Wie gerecht geht es beim Abitur zu? Ist das Abi in Bremen möglicherweise zu einfach – oder in Sachsen zu schwierig? Über die Unterschiede zwischen den Bundesländern rund um den höchsten deutschen Schulabschluss wird immer wieder diskutiert. Die Kultusministerinnen und Kultusminister der Länder wollen das Abitur nun stärker vereinheitlichen. Das Bundesverfassungsgericht hatte das bereits 2017 angemahnt, da zwei Bewerberinnen auf das Medizinstudium geklagt hatten. Sie zweifelten das Zulassungsverfahren an, das Gericht stellte aber unter anderem auch fest, dass die Länder eine höhere Vergleichbarkeit des Abiturs gewährleisten müssen.
Wie stark unterscheidet sich das Abitur zwischen den Bundesländern?
Ob Regeln für die Wahl der Leistungskurse oder Inhalte der Lehrpläne: Auf dem Weg zum Abitur gibt es bislang viele Unterschiede zwischen den Bundesländern, denn Bildung ist in Deutschland Ländersache. So legen die Schülerinnen und Schüler das Abitur in einigen Ländern nach zwölf Jahren ab, in anderen nach dreizehn – und in manchen Ländern laufen beide Systeme parallel. Während im Saarland nur zwei Leistungskurse belegt werden müssen, sind es in Thüringen vier.
In Mathematik, Deutsch, Englisch und Französisch gibt es zwar ein bundesweites Zentralabitur, in allen anderen Fächern jedoch nicht. Die Länder sind außerdem nicht verpflichtet, alle Aufgabenstellungen aus dem gemeinsamen Aufgabenpool für das Zentralabitur zu entnehmen.
Zudem wird die Gesamtnote je nach Bundesland anders berechnet: Mal zählen Kurse doppelt, mal nicht, mal fließen manche Kurse gar nicht in die Abiturnote ein. All diese und weitere Unterschiede machen das Abitur nur begrenzt vergleichbar. Und sie führen oft zu Problemen für Schülerinnen und Schüler, die während der letzten zwei Schuljahre in ein anderes Bundesland umziehen, etwa bei der Anrechnung von Kursen oder weil Fächer zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgewählt werden können.
Auch die Abschlussnoten unterscheiden sich stark: 2022 schafften in Thüringen 45 Prozent der Schülerinnen und Schüler ein „Einserabi“, also einen Schnitt zwischen 1.0 und 1.9. In Schleswig-Holstein gelang das nur knapp einem Viertel der Abiturientinnen und Abiturienten. Die Durchfallquoten sind ebenfalls abhängig vom Bundesland: Während in Baden-Württemberg nur 2,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Abiturprüfungen nicht schafften, fielen in Mecklenburg-Vorpommern fast 7 Prozent durch.
Was bedeuten die neuen Beschlüsse zum Abitur für die Schülerinnen und Schüler?
Die Regelungen für die gymnasiale Oberstufe sollen in allen Bundesländern einheitlicher werden. Die Änderungen betreffen die Qualifikationsphase, also die letzten Jahre vor dem Abitur. Die Abiturprüfungen an sich sind nicht betroffen.
Es soll künftig überall nur noch zwei bis drei Leistungskurse geben, bisher waren bis zu vier erlaubt. Naturwissenschaften sollen mindestens mit drei Wochenstunden unterrichtet werden, bisher waren es zwei Stunden die Woche. Gesellschaftswissenschaften sollen mindestens sechs Schulhalbjahre lang belegt werden, bislang reichten vier Schulhalbjahre aus.
Zudem ist die Gesamtzahl der Halbjahreskurse auf 40 festgelegt. Nur in Ausnahmefällen dürfen es 36 sein, also ein Kurs pro Halbjahr weniger. Damit ist die Anzahl der Kurse, die in die Berechnung der Gesamtnote einfließen, auf 36 gesetzt.
Diese neuen Regelungen gelten spätestens ab 2027 und zwar für Schülerinnen und Schüler, die dann in die Einführungsphase kommen: Im G8-System ist das die 10. Klasse, bei G9 die 11. Das bedeutet, dass spätestens der Abiturjahrgang 2030 einen Abschluss nach den neuen Regeln erwirbt.
Wie vergleichbar ist das Abitur dann zwischen den Bundesländern?
Laut Kultusministerkonferenz ist das Abitur dann so einheitlich wie noch nie. Fest steht auch, dass die Reform für einige Länder mehr Veränderungen bringen wird, als für andere.
Einige Stimmen warnen aber davor, von einer echten Vergleichbarkeit zu sprechen. Der Deutsche Lehrerverband bezeichnet die Änderungen als „Trippelschrittchen“ und verweist zum Beispiel auf die Unterschiede in den Abituraufgaben. Auch die Bundeskonferenz der Schülerinnen und Schüler ist nur vorsichtig optimistisch. Laut der Generalsekretärin sind die Voraussetzungen auch innerhalb der Bundesländer ungleich, sei es durch die Region oder die Lehrkräfte. Daher kann es nicht nur von Bundesland zu Bundesland sondern auch von Schule zu Schule Unterschiede geben.
Quellen: Deutschlandradio, Claudia van Laak, Britta Mersch, dpa, KNA, Kultusministerkonferenz, Bundesverfassungsgericht, Bürgerservice, Statista