Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed erhält den Friedensnobelpreis 2019. Der 43-Jährige werde für den Friedensschluss mit dem Nachbarland Eritrea ausgezeichnet, teilte das norwegische Nobelkomitee in Oslo mit.
Im September war Abiy bereits mit dem Hessischen Friedenspreis ausgezeichnet worden.
Im Sommer 2018 hatte Abiy überraschend verkündet, er würde mit Erzfeind Eritrea bedingungslos Frieden schließen. Dies war zuvor fast undenkbar: Die beiden Staaten führten von 1998 bis 2000 einen blutigen Grenzkrieg und blieben danach verfeindet.
Historischer Friedensschluss und bürgerrechtliche Fortschritte
Seit dem Friedensschluss 2018 haben die beiden Staaten zwar wenig Fortschritt gemacht: Kaum Gespräche wurden geführt, große Streitpunkte sind noch immer offen. Doch die Symbolkraft des Friedensschlusses in den Ländern und der Region war enorm.
Auch aus bürgerrechtlicher Sicht gab es seit Abiys Amtsantritt im April 2018 Fortschritte. Er stärkte Frauenrechte und das ostafrikanische Land ist in der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" um 40 Plätze aufgestiegen und diesbezüglich nun vergleichbar mit dem EU-Land Bulgarien.
"Abiy Ahmed hat den Friedensnobelpreis verdient", meint Dlf-Journalist Kolja Unger, der in diesem Jahr mehrere Wochen in Äthiopien als Reporter recherchierte: "Er wird vor allem im Westen als der 'Obama Afrikas' gehandelt, weil er den historischen Friedensschluss mit Eritrea herbeigeführt und zu einem enormen Anstieg von bürgerlichen Rechten, wie Pressefreiheit im Land beigetragen hat."
Vorschusslorbeeren für Abiy
Dabei müsse man die Auszeichnung, wie einst bei Obama, als Vorschusslorbeeren sehen, so Unger. Denn die Putschversuche im vergangenen Juni, etwa das tödliche Attentat auf den Präsidenten der Amhara-Region und auch die sehr zurückhaltende Bewertung Abiys dieser Geschehnisse, zeigten eines ganz deutlich: Er stehe vor komplexen multiethnischen Konflikten innerhalb des Vielvölkerstaates Äthiopien.
Auch der äthiopische Journalist Laeke Demessie sagte dem Deutschlandfunk im September: "Für eine politische Wende braucht es mehr als nur einen Mann. Ich traue der Freiheit nur, wenn es Wahlen gibt und eine andere Regierung an die Macht kommt."
Denn auch Abiy machte einst im Militär und im Geheimdienst Karriere und ist Vertreter der äthiopischen Einheitspartei, die seit den 1990er-Jahren teils diktatorisch regierte.
Laut Unger werde spannend, wie die im kommenden Jahr anstehenden Parlamentswahlen verlaufen werden: "Sie werden zeigen, ob Äthiopien unter Abiy Ahmed sich wirklich eines Aufbruchs in die Demokratie rühmen darf."
Zunächst ist die Vergabe des Friedensnobelpreises an Abiy in seiner Heimat aber mit Jubel aufgenommen worden. "Das ist eine wohlverdiente Anerkennung für den Ministerpräsidenten", erklärte der prominente Aktivist Jawar Mohamed.
"Das ist ein Preis, der Afrika verliehen wird"
Abiy selbst sagte in einem Telefonat mit dem Sekretär des norwegischen Nobelkomitees: "Das ist ein Preis, der Afrika verliehen wird, der Äthiopien verliehen wird." Er sei sehr froh über die Ehrung. "Ich danke Ihnen vielmals. Ich bin so glücklich und so begeistert über die Nachricht", so Abiy weiter.
Selbst von Abiys Kritikern gab es Respekt und Anerkennung. "Trotz unserer großen politischen Differenzen gratuliere ich Ministerpräsident Abiy Ahmed", erklärte sein politischer Gegner Desta Haileselassie in den sozialen Medien.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach Abiy seinen "tiefen Respekt" und seine Anerkennung aus. Er schickte dem Friedensnobelpreisträger ein Glückwunschschreiben und würdigte dabei Abiys "entscheidende Rolle beim historischen Friedensschluss mit Eritrea". Abiy habe durch sein "mutiges und tatkräftiges Engagement" gezeigt, "dass alte und tiefe Gräben zwischen Menschen und Völkern doch überwunden werden können".
Ähnlich äußerte sich auch UN-Generalsekretär António Guterres, der Abiys Leistung als "wunderbares Beispiel" für die Möglichkeit zur Überwindung historischer Konflikte hervorhob.
Der Friedendnobelpreis gilt als die renommierteste politische Auszeichnung der Welt und ist mit umgerechnet rund 830.000 Euro dotiert.
Anders als die anderen Nobelpreise, wird der Friedensnobelpreis nicht in Stockholm, sondern in Oslo verliehen. Der schwedische Chemiker und Industrielle Alfred Nobel (1833-1896) hatte die Nobelpreise gestiftet. Der Erfinder des Dynamits widmete den Friedensnobelpreis Verdiensten um Völkerverständigung, Abrüstung und Frieden.
Im vergangenen Jahr wurde die Auszeichnung der Jesidin Nadia Murad und dem kongolesischen Arzt Denis Mukwege verliehen. Sie wurden für ihren Einsatz gegen sexuelle Gewalt in Konflikten geehrt.