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Abi ohne Wert?
Schulen müssen eigene Bildungsansprüche festlegen

Aus Sicht der Bildungsforscherin Ute Frevert sinkt der Schwierigkeitsgrad an deutschen Schulen, damit möglichst viele junge Menschen das Abitur bestehen. Dabei werde darauf verwiesen, dass Deutschland mehr Akademiker brauche, sagte Frevert im DLF. Inzwischen würden aber aus der Wirtschaft und den Hochschulen Zweifel daran laut.

Ute Frevert im Gespräch mit Stephanie Rohde |
    Bildungsforscherin Prof. Ute Frevert (4.11.2008).
    Bildungsforscherin Prof. Ute Frevert (imago / Hans Scherhaufer)
    Frevert kritisierte, dass es in Deutschland nach wie vor das alte Berechtigungswesen gebe. Die Allgemeine Hochschulreife berechtige zu einem Studium - anders als etwa in den USA, wo nach dem Highschool-Diplom noch die Aufnahmeprüfung der Universitäten warte. Die Bildungsforscherin meint, das führe dazu, dass die deutschen Hochschulen zunehmend mit jungen Menschen konfrontiert würden, die nicht studierfähig seien.
    Die Hochschulen wiederum antworteten darauf ebenfalls mit einer Noteninflation, sodass die Auswahl geeigneter Absolventen letztendlich an den Arbeitgebern hängen bleibe. Die Politik überlasse es damit letzten Endes den Familien, Kinder ausreichend mit Bildungswissen auszustatten, dass sie ihre Konkurrenten überflügeln können und eingestellt werden. Das sei "das Ungerechteste, was man sich vorstellen kann", sagte Frevert. Ohnehin sei ein Studium heute längst nicht so entscheidend, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt werde. "Auch eine Bäckerlehre oder eine Mechatronikerlehre schützt vor Arbeitslosigkeit", so Frevert.
    Sie forderte, dass Schulen wieder verstärkt ihre eigenen Bildungsansprüche festlegen müssten. Kinder sollten nicht nur Alltägliches lernen wie Zeitunglesen, sondern auch den Umgang mit sperrigem Material wie einem alten Goethe-Text.
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