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Absage an chemische Keule

Die neue DIN-Norm 68800 regelt, welcher Holzschutz der bessere ist. So soll in Innenräumen künftig konstruktiver Holzschutz eingesetzt werden. Auf chemische Holzschutzmittel ist danach zu verzichten.

Von Wolf-Sören Treusch |
    Holz muss vor Insekten geschützt werden. Entweder chemisch durch Fungizide oder Insektizide, mit denen das Holz gestrichen oder getränkt wird, oder konstruktiv, indem etwa Balken so sicher eingebaut werden, dass Insekten oder Pilze gar keine Chance bekommen, das Holz zu befallen. Lange standen beide Verfahren nebeneinander, jahrelang wurde im Deutschen Institut für Normung diskutiert, welche Art von Holzschutz die bessere sei. Jetzt steht das ökologisch korrekte Ergebnis fest: In Innenräumen soll konstruktiver Holzschutz eingesetzt werden, auf chemische Holzschutzmittel ist zu verzichten. Dorothea Steiner, umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

    "Das gefällt der Bauchemie natürlich nicht, aber alle Beteiligten, das Umweltbundesamt, die Fachaufsicht, alle anderen Parteien sagen, das brauchen wir nicht, es ist überflüssig, wir können es im Innenbereich vermeiden und dann ist es natürlich für die Bewohner sehr viel besser."

    Die DIN-Norm 68800 'Holzschutz' besteht aus vier Teilen. Zu jedem der vier Teile gab es mehrere Hundert Einsprüche, zwei Schlichtungsverfahren wurden notwendig. Die Deutsche Bauchemie, der Interessenverband der Holzschutzmittelhersteller, lehnte Teile des Schlichtungsvorschlags ab – "aus wissenschaftlichen Gründen", so der offizielle Wortlaut. Tatsächlich säte der Verband gezielt Zweifel: Wie sicher kann ein Bauherr sein, dass das sogenannte technisch getrocknete Holz, das Holz, das heutzutage im Hausbau üblicherweise verwendet wird, tatsächlich so trocken ist, dass es nicht von Insekten befallen wird und dementsprechend auch keine chemische Vorbehandlung nötig ist?

    Diese Zweifel hat Roland Glauner ausräumen können. Er hat für die in Holzbau Deutschland zusammengeschlossenen Zimmermeister am Normungsverfahren teilgenommen und mit einer Umfrage unter Holzsachverständigen die von der Bauchemie gestreuten Zweifel widerlegt.

    "Ich habe überraschend viele Antworten bekommen, weil der Fragebogen auch sehr kurz gehalten worden ist, also über 50 Prozent haben mir geantwortet der Sachverständigen, und es gab nirgendwo einen Insektenschaden bei technisch getrocknetem Holz, es sei denn, da war vorher der Pilz dran. Also wenn vorher Wasser dran ist, wenn es einen Pilzschaden gegeben hat, dann geht auch das Insekt da dran."

    Diskutiert wurde auch der Einsatz der chemischen Holzschutzmittel in Innenräumen, die baurechtlich zugelassen sind. Doch auch das lehnte der Normenausschuss ab.

    "Was dagegen spricht, ist, dass ich bis jetzt kein Mittel kenne, das einen solchen baurechtlichen Verwendbarkeitsnachweis hat, das Deutsche Institut für Bautechnik hat früher immer das Holzschutzmittelverzeichnis herausgegeben, da gab es immer eine Menge Einschränkungen, manche Holzschutzmittel waren 'gefährlich für Kind im Mutterleib' und 'Fruchtbarkeitsschäden', das sind dann so Sachen, wo man dann aus Gründen des Gesundheitsschutzes schon in der Norm festschreiben sollte: 'Bitte, wenn ihr konstruktiv arbeiten könnt, dann tut das doch bitte auch'. Also für mich ist ein unbehandeltes Holz immer noch mehr wert als ein behandeltes Holz, und wenn ich mit minimalen Mitteln das Gleiche erreichen kann, dann möchte ich doch, dass das Gesunde in den Vordergrund gerückt wird und das auch in einer Norm, in einem technischen Regelwerk auch aufgenommen wird."

    Im Oktober wird das Deutsche Institut für Normung die neue DIN 68800 veröffentlichen. Und bis auf die Hersteller der chemischen Holzschutzmittel sind alle zufrieden: das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ebenso wie der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz. Dieser hält die neue Norm gar für einen "Meilenstein im Verbraucherschutz". Und auch die umweltpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Dorothea Steiner, wird jetzt Ruhe geben.

    "Das Ganze läuft ja jetzt schon seit fünf Jahren, das hätte auch schon Jahre eher in Kraft treten können, aber es war immer wieder der Versuch: Wir schieben es auf und vielleicht kriegen wir irgendeine Partei rum, dass das nicht in dieser Schärfe kommt. Das ist jetzt aus."