Bei der zweistündigen Unterredung seien alle Themen besprochen worden, sagte der CSU-Politiker. Es sei vereinbart worden, dass die Gespräche in Deutschland fortgesetzt werden sollen. Hahn geht momentan davon aus, dass das Mandat der Bundeswehr in Incirlik Ende des Jahres verlängert werden kann. Voraussetzung sei allerdings, dass die Bundestagsabgeordneten die Soldaten auch weiterhin im Einsatz besuchen können. Die türkische Regierung hatte dies wegen der Armenier-Resolution des Bundestages monatelang untersagt.
Hahn erklärte weiter, es sei "eine gute Erfahrung für die Abgeordneten gewesen, zu sehen, wie tief getroffen die Türken von dem Putsch im Juni seien, der sich gegen die Demokratie gerichtet hat. Das Parlament in Ankara sei noch sichtlich gezeichnet von Angriffen." Diese Wahrnehmung habe man im Westen so nicht geteilt. "Dies hat den Türken auch wehgetan, sie hätten sich da mehr Solidarität gewünscht. Nichtsdestotrotz blieben Fragen zur Pressefreiheit und den Menschenrechten offen, betonte Hahn.
Christine Heuer: Florian Hahn ist außen- und sicherheitspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Auf das Besuchsverbot Ankaras hatte er mit der Drohung reagiert, die deutschen Soldaten müssten dann eben notfalls aus Incirlik abgezogen und andernorts stationiert werden. Und jetzt gehört er zur Bundestagsdelegation in der Türkei. Guten Morgen, Herr Hahn!
Florian Hahn: Guten Morgen!
Heuer: Sie haben ja gestern in Ankara schon Gespräche geführt. Wenn Sie drei Adjektive nennen sollten für die Atmosphäre, die da geherrscht hat, welche wären das?
Hahn: Bei den Gesprächen, würde ich sagen, herrschte durchaus eine Gespanntheit, die sich aber dann doch deutlich gelockert hat, und man war am Ende des Tages zufrieden und hat einen guten Start hingelegt, würde ich sagen.
Heuer: Heißt das, jetzt ist alles wieder gut?
Hahn: Nein. Natürlich bei einem Gespräch, das für eine Stunde angesetzt war und das letztlich dann zwei Stunden gedauert hat, sind alle Themen besprochen worden. Man war sich hier natürlich nicht in allen Themen einig, das ist auch klar. Aber Gespräche sind ein guter Beginn und wir haben auch vereinbart, dass wir das in Deutschland bei einem Besuch der türkischen Mitglieder des Ausschusses fortsetzen wollen.
Heuer: Das war ja eine Begegnung von Verteidigungspolitikern aus Deutschland und aus der Türkei. Was ist denn Ihr persönlicher Eindruck? Ist soweit alles okay mit der Demokratie und den Menschenrechten in der Türkei? Das muss ja gestern auch eine Rolle gespielt haben.
Hahn zum Militärputsch: "Türken hätten sich mehr Solidarität gewünscht"
Hahn: Ich glaube, das war erst mal eine gute Erfahrung für uns zu sehen, wie tief getroffen die Türken von dem Putsch im Juli sind, der sich gegen die Demokratie gerichtet hat. Da sind sich ja auch alle Experten einig. Sie waren auch Zeuge im Parlament in Ankara, das noch sichtlich gezeichnet ist von Angriffen von F16-Fliegern und Kampfhubschraubern. Ich glaube, dass das eine Wahrnehmung ist, die wir wahrscheinlich im Westen und in Deutschland gar nicht so geteilt haben. Das hat den Türken, muss man sagen, auch weh getan. Sie hätten sich da mehr Solidarität an dieser Stelle gewünscht.
Nichts desto trotz bleiben natürlich Fragen zu Pressefreiheit, zu Menschenrechten insgesamt offen. Wir haben sie angesprochen und gesagt, dass das auch wichtig ist, gerade wenn man zusammen in einem Bündnis ist, wenn man über auch Forderungen der Türkei spricht wie Visa-Freiheit et cetera. Das gehört alles zusammen. Das haben wir deutlich gemacht.
Heuer: Ihr Fraktionskollege Karl Lamers von der CDU, der hat gestern gesagt - ich zitiere das jetzt mal: "Wir sind überzeugt, dass die Aufarbeitung des Putschversuchs nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geschieht." Ist das wirklich so, Herr Hahn? Sehen Sie das auch so?
Hahn: Ich glaube, da ist Karl Lamers etwas missverstanden worden, sondern wir haben von unserer Seite deutlich gemacht und Lamers als Delegationsleiter hat deutlich gemacht, dass wir davon ausgehen, dass der Putsch nach rechtsstaatlichen Regeln entsprechend aufgearbeitet wird.
Heuer: Das war also eine Forderung?
Hahn: Das sicherlich auch im Hinblick darauf, dass wir natürlich sehen und nicht übersehen können, dass hier massenweise Menschen aus Behörden, aus Schulen, aus dem Militär, aus der Polizei entlassen worden sind, zum Teil sogar entsprechend inhaftiert worden sind.
Heuer: Also das war eine Forderung und keine Zustandsbeschreibung?
Hahn: So ist es.
Hahn zum Bundeswehreinsatz: "Wir sollten einer Verlängerung des Mandats zustimmen"
Heuer: Dann haben wir das ausgeräumt. - Und dann möchte ich mit Ihnen natürlich über Ihren Besuch heute in Incirlik sprechen. Was erwarten Sie davon?
Hahn: Na ja. Wir erwarten als allererstes - und das haben wir ja schon im Sommer deutlich gemacht -, dass es eine Selbstverständlichkeit sein muss, wenn wir gemeinsam im Kampf gegen den Islamischen Staat mit den Türken zusammenstehen, dass es dann auch möglich sein muss, dass wir deutsche Soldatinnen und Soldaten im Einsatz besuchen können. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Wir werden am Ende diesen Jahres wieder dieses Mandat verabschieden wollen. Das geht nur, wenn das Parlament auch Zugang zu seinen Soldatinnen und Soldaten hat. Das wird heute hoffentlich passieren und damit ist, sage ich mal, eine gute Hürde genommen, dass wir auch Ende diesen Jahres dieses Mandat entsprechend verlängern können.
Heuer: Stand heute Früh stimmen Sie dem zu?
Hahn: Ich gehe vom jetzigen Standpunkt aus, dass wir erstens Zugang zu den Soldatinnen und Soldaten haben und zweitens wir bisher keine Kenntnis haben, dass dieser Einsatz nicht wirkungsvoll ist. Insofern sollten wir einer Verlängerung entsprechend zustimmen.
Heuer: Der Preis, der für diesen Besuch bezahlt wurde, der war ja hoch. Die Bundesregierung hat eingelenkt bei der Armenien-Resolution und gesagt, dass diese Resolution nicht rechtsverbindlich ist. Das wäre jetzt vielleicht nicht nötig gewesen, aber es war nötig, um diesen Besuch von Ihnen heute zu ermöglichen. War der Preis vielleicht dann doch ein bisschen zu hoch?
Die Bundesregierung hat die Armenien-Resolution "in keinster Weise relativiert"
Hahn: Ich sehe das nicht so. Ich glaube, dass die Bundesregierung weder diese Resolution, wie von Erdogan gefordert, zurückgenommen hat, noch irgendeinen anderen Preis gezahlt hat. Die Bundesregierung hat eine Brücke gebaut, hat gesagt, das ist eine Resolution des Parlaments, und hat im Prinzip darauf hingewiesen, welche Wirkung diese Resolution hat, aber sie hat sie in keinster Weise relativiert. Aber ich glaube, das war durchaus ein guter Weg, um auch eine Brücke den Türken zu bauen, die sich da, glaube ich, ziemlich verrannt hatten und aus ihrer eigenen Einbahnstraße nicht mehr rauskamen.
Heuer: Ankara war ziemlich zufrieden über die Erläuterung der Armenien-Resolution durch die Bundesregierung, vielleicht auch durch das Versprechen, dass Deutschland in Incirlik viel Geld investieren wird. Das ging ja Anfang September Schlag auf Schlag. Diese beiden Sachen passierten und dann war das Besuchsverbot aufgehoben. Also ein Zusammenhang besteht da schon.
Hahn: Natürlich besteht ein Zusammenhang. Aber wie gesagt: Ich glaube, wir haben eher den Türken eine Brücke gebaut, über die sie gesichtswahrend rüber können, ohne dass sich irgendwas geändert hat. Die Resolution gilt weiterhin, das Parlament steht weiterhin hinter dieser Resolution, das ist überhaupt gar keine Frage. Und was die Investitionen in Incirlik angeht, hier geht es schließlich um unsere deutschen Soldatinnen und Soldaten. Wir wollen, dass die bestmöglich untergebracht sind. Wir wollen möglichst schnell investieren, um auch entsprechende Unterkünfte et cetera bauen zu können. Insofern ist das etwas, was ja nicht ein Geschenk für die Türken ist, sondern in unserem ureigenen Interesse.
Heuer: Aber viele sehen das ja anders, Herr Hahn.
Hahn: Das mag sein, dass das andere anders sehen.
Heuer: Herr Hahn, man kann das auch anders sehen. Viele haben ja den Eindruck, dass Berlin erpressbar ist oder sagen wir lenkbar. Das ist doch ein verheerendes Signal!
Hahn: Ja noch mal: Diese Resolution besteht weiterhin. Sie wurde nicht zurückgenommen, sie wurde auch nicht relativiert. Die Investitionen, die zugesagt wurden, dienen unseren deutschen Soldatinnen und Soldaten. Ich wüsste nicht, wo sich hier die Bundesrepublik Deutschland erpressen lassen hat.
Heuer: Florian Han, außen- und sicherheitspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag war das. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Hahn.
Hahn: Ja, vielen Dank!
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