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Abi-Krawalle in Köln
Polizei in der Kritik

In Köln sind Anfang der Woche die Abi-Streiche eskaliert: Bei Kämpfen rivalisierender Schülergruppen wurden zwei Jugendliche schwer verletzt. Zwar blieb es den Rest der Woche ruhig, doch Köln steht vor der Frage: Hätte man die Gewalt verhindern können?

Von Vivien Leue |
    Abiturienten stehen am 15.03.2016 in Köln (Nordrhein-Westfalen) vor dem Humboldt-Gymnasium. An Auseinandersetzungen von Abiturienten während der Mottowoche vor den Abi-Prüfungen am Humboldt-Gymnasium sollen laut Polizei rund 200 Schüler beteiligt gewesen sein. Foto: Oliver Berg/dpa
    Das Humboldt-Gymnasium in Köln war schon in den vergangenen Jahren Zielscheibe von Abitur-Streichen. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    "Es war total erschreckend, weil man hat einfach nicht erwartet, dass so eine schlimme Sache aus dem Abi-Krieg entstehen kann. Ursprünglich, alle haben sich getroffen um Spaß zu haben und es hat niemand eine böse Intention gehabt."
    Auch einige Tage nachdem in Köln der als Spaß begonnene "Abi-Krieg" zwischen verschiedenen Gymnasien der Stadt eskaliert ist, zeigen sich die Schüler noch schockiert.
    "Es war gar keine aggressive Stimmung, alle waren auf Spaß aus, sogar das Humboldt. Die haben immer 'ehrenlos' geschrien, wenn Leute mit Eiern geworfen haben, das haben alle verstanden, weil es tatsächlich ehrenlos ist und nicht das Ziel des Abi-Kriegs."
    Das Ziel, so erklärt es dieser 18 Jahre alte Abiturient, der seinen Namen lieber nicht im Radio hören will, war es, sich mit Wasserpistolen und Wasserbomben zu bekämpfen. Im Mittelpunkt stand dabei, wie schon in den vergangenen Jahren, das Humboldt-Gymnasium in der Kölner Südstadt.
    Dort trafen Montagabend 50 Schüler des Gymnasiums auf rund 150 Abiturienten anderer Schulen. Die Gruppen hatten sich schon vorher in den sozialen Netzwerken gegenseitig aufgestachelt, martialisch anmutende Videos im Netz heizten die Stimmung zusätzlich auf.
    Dann eskalierte die Situation, statt mit Wasserbomben warfen Unbekannte mit härteren Gegenständen, wahrscheinlich Steinen und Glasflaschen. Feuerwerkskörper wurden gezündet und gezielt auf Personen geworfen. Polizeisprecher Thomas Held spricht von "tumultartigen Szenen":
    "Bei dieser Auseinandersetzung sind leider drei Schüler verletzt worden, zwei davon so schwer, dass sie stationär in einem Krankenhaus behandelt werden mussten."
    Bilanz des Abends: Neben leichteren Verletzungen, erlitt ein 18-Jähriger einen Schädelbasisbruch, ein zweiter 18-Jähriger liegt mit einem gebrochenen Jochbein und verletztem Auge im Krankenhaus. Schon am Wochenende davor gab es mehrere Polizeieinsätze wegen ausufernder Abi-Streiche: Buttersäure wurde ausgeschüttet, Schulen beschmiert, ein Schultor beschädigt, Anwohner beschwerten sich über Ruhestörungen.
    "Unsere Aufgabe ist es jetzt auch, die Straftaten, die geschehen sind, lückenlos aufzuklären. Diesbezüglich hat der Behördenleiter eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, das heißt, Kriminalpolizistinnen und Kriminalpolizisten freigestellt, die sich ausschließlich um Straftaten rund um Mottowochen und Abi-Streiche kümmern werden."
    Humboldt-Gymnasium immer wieder Zielscheibe
    Ganz überraschend kam die Eskalation in der diesjährigen Abi-Mottowoche nicht - viele hatten die Entwicklung schon vorhergesehen. Der Schulleiter des Humboldt-Gymnasiums, das seit etwa zwei Jahren Hauptzielscheibe des jährlich wiederkehrenden Abi-Kriegs ist, berichtet, dass die Streiche und Kämpfe der Abiturienten von Jahr zu Jahr extremer werden.
    Die Bonner Kulturwissenschaftlerin Katrin Bauer, die sich seit über einem Jahrzehnt mit Abi-Ritualen befasst, sieht das ähnlich:
    "Das ist schon eine neue Dimension, die wir hier dieses Jahr erleben. Aber es hat sich in den letzten zwei, drei Jahren angedeutet, dass es in Köln in dieser letzten Woche vor den Abi-Klausuren immer schon zu einzelnen Zwischenfällen gekommen ist."
    Kölner Polizei wieder in der Kritik
    Gerade weil sich eine Eskalation abzeichnete, steht jetzt die Polizei in der Kritik. Sie habe in der Nacht zu zögerlich reagiert, heißt es vonseiten der Schüler und deren Eltern. Polizeisprecher Held widerspricht:
    "Bei solchen Tumultdelikten ist es einfach schwierig, die Situation zu überblicken. Dafür braucht man ein geschultes Auge, das haben wir als Polizei. In der Einsatzsituation haben wir rivalisierende Gruppen voneinander getrennt, wir haben uns um Verletzte gekümmert, und sie nachher auch durchgesetzt."
    Nach der Kölner Silvesternacht, in der ebenfalls Vorwürfe laut wurden, die Polizei habe die Situation zu spät unter Kontrolle gehabt, müssen sich die Kölner Sicherheitsbehörden also wieder vorwerfen lassen, die Lage nicht richtig eingeschätzt zu haben.
    Immerhin: Seit Dienstag ist es ruhig geblieben. Die Polizei zeigt nachts vor den Schulen mehr Präsenz und die Abiturienten haben ihrerseits weitere Aktionen abgesagt:
    "Die Mottowoche wurde Montagabend abgebrochen, das heißt, ab jetzt wird nur noch mit der Stufe zusammen gegrillt oder mit anderen Schulen gegrillt, um quasi die Woche in Ruhe abklingen zu lassen."