Archiv


Abijahrgang komplett durchgefallen

An einer privaten Fachoberschule in Schweinfurt sind alle 27 Abiturienten durch die Prüfungen gefallen. Die Schuld sehen Schüler und Eltern bei den Lehrern. Diese seien selbst schlecht vorbereitet gewesen und hätten mit veraltetem Lehrmaterial gearbeitet, so die Vorwürfe.

Von Norbert Steiche |
    Ali, Sabrina und Jonas sind am Boden zerstört. Sie haben ihre schriftlichen Prüfungen in Mathematik, Deutsch und Englisch – und weil es eine wirtschaftlich orientierte private Fachoberschule ist – in Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen absolviert. Sie sind aber, sagen sie, alle mit Pauken und Trompeten durch die Prüfungen gefallen:
    "Psychisch sind wir echt kaputt und total deprämiert. Wir wissen nicht, was wir machen sollen. Wir haben unsere Zukunft auf das Abi aufgebaut. Mit Studium und so. Und jetzt stehen wir da ohne Abi." - "Dass dann wirklich keiner durchkommt. Wenn man sich auch die Schnitt vor allem in Mathematik, in BWR mit null Komma anguckt, dann kann man ja nicht sagen: Das waren 27 zu faule Schüler. Das funktioniert nicht."
    Sie fühlen sich komplett schlecht vorbereitet. Die Schule hinkt im Lernstoff weiter hinter dem der staatlichen Fachoberschule her, wichtige Vorbereitungsbücher haben gefehlt und einzelne Lehrer waren in ihren Fächern selbst nicht sattelfest, sagen sie:
    "Es kam so rüber, als hätten sie keine Ahnung davon."
    Großes Problem ist nun, dass für Schüler einer privaten Fachoberschule nur die Prüfungen in den Abiturfächern zählen. Alle Vorzensuren gehen nicht in die Bewertung ein. So wie es an staatlichen Fachoberschulen der Fall ist. Die Fachabiturprüfungen wurden zentral vom Bayerischen Kultusministerium gestellt. Dass ihre schriftlichen Zeugnisnoten in den zwei Jahren nicht zählten, das haben die Schüler erst während des letzten Jahres erfahren, sagen sie:

    "Es ist einfach ein Witz. Es kann einfach nicht sein, dass 27 Leute durchfallen. Da muss irgendwas faul sein."
    Das Bayerische Kultusministerium will die betroffenen Schülern nun dabei unterstützen, auf einer staatlichen Fachoberschule das Fachabitur abzulegen, denn auf der Privatschule will es bislang keiner der Schüler noch mal versuchen. Um allerdings an eine staatliche Fachoberschule zu kommen, müssen Schüler - wenn ihre Vornoten aus der Realschule reichen - zunächst eine sogenannte Feststellungsprüfung ablegen. Dabei wird ihr Wissen vor allem in Mathematik überprüft. Man wolle jedem eine Chance einräumen, sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage. Die staatlichen Schulen würden dazu angehalten, bei dem Verfahren großzügig vorzugehen, sagte er weiter.

    Am Freitag hatte die Schulleitung die Eltern und Schüler zu einem Gespräch eingeladen. Die Schulleitung hat nach Aussage mehrerer Eltern dabei angeboten, dass die Schüler das Jahr ohne die Zahlung von monatlich 140 Euro Schulgeld wiederholen können. Das lehnen viele Eltern bislang ab. Sie hoffen, dass ihre Kinder auf der staatlichen Fachoberschule aufgenommen werden. Sandra Eichhorn und ihre Tochter Claudia sind wütend
    "Die Schule schiebt im Großen und Ganzen den Schülern die Schuld zu und, sagt, dass wir uns schlecht vorbereitet hätten und unmotiviert sind. Aber dass gravierende Fehler gemacht worden sind, das geben die einfach nicht zu." - "Wir haben ja Anfang der zwölften Klasse gemerkt, dass einige Fächer nicht so ganz gut vorbereitet sind und sind darauf zugegangen, dass wir bitten, dass die verstärkt geschult werden und leider ist das nicht Ernst genommen worden."
    20 Eltern haben eine Rechtsanwältin eingeschaltet. Die soll nun prüfen, welche Möglichkeiten es für die betroffenen Schüler gibt.
    ""Wir wollen auf keinen Fall, dass diese Schule weiterläuft. Was da den Schülern angetan wurde. Die ganze Klasse hat das ganze Jahr über gepaukt. Wirklich gelernt, gelernt, gelernt. Aber nicht mit den passenden Büchern und nicht ausreichender Stoffvermittlung. Also im Moment sieht es wirklich so aus, als wären die zwei Jahre ins Klo gespült","

    sagt Andrea Ulsenheimer, Mutter eines betroffenen Schülers.

    Das Kultusministerium will den Schülern und ihren Eltern als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Der Ministerialbeauftragte für die Fach- und Berufsoberschulen wird nun die Situation an der privaten Fachoberschule in Schweinfurt schulaufsichtlich prüfen. Dabei werde eine klare Ursachenforschung betrieben, eine gemeinsame Bilanz gezogen, eine Mängelliste erstellt und Fragen an die künftige Ausbildung an der Schule gestellt, sagte der Ministeriumssprecher. Die 2011 gegründete Schule soll nun die Chance bekommen, sich mit dem nächsten Fachabiturjahrgang zu bewähren. Gelingt das nicht, könnte sie auch dicht gemacht werden.