In den 1960er-Jahren boomte die Wirtschaft. Immer neue Fabriken entstanden, die Schornsteine rauchten, die Natur musste weichen, Felder und Äcker wurden mit allem besprüht, was die Erträge steigerte. An Umweltschutz dachte damals noch so gut wie niemand, sagt Jörg Matschullat, Professor für Geoökologie an der Bergakademie Freiberg. Nur wenige mahnten und setzten sich für den Schutz von Feuchtgebieten ein, als Ende der 1960er-Jahre klar wurde, dass die Bestände an Wasservögeln dramatisch eingebrochen waren. Jörg Matschullat:
"Es handelt sich um eine Art von Ökosystem, was als mehr oder weniger wertlos gesehen wurde. Das heißt, wenn ich mit einem Sumpf nichts anfangen kann, naja, dann kann ich ja einen Sumpf gut zum Schutzgebiet machen, platt gesagt. Dass das die Biologen, die Ökologen nicht so sehen, das ist selbstverständlich. Aber die sind ja nun nicht in den Entscheidungssitzen dieser Welt. Und so war das wahrscheinlich sogar ein äußerst kluger Schachzug, mit so etwas anzufangen."
Ältestes internationales Naturschutzabkommen
Denn der Schutz von scheinbar nutzlosen Flächen löste keine großen Widerstände in Politik und Wirtschaft aus. Auf Betreiben der UNESCO arbeiteten Wissenschaftler, Regierungsvertreter und Umweltorganisationen also einen völkerrechtlichen Vertrag aus, der am 2. Februar 1971 in der iranischen Stadt Ramsar von 18 Nationen beschlossen wurde: das "Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel von internationaler Bedeutung". Die Ramsar-Konvention ist damit die älteste internationale Vereinbarung zum Schutz der Natur und bis heute die einzige, die sich auf einen einzigen Ökosystemtyp konzentriert.
Bis heute haben 171 Staaten das Übereinkommen unterzeichnet und insgesamt 2,5 Millionen Quadratkilometer unter Schutz gestellt. Das entspricht einer Fläche größer als Grönland. Dazu gehören das Wattenmeer, das Okavango-Delta in Botswana, der Tschadsee und auch das Biebrza-Flusstal im Nordosten Polens.
In unzähligen Schleifen und Altarmen schlängelt sich der Fluss dort durch das größte und ursprünglichste Torfmoor-Gebiet Mitteleuropas. Wildgänse, Kraniche und unzählige seltene Arten wie Schelladler oder Seggenrohrsänger sind in den Sümpfen zuhause. Hier griff die Ramsar-Konvention mit Erfolg, so Jörg Matschullat:
"Weil sie genau das erreicht hat, was sie sollte: nämlich den Schutz dieser Feuchtgebiete und damit den Schutz der Lebewesen zu garantieren. Das hat sie vollumfänglich erreicht, dort wo eben Ramsar-Schutzgebiete sind."
"Weil sie genau das erreicht hat, was sie sollte: nämlich den Schutz dieser Feuchtgebiete und damit den Schutz der Lebewesen zu garantieren. Das hat sie vollumfänglich erreicht, dort wo eben Ramsar-Schutzgebiete sind."
Für Verlust der Feuchtgebiete "zahlen wir alle den Preis"
Aber eben auch nur dort. Die Umweltorganisation Wetlands International gehörte zu den Gründungsmüttern der Ramsar-Konvention. Ihre Vorsitzende ist die britische Biologin Jane Madgwick:
"Die Ramsar-Konvention hat großartige Arbeit darin geleistet, Aufmerksamkeit auf Feuchtgebiete zu lenken. Wir wissen heute so viel darüber, aber trotzdem geht es ihnen nicht gut. Die Geschwindigkeit, mit der wir zurzeit Feuchtgebiete verlieren, ist dreimal so hoch wie bei Wäldern. Und dafür zahlen wir als Gesellschaft alle den Preis - in jeder Region der Welt."
Großteil weltweiter Nahrungsmittelproduktion findet in Feuchtgebieten statt
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind weltweit mehr als 60 Prozent aller Feuchtgebiete verschwunden. Sie wurden trockengelegt, bebaut oder in Ackerland umgewandelt. Und das, obwohl intakte Feuchtgebiete eine ganze Reihe wichtiger Funktionen für die Menschheit erfüllen. Sie schützen vor Überflutungen, indem sie bei Hochwasser wie ein Schwamm enorme Mengen Wasser speichern können. Sie tragen zu einer guten Wasserqualität bei. Ein großer Teil der weltweiten Nahrungsmittelproduktion findet in Feuchtgebieten statt, wie etwa Reisanbau oder Fischfang. Und sie leisten einen gewaltigen Beitrag zum Klimaschutz, sagt Jörg Matschullat.
"Feuchtgebiete können Kohlenstoffquellen und Kohlenstoffsenken sein. Ein natürliches Feuchtgebiet, eines, das sich entwickeln und wachsen kann, ist immer eine Senke und zwar eine sehr, sehr effiziente Senke für Kohlenstoff. Wenn ich ein solches Gebiet allerdings entwässere oder in anderer Weise störe, dann kann es sehr, sehr schnell, quasi umgehend, zur Kohlenstoffquelle werden. Dieser Kohlenstoff liegt ja in verschiedenen Formen vor, der ist ja nicht mineralisch gebunden. Und dadurch geht dann die Freisetzung auch relativ schnell."
Aus gestörten Mooren und Feuchtgebieten entweichen so jede Menge Treibhausgase und heizen das Klima weiter an. Die Ramsar-Schutzgebiete dagegen sind Kohlenstoffsenken und schützen so nicht nur unzählige Wasservögel, sondern auch das Klima.
"Feuchtgebiete können Kohlenstoffquellen und Kohlenstoffsenken sein. Ein natürliches Feuchtgebiet, eines, das sich entwickeln und wachsen kann, ist immer eine Senke und zwar eine sehr, sehr effiziente Senke für Kohlenstoff. Wenn ich ein solches Gebiet allerdings entwässere oder in anderer Weise störe, dann kann es sehr, sehr schnell, quasi umgehend, zur Kohlenstoffquelle werden. Dieser Kohlenstoff liegt ja in verschiedenen Formen vor, der ist ja nicht mineralisch gebunden. Und dadurch geht dann die Freisetzung auch relativ schnell."
Aus gestörten Mooren und Feuchtgebieten entweichen so jede Menge Treibhausgase und heizen das Klima weiter an. Die Ramsar-Schutzgebiete dagegen sind Kohlenstoffsenken und schützen so nicht nur unzählige Wasservögel, sondern auch das Klima.