"Die Welt ist alles, was der Fall ist", hat Ludwig Wittgenstein gesagt. Hier bekommt dieser Satz ganz neue Bedeutung. Denn der Fall, das Fallen, Stürzen, Einstürzen, sich Ergießen, das Untergraben und Begraben sind das, was in dieser Welt der Technik und des Fortschritts der Fall ist. Danach kommt das Abrechnen der ökonomischen Kosten und das Aufrechnen der Schuld. Natürlich hat keiner Schuld. Jedenfalls nicht die Ingenieure des Münchner U-Bahn-Baus. In einem kurzen Zehnminüter vor der Pause treten drei Bau-Clowns mit Helm auf und machen aus dem schockierenden Münchner Unfall eine Mords-Gaudi.
Im Gegensatz zu Nicolas Stemann, der die meisten Jelinek-Texte inszeniert und sie dabei spielerisch gebrochen und nicht selten veralbert auf die Bühne brachte, erlaubt sich Karin Beier den Klamauk in den beiden großen Stücken aber nur selten. Sie lässt die Worte wirken. Sie entwirft strenge Ordnungen, in die sie kleine befreiende Humor-und Slapstick-Inseln baut. Sie hat die Jelineksche Textfläche von "Das Werk" auf schwarz gekleidete Frauen und "Ingenieure" in weißen Hemden verteilt. Zwölf quadratische kleine Tische, ein paar Geißenpeter und Heidi-Masken, Wasserflaschen und die Musiker am Rand der bis zu den Brandmauern offenen Bühne sind schon das ganze Bild.
"Das Werk" ist ein düsterer Abgesang auf die unbekannten Toten von Kaprun, denen Jelinek eine Stimme gibt. Es ist aber auch voller zeitgenössischer Assoziationen, etwa zum Fitness-Betrieb, den heutzutage ja auch der Takt von Maschinen vorgibt, und der hier glänzend persifliert wird.
Dann lässt Karin Beier die Masse selbst, die Arbeiter aufmarschieren, ein Männerchor grundiert die hoch rhythmische Aufführung.
Das ist, wie in Einar Schleefs "Sportstück", eine Hochleistung an Konzentration, Präsenz, Rhythmus und Genauigkeit. Und darüber hinaus superbes politisches Theater: Geschichte, doppelbödig in Sprache gegossen, theatralisch geformt, schießt zusammen zu sozialem Bewusstsein.
Ganz am Anfang rann das Wasser noch aus Plastikflaschen in Gläser. Oder die Schauspieler mimten lebende Geysire und spuckten ein bisschen. Am Ende des Abends, am Ende von "Ein Sturz" wird die Bühne knöcheltief vom Wasser überflutet sein. Die "Natur" hat dann gesiegt, die böse Kraft des personifizierten Wasser-Manns hat sich die fast nackte Erd-Frau genommen, die in einem Bassin buchstäblich ertränkt wird. Das Wasser untergräbt auch die Gesellschaft, die ganz die Fassung verliert und sich gegenseitig zu Fall bringt. Das Stück ist sprachlich nicht so überdeterminiert wie "Das Werk" und ganz im Ton eines alten Epos gehalten, eine Art Anrufung der Erde. Auch hier ist ein Grundthema: Gewalt.
Auf eine bizarre Baustellen-Szenerie, in der Tische mit Telefonen und Akten herumstehen, rieselt Sand und fällt fahles Licht von oben: Offensichtlich befinden wir uns im Inneren des durch den Archiveinsturz gerissenen Kraters. Die Vertreter der Baufirmen, die Anwohner, die Politiker, sind mit ihren Abwiegelungen und Entschuldigungen im O-Ton zu hören, hier dominiert die Stimmencollage, und eben das.
Welchen Preis haben wir für den Fortschritt zu bezahlen und wer zahlt dafür? Werden die Wunden der Natur zu den Wunden unserer Zukunft? Und: Wer hat die Macht, wer sind unsere neuen Götter? Das Stück löst buchstäblich einen Strom von Fragen aus, der – wie das Unglück – weit über die Stadt hinaus reicht. Der Karin Beier mit Elfriede Jelinek und mit diesem Abend und mit einem tollen Ensemble ein weiteres Theaterwunder beschert hat.
Im Gegensatz zu Nicolas Stemann, der die meisten Jelinek-Texte inszeniert und sie dabei spielerisch gebrochen und nicht selten veralbert auf die Bühne brachte, erlaubt sich Karin Beier den Klamauk in den beiden großen Stücken aber nur selten. Sie lässt die Worte wirken. Sie entwirft strenge Ordnungen, in die sie kleine befreiende Humor-und Slapstick-Inseln baut. Sie hat die Jelineksche Textfläche von "Das Werk" auf schwarz gekleidete Frauen und "Ingenieure" in weißen Hemden verteilt. Zwölf quadratische kleine Tische, ein paar Geißenpeter und Heidi-Masken, Wasserflaschen und die Musiker am Rand der bis zu den Brandmauern offenen Bühne sind schon das ganze Bild.
"Das Werk" ist ein düsterer Abgesang auf die unbekannten Toten von Kaprun, denen Jelinek eine Stimme gibt. Es ist aber auch voller zeitgenössischer Assoziationen, etwa zum Fitness-Betrieb, den heutzutage ja auch der Takt von Maschinen vorgibt, und der hier glänzend persifliert wird.
Dann lässt Karin Beier die Masse selbst, die Arbeiter aufmarschieren, ein Männerchor grundiert die hoch rhythmische Aufführung.
Das ist, wie in Einar Schleefs "Sportstück", eine Hochleistung an Konzentration, Präsenz, Rhythmus und Genauigkeit. Und darüber hinaus superbes politisches Theater: Geschichte, doppelbödig in Sprache gegossen, theatralisch geformt, schießt zusammen zu sozialem Bewusstsein.
Ganz am Anfang rann das Wasser noch aus Plastikflaschen in Gläser. Oder die Schauspieler mimten lebende Geysire und spuckten ein bisschen. Am Ende des Abends, am Ende von "Ein Sturz" wird die Bühne knöcheltief vom Wasser überflutet sein. Die "Natur" hat dann gesiegt, die böse Kraft des personifizierten Wasser-Manns hat sich die fast nackte Erd-Frau genommen, die in einem Bassin buchstäblich ertränkt wird. Das Wasser untergräbt auch die Gesellschaft, die ganz die Fassung verliert und sich gegenseitig zu Fall bringt. Das Stück ist sprachlich nicht so überdeterminiert wie "Das Werk" und ganz im Ton eines alten Epos gehalten, eine Art Anrufung der Erde. Auch hier ist ein Grundthema: Gewalt.
Auf eine bizarre Baustellen-Szenerie, in der Tische mit Telefonen und Akten herumstehen, rieselt Sand und fällt fahles Licht von oben: Offensichtlich befinden wir uns im Inneren des durch den Archiveinsturz gerissenen Kraters. Die Vertreter der Baufirmen, die Anwohner, die Politiker, sind mit ihren Abwiegelungen und Entschuldigungen im O-Ton zu hören, hier dominiert die Stimmencollage, und eben das.
Welchen Preis haben wir für den Fortschritt zu bezahlen und wer zahlt dafür? Werden die Wunden der Natur zu den Wunden unserer Zukunft? Und: Wer hat die Macht, wer sind unsere neuen Götter? Das Stück löst buchstäblich einen Strom von Fragen aus, der – wie das Unglück – weit über die Stadt hinaus reicht. Der Karin Beier mit Elfriede Jelinek und mit diesem Abend und mit einem tollen Ensemble ein weiteres Theaterwunder beschert hat.