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Abschied vom Berliner Ensemble
"Das Peymann-Theater ist das Theater der Herzen!"

Nach 18 Jahren ist für Claus Peymann in diesem Sommer Schluss als Intendant des Berliner Ensembles. Das Haus war seine Heimat, die Dichter seine Freunde. Als einer der berühmtesten Theatermacher mischte er sich auch immer lautstark in die Politik ein - und tut das auch in seiner sehr persönlichen Bilanz.

Claus Peymann im Gespräch mit Sven Ricklefs | 17.04.2017
    Claus Peymann posiert mit geballten Fäusten für die Kamera.
    Das Peymann-Theater zieht Bilanz (dpa picture alliance/ Jörg Carstensen)
    "Ich bin schroff, ich bin aggressiv, ich habe Theater immer auch politisch verstanden, ich habe vor niemandem Angst gehabt." Eine wahre Selbsteinschätzung von Claus Peymann zum Ende einer Ära am Berliner Ensemble. Der Theaterleiter und Regisseur war 18 Jahre lang Intendant der bestbesuchten Bühne Berlins, die er im Interview mit dem Deutschlandfunk als "mein Traum-Theater" bezeichnet.
    Trailer Kulturfragen: Bilanz einer Ära - Intendant Claus Peymann über Theater und Politik
    Claus Peymann, der in Stuttgart, Bochum und Wien politisches Theater gemacht hat und dort einige Skandale verursachte, sagt über seine Arbeit am Berliner Ensemble: "Mein Theater ist ein Theater für das Publikum geworden. Das hat mit einer Sehnsucht zu tun, mit einem Traum, den das Publikum in meiner Truppe, im Berliner Ensemble gefunden hat. Es hat sich ein utopischer Ort gebildet, der im tiefsten Gegensatz zum Pragmatismus und Opportunismus der Politik steht. Und das macht uns so wahnsinnig unmodern und avantgardistisch."
    "Dantons Tod" am Berliner Ensemble unter der Regie von Claus Peymann
    "Dantons Tod" von Georg Büchner am Berliner Ensemble im Januar 2012. Szene mit Ulrich Brandhoff als Danton. (imago/DRAMA-Berlin.de)
    Zur Einschätzung vieler Kritiker, das Berliner Ensemble sei ein "Theatermuseum" geworden, meint Peymann: "Ja, in Gottes Namen! In manchen Zeiten ist das Museum ein Ort des Bewahrens, der Ort, wo Werte, auch ein Menschenbild bewahrt ist, das gar nicht mehr aktuell ist. Die Kraft meiner Arbeit und das, was die Leute anzieht besteht in einem Gegenbild, das nicht polemisiert."
    "Das Mittelalter kehrt zurück"
    Peymann sieht im Theater das Potenzial einer Utopie auch für eine gerechte Gesellschaft: "Es ist doch nicht alles in Ordnung in Deutschland. Gewiss, wir sind stark. Aber die Armut nimmt immer größere Maße an. Warum muss jemand, der ein halbes Jahr gearbeitet hat, 11 Millionen Abfindung bekommen? Das ist doch völlig unverständlich und natürlich nährt es die Unzufriedenheit auf beiden Flanken, die Rechten und die Linken".
    Auf die Frage, ob ihn das Aufkommen rechtspopulistischen Gedankenguts in Deutschland überrascht habe, sagt Peymann: "Gar nicht. Dass wir, dass meine Generation nicht weiter geben konnte, dass Krieg das Schlimmste ist; was Kapitalismus will; was der Neoliberalismus ist – das ist vielleicht die Tragik meiner Generation. Überrascht hat es mich nicht. Der Schrecken besteht darin, dass das Mittelalter zurück kehrt: Nationalismus kehrt zurück, Religionskriege sind da - diese anti-aufklärerische Situation, in die wir geraten, die habe ich buchstäblich nicht für möglich gehalten."
    Claus Peymann wird nach dem Abschied am Berliner Ensemble als Regisseur weiter arbeiten: Im Februar 2018 hat am Schauspiel Stuttgart "König Lear" Premiere; und auch in Wien am Burgtheater wird Peymann als Gastregisseur arbeiten, "wenn die Kräfte reichen".