Zentrum zur Entwicklung von Migrationspolitik in Wien ausführt: "Sie erleben im Alltag Rassismus von Russen, werden ausgebeutet von Arbeitgebern und haben Angst vor polizeilicher Gewalt." Aber ihre Familien seien so sehr von den Geldern abhängig, die sie in die Heimat zurückschickten, dass sie sich keine politische Äußerung oder Positionierung leisten könnten.
Auch die Religion spielt inzwischen eine zentrale Rolle. Schlager berichtet, nach der Unabhängigkeit Kirgistans habe der Islam, der in Sowjetzeit unterdrückt gewesen sei, einen Aufschwung erlebt. Insgesamt gilt die Religionsauffassung zwar als gemäßigt, dennoch kommen Einflüsse aus dem Ausland zum Tragen. Der frühere Stabschef der Übergangsregierung von Roza Otunbayeva, Edil Baisalov, erläuterte, man habe gar nicht gemerkt, wie schnell irgendwelche Fonds aus Saudi-Arabien nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 3.000 Moscheen ins Land gebaut oder Imame aus dem Nahen Osten geschickt hätten. Der Staat habe die soziale Absicherung seiner Bürger nicht mehr gewährleisten können, und so sei die Religion an dessen Stelle getreten. Schätzungen zufolge haben 2.000 Menschen Zentralasien für den Dschihad in Richtung Syrien verlassen. Das entspricht etwa einem Zehntel aller ausländischen Kämpfer im Nahen Osten.
Usbekistan hat eine glanzvolle Vergangenheit als Zentrum islamischer Kultur. Durch das Wüstengebiet in Zentralasien führte die Seidenstraße, der mittelalterliche Handelsweg zwischen China und Europa. Moscheen und Medresen (Koranschulen) in der Hauptstadt Taschkent, in Samarkand und Buchara locken Touristen an. Aber Usbekistan gilt auch als eine der repressivsten Diktaturen weltweit. Das Land ist politisch weitgehend isoliert und wirtschaftlich abgeschottet. Neben dem Automobilbau ist die Landwirtschaft wichtig. Der hohe Wasserbedarf der Baumwollplantagen verschärft jedoch den extremen Wassermangel und gefährdet den Aralsee.
2005 wurden in Andijan Hunderte Demonstranten von Sicherheitskräfte zusammengeschossen. Die Menschen hatten gegen die Verhaftung lokaler Geschäftsleute protestiert. Immer wieder wird von Menschenrechtsverletzungen in dem Land berichtet. Dazu zählen Folter, die Inhaftierung von Aktivisten, die Bedrohung von Nichtregierungsgruppen und schwerwiegende Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die meisten der versklavten Menschen, nämlich 58 Prozent, lebten in nur fünf Ländern: in Indien, China, Pakistan, Bangladesch und eben in Usbekistan.
Ebenso wie in Kirgistan gibt es Probleme mit radikalen Islamisten. Das Ferganatal gilt als Sammelbecken. Die Regierung geht hart gegen die Gruppierungen vor. - Der mutmaßliche Attentäter des Neujahrs-Anschlags auf den Istanbuler Nachtclub "Reina" stammte übrigens auch aus Usbekistan.