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Abschied für immer

Zoologie.- Wie gehen Tiere mit dem Tod um? Wie bewusst nehmen unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, es wahr, wenn ein Mitglied aus ihrer Gruppe stirbt? Zwei Forscherteams ist es jetzt gelungen, dies genauer zu beobachten.

Von Marieke Degen |
    In ihren letzten Minuten ist Pansy nicht allein. Tochter Rosie weicht ihr nicht von der Seite. Auch Blossom schaut immer wieder vorbei, zusammen mit ihrem Sohn Chippie. Die drei sind ganz ruhig, sie streicheln und lausen die alte Schimpansin. Pansy stirbt am 7. Dezember 2008 um kurz nach halb fünf.

    "Kurz vor ihrem Tod haben sich die drei anderen Schimpansen um sie herum versammelt und sie genau beobachtet, besonders ihr Gesicht. Sie haben ihren Kopf angehoben und sie sachte gerüttelt, fast so, als ob sie nach Lebenszeichen suchen würden. Dann aber schienen sie zu bemerken, dass irgendetwas passiert war."

    Jim Anderson ist Psychologe an der Universität in Stirling. Er und sein Team haben Pansys Tod in einem schottischen Safari-Park gefilmt, mit zwei Videokameras unter dem Käfigdach. Auch nach Pansys Tod bleibt ihre Tochter Rosie bei ihr, die ganze Nacht. Aber sie berührt die Schimpansin nicht mehr.

    "Wir können natürlich nur darüber spekulieren, was wirklich geschehen ist. Wir glauben, dass die Tiere wirklich erkannt haben könnten, dass Pansy nicht mehr gelebt hat."

    Sind Menschen tatsächlich die einzigen Lebewesen, die verstehen, was der Tod bedeutet? Die meisten Soziologen und Philosophen würden sagen: Ja. Jim Anderson beschäftigt sich seit Jahren mit unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen. Er sagt:

    "Wahrscheinlich haben wir ihr Verständnis vom Tod unterschätzt – und was es für sie bedeutet, wenn einer ihrer Artgenossen stirbt."

    Schon länger ist bekannt, dass sich Schimpansenmütter oft weigern, ihre toten Jungtiere zu verlassen. Dora Biro, Biologin an der Universität von Oxford, hat das gerade wieder in Westafrika beobachtet. Zwei Schimpansenkinder waren an einer Erkältung gestorben.

    "Die Mütter haben die toten Körper extrem lange mit sich herumgetragen, eine Mutter sogar länger als zwei Monate. Sie haben die Körper weiterhin gelaust, so, wie sie es mit lebendigen Kindern tun würden. Mit der Zeit waren die Körper richtig mumifiziert."

    Die entscheidende Frage sei: Haben die Schimpansenweibchen überhaupt begriffen, dass ihre Jungen tot sind? Darüber kann Dora Biro ebenfalls nur spekulieren. Die Affenmütter hätten die Körper auffallend oft untersucht, sagt sie. Wahrscheinlich hätten sie schon gemerkt, dass mit ihren Jungen etwas nicht stimmt. Doch warum haben sich die Mütter dann weiter um sie gekümmert?

    "Das lässt sich wahrscheinlich mit der extrem starken Bindung zwischen Mutter und Kind erklären. Babyschimpansen sind völlig hilflos. Ihre Mütter müssen sich rund um die Uhr um sie kümmern, sonst würden die Jungen nicht überleben. Das ist biologisch fest in die Mütter einprogrammiert, und bleibt womöglich über den Tod hinaus bestehen."

    Nach einer Weile stellt sich der Hormonspiegel der Weibchen um. Sie werden wieder fruchtbar, vielleicht ist das der Grund dafür, warum sie ihre toten Jungen irgendwann doch verlassen. Jim Anderson geht noch einen Schritt weiter. Möglicherweise lassen die Mütter die toten Kinder deshalb nicht los, weil sie erst mit ihrem Tod fertig werden müssen, sagt er. Sie leisten Trauerarbeit, genau wie seine Schimpansen im Safari-Park.

    "Schimpansen können trauern, das ist schon oft beschrieben worden. Wenn zum Beispiel junge Schimpansen ihre Mutter verlieren, werden sie lethargisch, reagieren nicht auf andere Artgenossen und fressen auch nicht mehr richtig. Im Safari-Park war das nach Pansys Tod ganz ähnlich. Die Schimpansen weigerten sich, auf Pansys Platz zu schlafen. Wochenlang wirkte die ganze Gruppe sehr mitgenommen und gedämpft."

    Man müsse generell darüber nachdenken, wie man mit sterbenden Schimpansen im Zoo umgehe, sagt Jim Anderson. Anstatt kranke Tiere von den anderen zu trennen, wäre es wahrscheinlich besser, sie einfach in der Gruppe zu lassen, damit die Schimpansen Abschied nehmen können.