"Ja, ich war schockiert: Wie kann jemand das veröffentlichen? Und was soll das? Das geht einfach nicht!"
Denise Fuchs ist Abiturientin am Graf-Zeppelin-Gymnasium Friedrichshafen. Wie viele tausend andere Abiturienten im Land traute sie ihren Augen nicht: Kaum war die stundenlange Brüterei über das Mathe-Abitur zu Ende
"..mit Vektoren, Analysis ableiten, integrieren...alles ... "
folgte eine Überraschung auf dem Fuße, mit der die Abiturienten nicht gerechnet hatten: Fotos der Aufgabenblätter, aber auch der amtlichen Lösungswege erschienen im Internet.
"..mit Vektoren, Analysis ableiten, integrieren...alles ... "
folgte eine Überraschung auf dem Fuße, mit der die Abiturienten nicht gerechnet hatten: Fotos der Aufgabenblätter, aber auch der amtlichen Lösungswege erschienen im Internet.
"Ich hab's über WhatsApp zugeschickt bekommen. Und ich war ziemlich schockiert. Ich hab' zuerst geschaut, ob das wirklich sein kann, ob es wirklich die Lösungen sein können. Das war dann auch so, weil ein paar Lösungen kamen mir dann bekannt vor, die anderen leider nicht."
Und das ist auch der Grund dafür, weswegen dieser Abiturient am Graf-Zeppelin-Gymnasium seinen Namen nicht nennen will: Viele stellten nämlich schockiert fest, dass sie mit ihren Lösungen im Mathe-Abitur nur kurze Zeit zuvor ziemlich auf dem Holzweg waren. Er selbst war, als er die Lösungen anschaute, ziemlich geknickt – und das in einer Situation, in der die Abiprüfungen in anderen Fächern weitergehen und man eigentlich derartigen Stress gerne vermeiden möchte.
"Je nachdem wie gut man war: Es kann Druck abbauen. Es kann aber Druck aufbauen. Nicht so toll."
Fieberhafte Suche nach der undichten Quelle
Wie dem auch immer sei: Rechtlich zulässig ist die Veröffentlichung der Abi-Aufgaben im Internet kurz nach der Prüfung inklusive Lösungen auf gar keinen Fall. Helle Aufregung daher im baden-württembergischen Kultusministerium: Wie konnten die Vordrucke mit Aufgaben und Lösungen, die eigentlich unter Verschluss zu halten sind, ins Internet gelangen? Fieberhafte Suche nach der undichten Quelle das ganze Wochenende über – heute Vormittag schließlich der, wenn man so will, "Fahndungs-Erfolg":
"Aus unser Sicht ist der Sachverhalt inzwischen aufgeklärt", erklärte Michael Herrmann, Sprecher des baden-württembergischen Kultusministeriums, am späten Vormittag. Der Whistleblower war in diesem Fall selbst Abiturient – mit besonderen Beziehungen zu den Vordrucken mit den Lösungen.
"Heute morgen hat sich bei uns ein Lehrer eines Allgemeinbildenden Gymnasiums in Baden-Württemberg gemeldet. Und der hat uns berichtet, dass dessen Sohn, der selber am Mathematik-Abitur teilgenommen hatte, zu Hause unerlaubt die Korrekturhinweise abfotografiert hatte. Er hat sie dann anschließend einigen Mitschülern zugeleitet. Der Vater hat dann noch versucht, die Weiterleitung zu stoppen. Doch dann hat sich das dann doch sehr schnell über WhatsApp verbreitet und dann zu dieser großen Irritation im Land bei Schülerinnen und Schülern geführt."
Die Klausur wird nicht wiederholt
Ganz wichtig erscheint für Ministeriumssprecher Herrmann der Zeitpunkt, zu dem dies alles geschah: " ... und zwar nach der Prüfung."
Damit fällt vielen Abiturienten ein Stein vom Herzen: Zwar hatten sie die Lösungen der Abi-Aufgaben nach der schriftlichen Prüfung entdeckt. Doch wie lange die schon im Netz standen, war erst einmal unklar. Und das sorgte für die schlimme Befürchtung, "dass wir eventuell Mathe nachschreiben müssen. Und da war ich zunächst schon sehr besorgt. Denn ich will auf keinen Fall nochmals Mathe nachschreiben", so Denis Fuchs vom Graf-Zeppelin-Gymnasium Friedrichshafen.
Seit dem späten Vormittag sind ihre Bedenken aber höchst regierungsamtlich ausgeräumt. Denn dass die Abi-Aufgaben nebst Lösungen vor der Prüfung im Netz standen, könne nun definitiv ausgeschlossen werden, so Michael Hermann, Sprecher des Kultusministeriums Baden-Württemberg:
"Insofern ist die Rechtmäßigkeit des Abiturs überhaupt nicht infrage gestellt. Und es wird definitiv keine Wiederholung des Abiturs mehr geben."
Wohl aber sehr ernsthafte Gespräche mit dem betroffenen Lehrer und dessen Sohn, der die Abi-Unterlagen fotografiert und ins Netz gestellt hatte. Das Ministerium schließt selbst disziplinarrechtliche Folgen nicht aus. Baden-Württembergs Abiturienten reagieren erleichtert darüber, dass für sie das schriftliche Mathe-Abi erledigt ist.