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Wehrtechnik. - Die Bundeswehr bekommt Aufklärungsdrohnen der jüngsten Generation. Gestern nachmittag wurde die erste von vier "Eurohawk" mit speziell für das deutsche Militär konzipierter Ausrüstung in Manching bei Ingolstadt vorgestellt.

Von Maximilian Schönherr |
    Am Rande der Startbahn in Manching, inmitten eines militärisch gesicherten Gebiets, steht ein nagelneuer Hangar, eigens gebaut für den Eurohawk. Dieses dunkelgraue führerlose Flugzeug kam im Juli aus dem Northrop-Werk in Kalifornien ohne Zwischenstopp angeflogen und landete um die Mittagszeit hier in Bayern. Jetzt steht es in der großen neuen Halle, quer geparkt, quer, damit die Journalisten, die Techniker, die Bundeswehrsoldaten, die an dieser Einweihungszeremonie teilnehmen, bequem drum herum gehen können. Die Spannweite der schlanken Flügel ist größer als die eines normalen Passagierflugzeugs. Der Eurohawk ist vor allem breit, und er hat einen fensterlosen Rumpf, der vorn dick und klobig wirkt.

    "It is totally autonomous. There is no pilot with a joystick that controls it. It's basically a large aircraft flying on autopilot all the time."

    Er fliegt völlig autonom. Am Boden sitzen zwar dafür verantwortliche Piloten, aber sie steuern den Eurohawk nicht, wie andere Drohnen, mit einem Joystick - sagt Jim Kohn, von Northrop Grumman. Kohn ist zuständig dafür, dass der Globalhawk, wie er in den USA heißt, zum Eurohawk umgebaut, also auf europäische, auf Bundeswehr-Bedürfnisse zugeschneidert wurde.

    Während die amerikanischen Varianten voll mit optischen Überwachungssystemen sind, also vor allem Kameras an Bord haben, die nach unten blicken, bekommt die Luftwaffe diese Drohne für die Signalaufklärung. Das Flugzeug hört, in der Regel geschützt aus großer Höhe, in den Funk- und Radarverkehr am Boden hinein, sammelt diese Daten und schickt sie über eine Satellitenverbindung nach Manching, wo sie entschlüsselt und ausgewertet werden. Später, wenn das Gerät an die Luftwaffe übergeht, ist das "Kommando Strategische Aufklärung" für den Datenhaushalt zuständig.

    Die Software ist eine Entwicklung der EADS-Tochter Cassidian und nennt sich Isis. Die Isis-Daten enthalten eine Verschlüsselung, die sie nur für die Deutschen verfügbar macht, nicht also etwa für andere Nato-Partner. Mark Heller ist bei Cassidian verantwortlich für diese Software:

    "Sie bekommen eine 'Area of Interest' angewiesen, wo Sie hinfliegen, wo auch immer das ist auf dieser Welt, wir haben ja mit Eurohawk die entsprechenden Reichweiten, sehr weit zu gehen. Und dann klären Sie das Gebiet auf."

    Die Daten, die Isis aus bis zu 20 Kilometern Höhe sammelt, können vom Funkverkehr zwischen Schiffen stammen oder Radarsignale von Flughäfen oder Bodenraketen sein. Auch die Bewegungsdaten von Raketen kann Isis mitverfolgen, denn sie fliegen auf Radarbahnen. Die Vorgängersysteme von Eurohawk waren bemannt und nicht annähernd so leistungsstark. Kann man der Drohne jetzt sagen: Flieg und sende alle Daten zurück, die du auffängst? Markus Heller:

    "Das können Sie tun, aber Sie empfangen dann natürlich jede Menge und haben Limitierungen, die ganzen Daten an den Boden zu bekommen und aufzuzeichnen. Sie werden als das System vorher einweisen auf Ihre Aufgabe."

    Die Radaraufklärungselektronik ist etwa eine Tonne schwer. Man sieht davon nur kleine Ausbuchtungen unter den Flügeln. Unter diesen "Radomen" stecken die Antennen. Für die Amerikaner eine Herausforderung, denn diese Knubbel verschlechtern die Flugeigenschaften des Eurohawk. Man musste bei Northrop Grumman also die Avionik, den Teil der Elektronik, die sich ums stabile Fliegen kümmert, entsprechend anpassen. Spricht die Flugelektronik denn mit der Aufklärungselektronik? Jim Kohn:

    "They do. The payload actually talks to the airplane and the airplane back to the payload as well. They are in constant communication."

    Sie sprechen dauernd miteinander, und, so Jim Kohn, es gibt keine Hierarchie zwischen ihnen. Die Aufklärungselektronik Isis bettelt darum, länger über einem bestimmten Gebiet zu verweilen, die Flugelektronik muss dafür die Sicherheit gewährleisten.

    Im nächsten Jahr wird der Eurohawk an die Bundeswehr übergeben werden. Vier weitere dieser Aufklärungssysteme der Superklasse sind bereits bestellt. In der Sprache der Militärs sind es übrigens, auch wenn sie nicht schießen können, "Waffensysteme".