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Abschalten, und was dann?

Tschernobyl, 15. Dezember 2000. Block 3 des Kernkraftwerks wird auf Anweisung von Staatspräsident Leonid Kuchma endgültig abgeschaltet, wie 1995 im Ottawa-Abkommen vereinbart. Damals hatten die Ukraine, die G-7-Staaten und die EU ein "Memorandum of understanding" unterschrieben. Ein komplexes Werk, bei dem es im Kern darum geht: Dafür, dass die Ukraine Tschernobyl schließt, bekommt sie westliche Finanzhilfe für die Sicherung des Sarkophags, für die Fertigstellung zweier Druckwasserreaktoren in Rivne und Khmelnitzki sowie für die Umstrukturierung der Energiewirtschaft des Landes. Die Energielage der Ukraine ist jetzt schon desolat. Block 3 in Tschernobyl liefert immerhin 7% des ukrainischen Stroms. Der ist nicht so leicht zu ersetzen - weder mit Kohle- und Gaskraftwerken noch mit Kernkraft. Die Kompensationsblöcke in Rivne und Khmelnitzki werden frühestens 2003 ans Netz gehen können. Und weil die Ukraine gegenüber Rußland offene Rechnungen für Gaslieferungen in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar hat, dreht das Nachbarland immer wieder den Gashahn zu. Der Westen, so fürchtet man in der Ukraine, wird nach der endgültigen Abschaltung des Kernkraftwerks das Land mit seinen Problemen allein lassen. Dagmar Röhrlich war in der Ukraine unterwegs, hat mit politisch Verantwortlichen in Kiew und den Arbeitern und Ingenieuren des Kernkraftwerks Tschernobyl über die Abschaltung und die Zeit danach gesprochen.

Dagmar Röhrlich | 10.12.2000