Amir schaut etwas ausdruckslos. Er weicht mit seinen Blicken aus. Schweiß rinnt aus den Poren, obwohl es gar nicht warm ist an diesem Wintertag. Amir wurde im Dezember aus Deutschland abgeschoben.
"In Kabul bin ich am Flughafen rausgekommen, und die Leute haben mir Taxigeld gegeben. Jetzt bin ich bei einem Bekannten, vermittelt von einem Kollegen in Deutschland, Khalid. Khalid hat gesagt: Ich habe in Kabul einen Verwandten, da kannst Du hingehen, das ist sicher."
Amir hat keine Familie in Kabul
Die afghanische Polizei ließ den 22-jährigen passieren, obwohl er nach eigenen Angaben nur die Kopie eines Personalausweises dabei hatte – das Original, sagt er, liege auf der Ausländerbehörde in Baden-Württemberg. Mitarbeiter der Internationalen Organisation für Migration, IOM, drückten ihm am Flughafen ihre Kontaktdaten in die Hand. Die Bundesregierung verteilt über die IOM so genannte Wiedereingliederungshilfen. 700 Euro, wenn die Rückkehrer etwa eine berufliche Fortbildung machen oder einen Laden eröffnen wollen. Shah Zaman ist bei der IOM zuständig für Rückkehrer wie Amir.
"Ein unabhängiges Business zu eröffnen, ist hier aber schwierig. Wir raten jedem Abgeschobenen, ihre Familien darum zu bitten, sie mit Kontakten oder Kunden zu versorgen."
Amir hat aber keine Familie in Kabul. Sein Vater, ein Armee-Offizier, ist nach seinen Angaben tot, seine Mutter verschwunden. Ghazni, die Provinz, aus der er 2010 fortgegangen war, ist Kampfzone.
Doktor Fareshta und ihre Mitarbeiter versuchen eine Lücke zu füllen
Fareshta Querees empfängt in einem Hochhaus in Kabuls Innenstadt. Von der obersten Etage hat die 35-jährige Medizinerin einen wunderbaren Blick auf die schneebedeckten Berge, die Kabul einrahmen und an denen sich die ganze Schönheit Afghanistans ablesen lässt. Aber wie zur Erinnerung an die triste Realität donnern immer wieder Militär-Hubschrauber über das Stadtzentrum. Jedes Mal, wenn ein Abschiebeflug aus Europa in Kabul landet, schickt Doktor Fareshta Mitarbeiter zum Flughafen, um die jungen Männer in ihre Beratungsstelle einzuladen. Die Beratung der Internationalen Psychosozialen Organisation, kurz: IPSO, ist kostenlos. Die IPSO wird vom Auswärtigen Amt unterstützt. In einer konservativen, kriegsgeplagten Gesellschaft versuchen Doktor Fareshta und ihre Mitarbeiter eine klaffende Lücke zu füllen.
"Unsere afghanische Gesellschaft wird von Schamgefühlen regiert. Und die Rückkehrer, das sehen wir in unseren Beratungen immer wieder, die fühlen sich als Versager. Flucht und Rückkehr, das ist nicht einfach. Sie haben keine Lust mehr auf ihr Leben. Und deshalb interessieren sie sich auch gar nicht für die Gesellschaft hier. Sie versuchen nicht einmal, über ihre Nöte zu reden. Unser Ziel ist es, die Rückkehrer zum Sprechen zu bringen."
Jobs schaffen kann auch die junge Ärztin nicht
In nicht wenigen Fällen leiten Doktor Fareshta und ihr Team eine Psychotherapie ein. Jobs schaffen kann aber auch die junge Ärztin nicht. Sie kann Ideen geben, den Blick der jungen Rückkehrer auf ihr Heimatland etwas ändern, ihnen ein wenig Leben einhauchen. Amir scheint so etwas dringend nötig zu haben. Der junge Rückkehrer war noch nicht bei Doktor Fareshta.
"Keine Ahnung. Ich weiß nicht. Ich habe keinen Plan. Erst mal brauche ich einen Pass. Wie soll ich arbeiten? Ich habe gar nichts hier. Weil ich bin fremd hier. Ganz alleine. Ich kenne niemanden hier. Wie soll ich das machen? Können Sie mir das sagen?"
Andere machen sich auf den Weg, zurück nach Europa. Amir sagt, dass ihm dafür das Geld fehlt.